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10.10.2008
Nobelpreis
Was geschieht nun mit den Texten des Preisträgers auf deutsch?
Le Clézios Buch „Der Afrikaner“ wird vom Hanser-Verlag zwar in reformierter Schreibung angepriesen, ist aber in herkömmlicher Schreibweise gedruckt.
(Der Hanser-Verlag stellt sich, mit Michael Krügers Unterschrift, in seiner „Image-Broschüre“ in reformierter Rechtschreibung vor und betrachtet diese für den Fachverlag als verbindlich. In der Belletristik können sich die Autoren wohl noch wehren – aber die übersetzten?)
Die Verleihung des Literatur-Nobelpreises stößt bei Reich-Ranicki auf Ablehnung, weil dieser noch nichts von Le Clézio gelesen hat und, wie seit langem bekannt, Philip Roth für den besten Kandidaten hält. Allerdings kann er nicht beurteilen, ob Roth würdiger als Le Clézio ist, denn diesen hat er ja, s. o., nicht gelesen. (R.-R. zeigt immer mehr Symptome von Altersverstimmtheit, wie man jeden Sonntag in der FAS feststellen kann. Z. B. fertigt er einen vertrauensvollen Leser, der etwas von ihm wissen möchte, mit der Gegenfrage ab: „Haben Sie keine anderen Sorgen?“ – Warum druckt eine Zeitung so etwas? Der Mann hat sich so in die Rolle des „Literaturpapstes“ hineingelebt, daß er sogar seine zahllosen Kenntnislücken wie Orden vor sich herträgt. Die Hälfte seiner Texte dreht sich um die Frage, ob er auch nicht etwa einen Großen unterschätzt, einen Kleinen überschätzt habe. Es geht als immer nur um ihn selbst.)
Sigrid Löffler, die in „Literaturen“ das literarische Geschehen „beo-bachtet“, findet die Auszeichnung u. a. deshalb „bizarr“, weil Le Clézios Bücher in lauter verschiedenen Verlagen erschienen sind. Dieses Kriterium der Preiswürdigkeit scheint die schwedische Akademie bisher vernachlässigt zu haben.
Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt bei dieser Gelegenheit: „Da kennt dass noble Preis-Komitee in Stockholm kein Pardon.“ (10.10.08)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2024 um 04.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#54060
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„Am besten sind Han Kangs Romane vielleicht dann, wenn sie über das Spektrum des Menschlichen sogar noch hinausgehen.“ (Alex Rühle in der SZ)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2024 um 05.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#54054
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Die Romanlastigkeit der Literaturnobelpreise ist nicht selbstverständlich. Ich halte zum Beispiel „The ancestor’s tale“ von Richard Dawkins für eine großartige literarische Leistung und überhaupt das Lebenswerk des Verfassers für höchsten Preises würdig. Er hat etwas zu sagen und sagt es auf eine unübertrefflich klare Weise – was will man mehr? Aber es ist halt keine „Literatur“, wie der „Gebildete“ immer noch meint.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2024 um 04.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#54053
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Wie jedes Jahr sieht man mit gelassener Heiterkeit den Verrenkungen der Literaturkritiker zu, die auf die Entscheidung des Nobelpreiskomitees nicht vorbereitet waren und nun eine gewisse Kennerschaft andeuten müssen, ohne unglaubwürdigerweise zu behaupten, sie hätten die Werke des Gekrönten gelesen. Wikipedia hilft, KI macht es am besten. Das Problem: Diese Hilfsmittel hat der Leser auch zur Hand.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2024 um 20.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#54051
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„Manches, das macht dieser Roman klar, ändert sich auch dann nicht, wenn politische Systemwechsel zum Besseren erfolgen.“ (Andreas Platthaus in der FAZ zum Literaturnobelpreis für Han Kang)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2023 um 18.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#51892
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Komisch, wie sich das wiederholt. (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#33533) Gegen den Literaturnobelpreisträger wenden die Überschriftenleser immer wieder ein, daß sie noch nie von ihm gehört haben. Obwohl sie ihn also nicht kennen, glauben sie sich äußern zu müssen. Im Grunde war Reich-Ranicki auch nicht anders: Was ich nicht kenne, kann nicht viel taugen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2022 um 06.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#49739
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Im Rigveda wird jeder Gott eine Hymne lang so dargestellt, als sei er der einzige und größte: „Monotheismus des Augenblicks“ nach Max Müller. Zur neuen Literaturnobelpreisträgerin schreibt die Zeitung, sie habe die Autobiographie neu erfunden; ihre Art zu schreiben habe die Welt verändert usw. Der Leser muß erkennen, daß ihm das größte aller Wunder bisher entgangen ist.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2016 um 06.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#33617
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Der „Spiegel“ stellte 2004 einen Auszug aus Dylans „Chronicles“ auf Reformschreibung um: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32428394.html
Nebenbei: Ein Mitglied der Schwedischen Akademie hat dem frisch gekürten Literaturnobelpreisträger Bob Dylan Arroganz vorgeworfen, weil er bislang mit keinem Wort auf die Ehrung reagiert hat.
Die ziemlich unbekannten Mitglieder der schwedischen Akademie haben sich mit Dylan geschmückt, und nun glauben sie ihn schulmeistern zu können. Haben sie denn nicht gewußt, mit wem sie es zu tun haben? Damit würden sie sich nachträglich disqualifizieren.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.10.2016 um 15.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#33547
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Also wie gesagt, Leute wie Dionysius Thrax kann man nicht "Thrax" nennen, das ist ja nur ein Beiname. Bob Dylan schreibt in seiner Autobiographie, wie er als junger Mann durch die Weltliteratur pflügte:
I read some of the Albertus Magnus book ... the guy who mixed up scientific theories with theology. It was lightweight compared to Thucydides. Magnus seemed like a guy who couldn't sleep, writing this stuff late at night, clothes stuck to his clammy body.
Den "Magnus" wollen wir ihm nachsehen, zumal er mehrmals auf Thukydides als Maß aller Dinge kommt, recht so! Die deutsche Übersetzung (Kathrin Passig/Gerhard Henschel) macht daraus stillschweigend "Albertus".
In Princeton wurde er Ehrendoktor: When my turn came to accept the degree, the speaker introducing me said something like how I distinguished myself in carminibus canendi and that I now would enjoy all the university's individual rights and privileges...
Die deutsche und die spanische Übersetzung haben das falsche Latein übernommen, die Italiener korrigieren es stillschweigend: http://www.ondarock.it/speciali/bobdylan_nobel.htm
Eine Stelle, die für seinen trockenen Stil bezeichnend ist, hatte ich mir angestrichen:
There was a book by Sigmund Freud, the king of subconscious, called Beyond the Pleasure Principle. I was thumbing through it once when Ray came in, saw the book and said, "The top guys in this field work for ad agencies. They deal in air." I put the book back and never picked it up again.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2016 um 09.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#33533
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Noch gleichgültiger als die Verleihung des Literaturnobelpreises sind die Kommentare dazu. Manche meckern, weil ein Preisträger unbekannt ist, manche, weil er bekannt ist. Da es Tausende von Literaten gibt, die man ebenso gut auszeichnen könnte, und die Hälfte davon nach der Auszeichnung wieder in die Vergessenheit zurücksinkt, sollte man das Ganze nicht so ernst nehmen.
Bei der Entscheidung für Dylan dürfte Heinrich Detering eine Rolle gespielt haben. Ich kenne keine einzige Nummer des Sängers, allerdings habe ich seine Chronicles I gelesen, das interessiert mich mehr.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 11.10.2014 um 14.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#27023
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Wie man hört, geht es in Modianos Büchern stets um das besetzte Paris, dessen Wirklichkeit er selbst (*1945) überhaupt nicht erlebt hat. Eine absurde Fixierung.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2014 um 12.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#27022
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Na ja, im Zusammenhang ist schon klar, daß es sich nicht um einen Genitivus objektivus handelt, denn ein großer Teil des Bandes gibt den Doppelseiten, die dann zu jenem berühmten Buch gebunden wurden. Mir ist die grammatische Zweideutigkeit gar nicht aufgefallen, so sehr war ich drin in der Sache. Den ersten Teil von Grasskamps Werk, worin es um die bekanntere Abbildung geht, kann man hier lesen:
http://www.chbeck.de/fachbuch/zusatzinfos/Leseprobe_Andr%C3%A9-Malraux.pdf
Die Leseprobe macht vielleicht Appetit aufs Ganze.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 11.10.2014 um 10.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#27021
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Ist zwar wurscht, aber es handelt sich nicht um »Abbildungen seines Buches«.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2014 um 09.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#27020
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Sehr gut geschrieben ist das neue Buch über Malraux von Walter Grasskamp (leider in Reformschreibung, bei Beck). Das schöne Wort "Bildungsbrosche" muß ich mir merken.
Zu einem weniger bekannten Foto von Jarnoux bemerkt Grasskamp sehr hübsch, Malraux sei hier "eher unelegant auf den ausgelegten Abbildungen seines Buches hingestreckt". In der Tat liegt der Meister da wie eine Wurscht, man kann es z. B. hier sehen:
http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.loeil-en-seyne.fr%2Fphotos09%2F006.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.loeil-en-seyne.fr%2Fpages09%2Fartcultur.html&h=473&w=473&tbnid=wKkjXaW_Vr4R9M%3A&zoom=1&docid=m2yXq56Wcy7gfM&hl=de&ei=zt84VOfiEIWqOvydgKgC&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=2293&page=1&start=0&ndsp=31&ved=0CDEQrQMwBQ
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2014 um 08.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#27019
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Auch ich kann Altersstarrsinn. Also ich werde Modiano wahrscheinlich nicht lesen. Nicht daß ich etwas gegen ihn hätte, ich kenne ihn ja gar nicht. Aber wenn die Zeit knapp wird, verschieben sich die An- und Aussichten. Warum sollte ich noch mehr Romane lesen? Ich fülle meine Mußestunden ja zur Zeit mit den Büchern von Richard Dawkins. Nicht nur der Gegenstand interessiert mich mächtig, auch die Darstellungskunst zieht mich unwiderstehlich an. (Prodesse und delectare - was will man mehr!) Er wird nie den Literatur-Nobelpreis bekommen, braucht ihn natürlich auch nicht, weil man sich an ihn und andere Meister erinnern wird, wenn noch mehr Nobelpreisträger längst vergessen sind. Früher wurde der Preis auch an einige Nichtbelletristen verliehen, das hat sich doch sehr verengt. Es bleibt also dabei, daß große Sprachmeisterschaft nobelmäßig ungeehrt bleibt, wenn die Verfasser wirklich etwas zu sagen haben.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2014 um 17.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#26999
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Die Verleihung des Literaturnobelpreises gibt wieder Gelegenheit, die Prosakunst von Redakteuren zu würdigen, die Patrick Modiano loben, obwohl sie ihn auch nicht gelesen haben, z. B. im SPIEGEL. Die notwendigen Daten bekommt man ja heute durchs Internet rasch zusammen. Man kann richtig Satz für Satz nachvollziehen, wie sie es machen. (Ich hatte schon mal einen Satz von Elke Heidenreich zitiert, die damals Le Clézio würdigte, ohne ihn gelesen zu haben: "Sein Werk ist ein sehr intelligentes, sehr kluges Werk, aber es hat immer eine ganz große menschliche und dichte und warme Dimension.")
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2012 um 06.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#21790
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In der ZEIT bespricht der Sinologe Tilman Spengler das neue Buch von Liao Yiwu. Anschließend bestreiten Leser, daß es das Tiananmen-Massaker überhaupt gegeben hat, es sei eine westliche Propagandalüge.
Wenn man die weltweit übliche Geschichtsfälschung und die Legendenbildung längere Zeit studiert hat, wundert einen gar nichts mehr. Wir haben die Verblendung westlicher Besucher in Stalins Reich noch in Erinnerung. Luise Rinser sah in Nordkorea, was sie sehen wollte, und liebte den Großen Bruder. Während meines Studiums in Marburg hielten viele Kommilitonen die VR China für das Paradies der "Arbeiter und Bauern", als das sie sich im maoistischen Buchladen präsentierte.
Die chinesische Zensur funktioniert nun schon länger als jede andere. Als ich in China arbeitete, habe ich aus vertraulichen Erzählungen unauslöschliche Eindrücke bekommen, vom allgegenwärtigen Spitzelsystem auch durch eigene Erfahrung. Aber das findet noch lange nicht seinen Weg in die Geschichtsbücher, selbst wenn das Regime, wie zu erwarten, bald zusammenbricht. Die Partei, inzwischen frei von programmatischem Inhalt. wird kaum mit Internet und wachsendem Wohlstand zurechtkommen, aber die innere Verbiegung der Menschen dürfte nur sehr allmählich durch eine neue "Narbenliteratur" (wie nach der "Kulturrevolution") aufgearbeitet werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2012 um 07.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#21754
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Schweden-Kenner Thomas Steinfeld teilt auch was ganz Interessantes mit:
„Und beim dritten Mal war aufgefallen, dass das Akademiemitglied Göran Malmquist nicht nur bei der Wahl des neuen Nobelpreisträgers mitgestimmt, sondern auch mehrere Bücher Mo Yans übersetzt hatte. Diese sind noch nicht erschienen, was den Fall komplizierter macht – laut den Statuten der Akademie dürfen ihre Mitglieder keine eigenen ökonomischen Interessen bei der Preisvergabe verfolgen. Zudem handelt es sich bei Göran Malmquist um einen Wiederholungsfall: Er war bereits der schwedische Übersetzer Gao Xingjians, der im Jahr 2000 den Literaturnobelpreis erhielt.“ (SZ 19.10.12)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.10.2012 um 18.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#21685
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Der neue Literaturnobelpreisträger setzt sich für die Freilassung Liu Xiaobos ein. Möglicherweise wird dieser wirklich bald freigelassen. Dann dürfte Mo Yan als Parteimitglied und Funktionär diesen Schritt genau so mit den Parteioberen verabredet haben. So läuft das normalerweise in China. Einen mutigen Alleingang Mo Yans kann ich mir nicht vorstellen.
Die Wirkung nach außen wäre auf jeden Fall sehr günstig.
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 06.10.2011 um 21.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#19299
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Zur Verleihung des Literaturnobelpreises werde ich mich hier nicht wiederholen, aber die Auslassungen Reich-Ranickis zu diesem Thema haben nur wenig mit Altersstarrsinn zu tun. (Der mag seine Rechthaberei freilich noch verstärken.) Er hält sich vielmehr schon seit langem für die einzige Instanz, die einen Autor deutscher Zunge für den schwedischen Preis vorschlagen darf. Bekanntlich hat er damals viel Aufhebens davon gemacht, Heinrich Böll 1972 (!) für den Preis vorgeschlagen zu haben. In den 80er und vor allem in den 90er Jahren wurde er dann nicht müde, diese Entscheidung wieder zu bedauern, weil Böll doch den Preis eigentlich eher politisch, aber auf keinen Fall literarisch verdient habe.
Ähnliches gilt für die Lyriker, die zwischendurch diesen Preis erhalten haben. Denn Reich-Ranicki hat sich erklärtermaßen nie für Lyrik interessiert. Und was die japanische, türkische, südamerikanische und sonstige Literatur angeht, hat er in diesem Fall schon damals die Pose des exilierten Thomas Mann eingenommen. Ich habe die Stelle jetzt nicht parat, aber Mann hat sich einmal zu Joyce geäußert, er habe zu ihm keine Meinung, da er ihn nicht im Original lesen könne. Und wenn man als Kritikerpapst zu jemandem keine Meinung hat, dann gilt der auch nicht. Zumindest in der Auslegung der Ratsuchenden, die das Orakel von Frankfurt befragen.
(Peinlich ist und bleibt in meinen Augen nur, daß Reich-Ranicki den Zeitpunkt verpaßt hat, mit Würde in den Ruhestand zu gehen. Alter und der damit verbundene Starrsinn treffen schließlich auch andere.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2011 um 18.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#19297
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Auch Tranströmer hat den Nobelpreis nach Reich-Ranickis Meinung nicht verdient. Der Grund ist wiederum, daß R.-R.dessen Namen noch nie gehört hat. Der SPIEGEL erinnert an ähnliche Urteile: Chinesen verdienen den Nobelpreis nicht, weil R.-R. noch nie ein chinesisches Buch gelesen hat. Türken nicht, weil türkische Literatur R.-R. nicht interessiert usw.
Das alles spricht aber nicht gegen den greisen Reich-Ranicki, denn der hat sowieso alles, was er zu sagen hat, schon vor Jahrzehnten gesagt. Es spricht gegen die halbgebildete Meute, die mit jeder literarischen Frage immer wieder zu R.-R.läuft. Und dessen eigentlich unverschämte, aber kaum noch zurechenbare Urteile werden nun von allen Zeitungen verbreitet. Da kann man sich nur noch fremdschämen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2009 um 15.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#15084
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Die Unternehmensphilosophie ist wohl ein Anglizismus.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.10.2009 um 14.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#15083
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Mir ging es ähnlich mit dem Wort Philosophie.
Nach der Wende habe ich erstaunt festgestellt, daß jedes Unternehmen seine eigene "Philosophie" hat.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2009 um 10.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#15081
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Seit einigen Jahren stolpere ich über einen Gebrauch des Wortes "Literatur", der mir auch jetzt im Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten an Herta Müller wieder auffiel:
"Ihre Literatur ist geprägt von den Erfahrungen, die Sie selber in Rumänien mit der kommunistischen Diktatur gemacht haben."
Früher hätte man wohl gesagt: "Ihr Werk" oder "Ihre Schriften". Es gibt sogar Schriftsteller, die sagen "meine Literatur". Warum klingt das so seltsam? Vielleicht weil es eine historisierende Distanz suggeriert.
Wenn ich Schriftsteller wäre, würde ich nicht annehmen, daß jemand sich für "meine Literatur" interessiert. Es riecht schon irgendwie nach Regal und Staub.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2009 um 18.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#15078
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Herta Müller, die neue Nobelpreisträgerin, hatte seinerzeit untersagt, daß ihre Texte auf Reformschreibung umgestellt werden. Da Hanser ihren neuesten Roman nun in Heyse-Schreibung veröffentlicht hat, muß sie wohl einverstanden gewesen sein.
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Kommentar von Kelkin, verfaßt am 10.10.2008 um 15.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1060#13249
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Reich-Ranicki hat nun Gelegenheit, einen bedeutenden Schriftsteller kennenzulernen.
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