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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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16.03.2008
 

Ratlos vor der Morgenzeitung
Zu viele Fremdwörter!

Angela Merkel dagegen chambrierte in der europäischen Klimadebatte so elegant wie gewohnt. (SZ 15.3.08)

Was mag das bedeuten? Ich gucke mal bei Google nach und finde eine Wiki-Auskunft:

"Das Chambrieren (frz. chambre, das Zimmer) ist das relativ langsame Aufwärmen eines Weines auf die optimale Trinktemperatur."



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Kommentare zu »Ratlos vor der Morgenzeitung«
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 16.03.2008 um 17.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11673

Kanzlerin wie immer politisch korrekt

Der Hofberichterstatter von der "SZ" wollte es einfach nicht wahrhaben, daß die Kanzlerin evtl. antichambrierte. Das käme nicht in die Tüte (und in die "SZ")!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.03.2008 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11674

"Am Samstagfrüh ..." (Welt-online)

Dieser Fall ist meines Wissens bisher ebenso ungeklärt wie die Verbindung der Tageszeiten mit "neulich". Natürlich wäre auch die Zusammensetzung mit dem femininen Substantiv "Nacht" zu erwähnen: "am Dienstagnacht" oder wie?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 16.03.2008 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11675

Aber auch mit Hilfe von Wikipedia als Wörterbuch ergibt dieser Satz noch keinen rechten Sinn:

"Angela Merkel dagegen wärmte in der europäischen Klimadebatte so elegant wie gewohnt auf ihre optimale Temperatur auf."

Ich wollte der Kanzlerin zuerst eine Betriebstemperatur verpassen, habe mich dann aber noch beherrscht.

Wenn man aber nun, lieber Herr Schatte, eine Verwechslung mit antichambrieren annimmt, habe ich immer noch Probleme mit dem Satz. Denn antichambrieren bedeutet ja wohl wörtlich, sich im Vorzimmer (dem Antichambre) des Kabinetts (ursprünglich das Arbeitszimmer des Königs oder Ersten Ministers) aufzuhalten. Man kann das Verb auch als "auf Bittgang gehen" oder schlicht "katzbuckeln", jugendsprachlich vielleicht noch "schleimen" übersetzen. In jedem Falle gehört zum Antichambrieren eine gebückte, devote oder ergebene Haltung und beim König womöglich noch ein Verlassen des Antichambre im Rückwärtsgang dazu. In Briefen des 18. Jahrhunderts war das immer die sehr devote Schlußformel "votre très humble serviteur XY".
Wie läßt sich aber nun diese Haltung (auch als Geisteshaltung) mit dem Adjektiv elegant in Einklang bringen? Gar nicht, weshalb ich da auch keinen Sinn hereinbekomme. Mir scheint hier eher eine Verbindung aus Bildungsferne und irgendwo angeeigneter (bei Wikipedia?) Bildungsnähe vorzuliegen. Außer Menschen, die noch richtig schreiben und lesen können (Frau Pfeiffer-Stolz schrieb hier just etwas ähnliches) wird auch kaum jemandem die unfreiwillige Komik dieses Satzes auffallen. Die meisten werden sich an dem vermeintlich eleganten Deutsch erfreuen und es – die schlimme Folge – in ähnlich unpassendem Kontext imitieren. Wir hatten hier doch schon mal "die Axt im Walde" von Frau Nahles...
Die Familie der Stilblüten ist seit den diversen Rechtschreibreformen von 1998 an und auch trotz Sick (oder wegen?) eben nicht kleiner geworden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.03.2008 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11676

Mit Fremdwörtern kann man eben sehr leicht auf die Nase fallen. Anderswo habe ich schon mal das folgende Zitat zum besten gegeben: "Die jugendliche Sissi (Kaiserin Elisabeth) zog marodierend durch Griechenland." Ich glaube, der Verfasser hat sich darunter etwa "kränkelnd" vorgestellt.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 16.03.2008 um 18.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11677

Zu #11674:

Eigentlich möchte ich "am Samstagfrüh" auch unter die Stilblüten aufnehmen. Es wird im einzelnen wohl auch sehr schwierig werden, die Etymologie dieser Fälle restlos aufzuklären. Im 19. Jahrhundert mit seiner Vorliebe für den Apostroph wäre ein derartiger Schnitzer mit der falschen Präposition wahrscheinlich nicht passiert (Samstagfrüh').

Aber wenn ich mal ein bißchen spinnen darf und wieder eine ungesunde Mischung aus Bildungsferne und Bildungsnähe (eben Mediokrität) unterstellen darf, komme ich zu folgendem:

Normalerweise ist "an" die korrekte Präposition, hier im Dativ dann als "am". Vielleicht weiß der Verfasser (generisch!) dieser Stilblüte auch noch, daß die Regel "Tageszeiten getrennt und groß" inzwischen wieder revidiert wurde, ist sich aber nicht ganz sicher, wie eigentlich. Statt "Samstag Früh" nun also wieder "Samstagfrüh", denn die Kontraktion weist ihn immer noch als braven Befolger der vermeintlich amtlichen Rechtschreibregeln (oder was er dafür hält) aus. "An" ist deshalb für ihn immer noch die korrekte Präposition für den Samstag. Von der femininen Frühe hat er entweder keine Ahnung, oder er erinnert sich noch schwach an das Lied "Im Frühtau zu Berge...", wo es ja auch der "Frühtau" war. Der "Früh...", der "Samstag", das paßt also schon irgendwie. Und schick sieht es auch noch aus.

So, damit habe ich nun wahrscheinlich maßlos übertrieben und werde vielleicht auch von der Redaktion gelöscht, aber ich bin tatsächlich davon überzeugt, daß wir uns an vieles gewöhnen müssen, was man nur noch mit diversen "irgend-" erklären kann. Eine Zeitlang wird Sick mit solchen Dingen noch Geld machen können. Aber auch damit ist endgültig dann Schluß, wenn niemand mehr die Hähme, die er kübelweise über anderen auskippt, als solche erkennen kann.
Hier war es ja wohl ein professioneller Schreiber, der seiner Muttersprache mächtig sein sollte, und nicht der arme Betreiber einer "Imbiss-"Bude, der es nicht besser weiß. Soviel noch zur Entschuldigung für mein Extemporieren.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 16.03.2008 um 18.26 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11678

Lieber Herr Höher,
wenn die Kanzlerin wirklich antichambrierte, ist das nur ein Indiz dafür, daß sie keine Großmacht repräsentieren will. In dem von Ihnen dargestellten despektierlichen Sinne entschlüpfte mir dieses Verb einmal im Forum.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 16.03.2008 um 20.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11684

Zur chambrierenden Kanzlerin:
Man könnte allerdings auch annehmen, daß unser SZ-Autor ganz bewußt vom "antichambrieren" (dessen Bedeutung wir alle kennen, und er auch) das "anti" wegließ, gerade weil er
a., wie ich auch, nicht wußte, daß das "relativ langsame Aufwärmen eines Weines auf die optimale Trinktemperatur" eben auch zum Bildungswissen gehört und "chambrieren" also vergeben ist,
und weil
b., die Kanzlerin demokratieentsprechend eben nicht nur einen unsrer Führenden in seinem Arbeitszimmer aufsuchte, sondern mehrere in deren Arbeitszimmern, wobei sie, ihrem eigenen Status durchaus entsprechend, eben weiter als nur bis zur Anmeldedame im Vorzimmer kam.

Bißchen hergeholt ist der Ausdruck aber schon, nicht wahr, und so hoffen wir, daß ihn niemand imitiert. Aber vielleicht hat der SZ-Autor sogar hier mitgelesen und sich an Schattes Hinweis orientiert, wonach die "neue Bedeutung [...] jedoch in einem von der Erstbedeutung möglichst weit entfernten Bereich funktionieren" sollte...
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 16.03.2008 um 21.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11685

Lieber Herr Ludwig,

allzuviel konsequente Bildung mit dazugehörendem etymologischen Hintergrund möchte ich unserem Autor ja eben nicht unterstellen. Sondern eher eine im Augstschen Sinne zurechtgezimmerte Volksetymologie.

Gut möglich ist freilich, daß das Präfix bewußt entfiel, weil unserem Autor "anti" als Indiz für etwas Gegenteiliges bekannt vorkam. Auch gut möglich ist, daß Frau Merkel tatsächlich bei mehreren europäischen Staatspräsidenten oder Premierministern bis ins Arbeitszimmer kam. Nur wäre das im Französischen leider wieder das cabinet, das deutsche Kabinett (daher ja auch das "Kabinettstück"). Das chambre hingegen ist im Französischen eigentlich das Zimmer, in dem der König etwa in Gegenwart einflußreicher Hofbeamten sein lever abhielt. Daher auch an französischen Höfen der conseiller de la chambre du roi, der dem König auch dort noch raten durfte. Nur, wohin läßt unser SZ-Autor die arme Angie dann gelangen?

Man kann es drehen und wenden, wie man will, es bleibt komisch. Das französische Verb chambrer bedeutet übrigens auch, "jemanden im Zimmer einsperren". Ich bleibe daher dabei: Die arme Angie!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.03.2008 um 21.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11686

Frz. chambrer: in demselben Zimmer wohnen, in einem Zimmer einsperren, umgarnen, hochnehmen, sich über jemanden lustig machen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.03.2008 um 02.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11688

Zu der oder die Früh:

In der erzgebirgischen Mundart, mit der ich aufgewachsen bin, sagt man bis heute zwar "in dr Früh" (also die Früh), aber andererseits ausschließlich, so wie z.B. in dem regional sehr bekannten "Schwammelied" von 1918: "Kimmt dr Sunntigfrüh" (Kommt der Sonntagfrüh).
 
 

Kommentar von Wolfram Möhrlein, verfaßt am 17.03.2008 um 06.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11689

Wahrscheinlich meinte der Autor "lavierte". Klingt ja auch irgendwie ähnlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2008 um 10.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11690

Fremdwörter verlocken dazu, sprachlich über seine Verhältnisse zu leben. Manchmal glaubt man sich an ein besonders schönes zu erinnern und vertut sich dann ein wenig. Insofern sollte man nicht zuviel hineingeheimnissen.
Manchmal delirieren Journalisten auch nur, wie wir alle gelegentlich. Heute schreibt zum Beispiel ein gewisser Herr Rabe in der SZ, daß Rainer Langhans Jutta Ditfurt den Rücken "zuwand", die ihrerseits ihre Gegner "scholt" usw., es gibt noch ungefähr sechs weitere Hämmer in dem Text, darunter "Analfisuren", die sich auf "Schamhaarfrisuren" reimen sollen. Hübsch ist das Adjektiv "Karasekesk", auch noch groß geschrieben!
 
 

Kommentar von Dr. Globke, verfaßt am 17.03.2008 um 10.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11691

Etwas fremdwortverliebt wirkt es auch, wenn sich ein Germanist "Sitta" nennt, obwohl es an der Uni Mainz auch hierzu eine deutsche Entsprechung gibt, nämlich den allseits geschätzten Prof. Kleiber.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 18.03.2008 um 11.43 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11711

Frau Dr. Merkel ist die RSR weiterhin völlig egal – wie man auf dem Titelbild der heutigen FAZ bestaunen kann.

Immerhin steht sie protokollarisch an vierter Stelle unserers Staates und demonstriert damit öffentlich, daß man auch in dieser Position die Heyse-Schreibweise keineswegs braucht. Da ist Frau Merkel einmal vorbildlich.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 18.03.2008 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11712

Bei Google schaue ich schon lange nicht mehr nach, die sind mir zu neugierig. Siehe dazu „Google kennt dich besser, als du denkst“ (ZEIT 12/2008, S. 29) und das Interview mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten anläßlich der Übernahme von DoubleClick (siehe hier); ergänzend zudem diesen und diesen Kommentar im Zeit-Forum.
 
 

Kommentar von b. eversberg, verfaßt am 18.03.2008 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11713

Nicht vorbildlich geht die Redaktion mit Frau Merkel um: In der Online-Ausgabe der FAZ.NET hat man ihr das "Bewußtsein" in der Bildunterschrift verfälscht.
Politisch korrekt wie auch wissenschaftlich integer ist nur buchstabengetreues Zitieren von schriftlichen Äußerungen anderer.
Aber naja, einmal ss mehr oder weniger, das ist ja egal, angesichts der poltischen Dimension der Sache hochgradig nebensächlich.
 
 

Kommentar von Inge Müncher, verfaßt am 18.03.2008 um 16.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11714

Zum Beitrag von Oliver Höher, #11677

In der 24. Auflage des Dudens erscheint, mit gelber Farbe gekennzeichnet, „morgen früh“ – S.703, auch S.425 – das heißt also, so wird es vom Verlag empfohlen. Es folgt dann ein „od. morgen Früh“, wobei das „Früh“ rotfarbig ist, meint also reformierte Schreibung nach 1996.

Im neuen Schülerduden (2006) gibt es noch nicht eine Empfehlung für „morgen früh“, sondern es bleibt beim „morgen Früh“ (Früh in Rot) – S.141, auch S.262 – als reformierte Schreibung, jedoch erscheint als Möglichkeit, sogar an erster Stelle stehend, die klassische Schreibweise „morgen früh“ (früh in Schwarz).

„Dienstag früh“ (früh in Schwarz) erscheint in der 24. Auflage des Dudens, S.318, in klassischer Schreibweise, außerdem „dienstagabends“ (in Rot), also reformiert, jedoch dazu ein „od. dienstags abends“ (in Schwarz) als klassische Schreibweise. „Am (nächsten) Dienstagabend“ (in Rot) ist zwar farblich so gekennzeichnet, als wäre hier reformiert worden, aber bisher wurde auch klassisch so geschrieben.

Im neuen Schülerduden finde ich keine Verbindung einer Wochentags-Bezeichnung mit „früh“ oder „Früh“.

In beiden Ausgaben erscheint „abends spät“ (spät in Schwarz) – S. 152 im Duden und S.13 im Schülerduden, – in klassischer Schreibweise. Vielleicht hat man hier eine Reformierung oder Empfehlung vergessen.

Obwohl der Duden neuerdings ein klassisches „morgen früh“ (in Gelb), S.703, zur Schreibung empfiehlt, stehen hartnäckig daneben „morgen Abend, morgen Mittag, morgen Nachmittag“ (das zweite Wort jeweils in Rot), und Varianten erscheinen dort nicht.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 18.03.2008 um 18.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11716

Der Beitrag von Manfred Riemer (987#11688) erinnert mit "Kimmt dr Sunntigfrüh" daran, daß das Erzgebirgische Grammatikern einige Nüsse zu knacken gibt, was die ihm und überhaupt sehr eigenen Nomina(lisierungen) betrifft. So heißt es in einem Frühlingsgedicht von Kurt Arnold Findeisen:

"[...] uffm Bahml huuch sitzt der Amisch scho draaf
un is fruh übern erschten Weng Grie."

Für die inkorrekte eigene Verschriftung des Dialekts (aus dem Kopf) entschuldige ich mich von vornherein. Die Hervorhebung betrifft das Besondere. Da scheint ein nominaler Quantor in den Wortschatz eigegangen zu sein, der in Hannover etwa "über den ersten Wenig Grün" wohllauten würde.

Dieses Beispiel zeigt, daß sich Mundarten, Dialekte, Regiolekte etc. vom Standarddeutschen nicht allein in ihrer Artikulation und in ihrem Lexikon unterscheiden, sondern auch im ungeahnten Potential ihrer Wortbildung.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.03.2008 um 18.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11717

Bald wird sicher auch "ein wenig", fränkisch "a weng", großgeschrieben, weil es wegen des unbestimmten Artikels als Substantiv angesehen wird. Entsprechend "ein bißchen".
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 19.03.2008 um 07.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11720

Noch einmal zu Merkel:
Die deutschen Medien berichteten unisono, Frau Merkel sei als erster ausländischer Regierungschefin die Ehre zuteil geworden, vor der Knesset eine Rede halten zu dürfen. Das wäre ja auch dann wahr, wenn vor ihr schon Blair, Kohl und Schröder sich vor der Knesset geäußert hätten. Wenn man schon den geschlechtsneutralen Ausdruck »Regierungschef« unbedingt sexualisieren muß, müßte man präziser (und damit verkrampft und unnötig kompliziert) formulieren.
Hier stellt sich die politische Korrektheit (und ausgerechnet am Beispiel eines besonders rigiden PC-Vertreters) selbst ein Bein.
 
 

Kommentar von Anagnostis Efimeridon, verfaßt am 24.03.2008 um 13.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#11779

Apropos Zeitung: Obschon es nicht ganz zum Thema paßt, erlaube ich mir, hier eine Liste derjenigen Zeitungen einzustellen, die nach wie vor in traditioneller Rechtschreibung erscheinen, da die im Internet zu findenden Listen (gutes-deutsch.de; www.vernuenftig-schreiben.de) nicht sehr zuverlässig sind.

TAGESZEITUNGEN
1) in traditioneller Rechtschreibung: "Junge Welt"
2) mittlerweile anscheinend auf Reformschreibung umgestellt: "Böhme-Zeitung Soltau", "Ärzte Zeitung", "Moosburger Zeitung", "Harburger Anzeigen und Nachrichten"
3) Nichts herausfinden konnte ich über die Rechtschreibung der Zeitung "Periskop"; das "Saar-Echo" scheint nicht mehr zu existieren.

WOCHENZEITUNGEN
1) in traditioneller Rechtschreibung: "Osservatore Romano - deutsche Ausgabe", "Junge Freiheit", "Neue Bildpost", "Preußische Allgemeine Zeitung", "Zur Zeit", "Neue Solidarität", "Hermannstädter Zeitung", "Zeit-Fragen", "Rheingau-Echo", "Schwelmer Stadt-Anzeiger", "Heide-Kurier Soltau"
2) mittlerweile anscheinend auf Reformschreibung umgestellt: "Jüdische Allgemeine", "Die ganze Woche" (?), "News", "Karpatenrundschau" (?), "Format", "Prager Zeitung"
3) Nichts herausfinden konnte ich über die "Neue Zeitung (Ungarn)"

SONSTIGE ZEITUNGEN
1) in traditioneller Rechtschreibung: "Deutsche Sprachwelt", "Der Republikaner", "Studenten-Kurier", "Der 13.", "Oldenburger Stachel", "Widerstand", "Kirchliche Umschau", "Una Voce Korrespondenz", "Die Aula", "Neue Freie Zeitung" und viele andere
2) mittlerweile anscheinend auf Reformschreibung umgestellt: "Altbayerische Heimatpost", "Karlsbader Zeitung", "Islamische Zeitung", "Neue Wernigeroder Zeitung", "Wirtschaftsblatt (Mettmann)", "Afrika-Post"
 
 

Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 24.07.2009 um 11.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#14840

Seit heute erscheint die „Preußische Allgemeine Zeitung“ in einer reformierten Schreibweise.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.12.2009 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#15453

Auch die 25. Auflage des Dudens löst das Problem Dienstagnacht nicht. Im Kasten stehen wohlweislich nur maskuline Komposita wie Dienstagabend, dazu ein unverfänglicher Eintrag wie wir kommen (am) Dienstag früh (zeitig). Dabei wird die auch mögliche substantivische Auffassung der Früh einfach unterschlagen. Außerdem ist früh kommen nicht dasselbe wie Dienstagfrüh (?) kommen. Unter Dienstagnacht wird auf Dienstagabend verweisen, aber das bringt nichts, weil ja gerade das feminine Genus wegen der Verschmelzung mit dem bestimmten Artikel zu einem Problem führt.
Während als beim Dienstagabend ohne Bedeutungsunterschied der Artikel mit Präposition hinzugefügt werden kann, wie der Duden meint, soll das bei Dienstagnacht nicht gehen?

In meinem Wörterbuch geht das so: Wir kommen Dienstag abend, Dienstag nacht, Dienstag mitternacht, am Dienstag abend (natürlich auch: am Dienstagabend), am Dienstag nacht, am Dienstag mitternacht usw., weil die Tageszeiten grundsätzlich adverbial aufgefaßt werden.
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 27.12.2009 um 19.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#15454

Duden-Stichwörter

Ja, gewiß: "unverfängliche" Beispiele. Die Dudenredaktion (ich weiß es aus erster Hand, man kann es auch anhand der Wörterbucheinträge leicht überprüfen) hält sich bei heiklen bzw. problematischen bzw. zweifelhaften Schreibformen – aber gerade da, wo es darauf ankommt – zurück. Beim "Wahrig" ist es freilich nicht anders. Man zieht sich opportunistisch aus der Affäre.
In meiner Praxis der Sprachberatung – sofern die reformierte Rechtschreibung Thema war – hatte ich immer wieder Anlaß, auf derlei kritische Fälle aufmerksam zu machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2010 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#16372

Ich kenne dieses Lied nicht, finde aber beim Suchen im Internet meist dr Sonntig früh. Es ist also möglicherweise kein Genusproblem. Aber heute lese ich in der "Süddeutschen Zeitung" am Sonntagfrüh. Eine harte Nuß!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.10.2010 um 10.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#16975

Auch beim Mannheimer Morgen ist Früh männlich (heute auf S. 16):

»Erstaunlicher Besuch nachts um vier: In Widnau im Schweizer Kanton St.Gallen hat am Samstagfrüh ein nackter Mann geschellt.«

Aber diese offensichtliche Geschlechtswandlung (von die Früh) hat wohl mehr mit den Folgen der unzweckmäßigen neuen Großschreibung der Tageszeiten zu tun.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 25.10.2010 um 13.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#16976

Josef Hofmiller, Briefe, Tl. II: 1922-1933 (Dessau 1941), S. 320: „die Hauptsache ist, daß ich jeden Früh (man beachte das Genus), wenn ich über unsere, über meine Wiese geh ...“.
Der Verweis auf das Genus stammt von Hofmiller selbst.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2012 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21311

In der Presse wird Gertrud Höhler als "Kohls Grande Dame" bezeichnet. Was mag das bedeuten? Überhaupt wüßte man gern mal, wie weit es überhaupt zutrifft, daß Höhler eine "Kohl-Vertraute" ist. Und ich habe auch nie verstanden, was die vielen fachfremden "Unternehmensberater" eigentlich tun. Bei Wirtschaftsprofessoren usw. kann man es sich denken. Die Literaturwissenschaftlerin und Vermieterin Höhler hat u. a. die Deutsche Bank und den VW-Konzern beraten, für je 500.000 DM jährlich, aber welche Entscheidungen dieser Unternehmen gehen auf Höhlers Rat zurück? Wofür bekommt ein solcher Paradiesvogel so viel mehr Geld als die angebliche Mafiosa und angehende Diktatorin Merkel? Die Journalisten variieren nur unermüdlich die Formel "Literaturprofessorin, Kohl-Vertraute und Unternehmensberaterin".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2012 um 07.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21329

Gerd Langguth zeigt, daß die Titel "Kohl-Vertraute" und "Kanzler-Beraterin" keine reale Grundlage haben, sondern von den Journalisten gedankenlos weitergereicht werden:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gertrud-hoehler-zweifel-an-ihrer-taetigkeit-als-kohls-kanzlerberaterin-a-851820.html

Wie ich sehe, hat Höhler vor 10 Jahren den "Deutschen Fairness Preis" (sic) erhalten.

Weil an Merkel alle Einwände abprallen, wird sie heute in einer Zeitung als "Teflon-Kanzlerin" bezeichnet. Das ist hierzulande höchste Sprachkunst.

Wir haben gerade beschlossen, auch unser letztes Zeitungsabonnement zu kündigen. Das Geld setzen wir lieber in Nussschokolade um.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.08.2012 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21350

Der Unterschied zwischen der "Welt" und etwa der FAZ kommt in den online veröffentlichten Leserkommentaren sehr viel deutlicher zum Ausdruck als im redaktionellen Text selbst. Bei der "Welt" scheint eine Schar von unbeschäftigten Dummköpfen nur auf eine neue Meldung zu warten, um dann ohne jede Hemmung "Kommentare" zu labern. Besonders fiel mir das heute auf, als die Nachricht vom Tode des ehemaligen Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter, gebracht wurde. Man kann das Wirken des Verstorbenen würdigen oder kritisieren, aber dieses besoffene Geschwätz! Niedriger geht es nicht.
Ich erwähne diese an sich gleichgültige Tatsache auch im Hinblick auf die alte Frage, für wen wir eigentlich um eine bessere Rechtschreibung gekämpft haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2012 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21352

Die Tätlichkeiten von vier arabischen Jugendlichen gegen einen Rabbiner veranlassen die Medien zu der Frage, wie tolerant Berlin sei. Vielleicht zu tolerant?
Andererseits sagt Rabbiner Gomolka: "Ich frage mich, besonders nach der Beschneidungsdebatte, ob man Judentum in Deutschland überhaupt noch leben kann."
Eine berechtigte Frage, aber sie hat mit den Gewalttaten aufgehetzter Muslime nichts zu tun. Es sind zwei ganz verschiedene Gründe, die das Leben von Juden in Deutschland unmöglich machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2012 um 09.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21457

Der Polyhistor Hans Joachim Störig ist mit 97 Jahren verstorben. Klaus G. Saur widmet ihm in der SZ vom 13.9.12 einen Nachruf, der teilweise aus Wikipedia abgeschrieben ist. Saur schreibt: „1990 begründete er das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache‘ an der Ludwig-Maximilians-Universität, der er bis zu seinem Lebensende als Honorarprofessor angehörte. (...) In Verbindung mit Harald Weinrich baute er den Bereich ‚Deutsch als Fremdsprache‘ als primäres Universitätsfach ganz erheblich aus und gilt heute nicht zu Unrecht als Vater dieser Disziplin.“

In Wirklichkeit hat Störig mit dem Fach Deutsch als Fremdsprache nichts zu tun und wird von Fachvertretern mit Recht nicht erwähnt. Harald Weinrich hat das Fach an der LMU aufgebaut (nachdem es an anderen Orten bereits etabliert war), und zwar ab 1978 mit hervorragenden Mitarbeitern wie Ottomar Willeke (Sprachdidaktik) und Irmgard Ackermann (Literatur), und 1979 holte er mich aus Berlin dazu. Den Sachbuchautor und Verlagsmanager Störig lernte er beim regelmäßigen morgendlichen Schwimmen kennen, kam mit ihm ins Gespräch und sorgte dafür, daß er 1990 eine Honorarprofessur bekam. Störig hielt im wesentlichen lexikographische Seminare ab.

Die wohlwollenden Rezensionen Heinrich Satters zu Störigs Wörterbuch (Knaur) und dem Buch „Abenteuer Sprache“ in der FAZ hatte Störig selbst verfaßt, wie er mir einmal anvertraute. Sollte er auch seinen Nachruf selbst geschrieben haben?

Störig ist ein kurioser Fall, über den ich später noch einiges mitteilen werde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2012 um 17.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21478

Als der frischgebackene Honorarprofessor Störig zum erstenmal im Institut für Deutsch als Fremdsprache erschien und sich der Sekretärin mit "Störig" vorstellte, fragte sie erstaunt zurück: "Nein, wieso?"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2012 um 17.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21479

Aus Störigs Lexikographischem Institut in München erhielt übrigens die Nürnberger Professorin Gabriele Pommerin-Götze jenes Fax, das sie im Frühjahr 1997 zu einem unsäglich dummen Denunziationsversuch gegen mich inspirierte. (Ich sollte ihren Gatten Lutz Götze, Bearbeiter des Bertelsmann-Wörterbuchs, beleidigt haben oder so ähnlich.) Der freundliche Informant übermittelte eine Seite aus meinem noch gar nicht veröffentlichten Schildbürgerbüchlein; der interessierte Leser kann sich dort ja vergewissern, ob ich etwas Justiziables gegen Götze geschrieben habe! Die Hochschulleitung wies Pommerin-Götzes Klage selbstverständlich zurück.
Daß die Götzes meine Kritik an jenem Wörterbuch geschäftsschädigend fanden, kann man verstehen, aber bei der geringen Verbreitung meines Textes gegenüber der Markmacht des Bertelsmann-Konzerns bestand kein Grund zur Beunruhigung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.11.2012 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21842

Die Süddeutsche Zeitung druckt wieder mal auf einer halben Seite jenes 2006 preisgekrönte Pressefoto von Spencer Platt ab "Wohlhabende junge Libanesen besichtigen in der Hauptstadt Beirut Bombenschäden". Das Bild ist damals ausgezeichnet und in der ganzen Welt von mehr oder weniger erschütterten oder empörten Menschen wahrgenommen worden; "Das Foto drängte Betrachtern weltweit eine Frage auf: Was haben sich diese jungen Menschen dabei gedacht, an solch einem Tag in hautengen T-Shirts und Designer-Sonnenbrillen durch das zerbombte Dahiye zu fahren?" (ZEIT)
Wenig später kam heraus, daß alles anders und die suggerierte Deutung zumindest einseitig war. Auch die Süddeutsche hat erst 2010 noch einmal darüber berichtet.

Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Jeunesse dorée, die gewissermaßen genießerisch durch die Kriegstrümmer gondelt; das ganze gratis moralisierende Geschwätz war gegenstandslos gewesen. Aber wie so oft ist die Aufklärung nutzlos, das liebgewonnene Klischee überlebt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2012 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21965

Die Kanzlerin beweist Chuzpe, die bisweilen in Dreistigkeit überschwappt. (Nico Fried, SZ 22.11.12)

Ein paar Tage zuvor hatte laut Berliner Zeitung Steinbrück Chuzpe gezeigt.

Ich muß gestehen, daß ich das Wort Chuzpe erst ziemlich spät kennengelernt habe, und es hat mir vorher auch nicht gefehlt. Wenn man sich das Wortfeld um "Frechheit" ansieht, stellt man fest, daß Chuzpe darin keinen festen Platz hat. Nach dem obigen Zitat könnte man meinen, Dreistigkeit sei eine Steigerung von Chuzpe. Das ist aber nicht eindeutig. (Die Wortfeldbestimmung ist eine komplizierte Angelegenheit. Man kann zum Beispiel die Verbindung "ja Chuzpe" oder "ja Dreistigkeit" in die Suchmaschine geben, um Steigerungsverhältnisse (Skalen) herauszufinden. Man wird staunen.) Ich halte das Wort für überflüssig.

Die Bundestagsdebatte wird übrigens bemerkenswert verschieden wahrgenommen. Einige Zeitungen sehen Merkel als Sieger, andere Steinbrück. Und während Nico Fried wieder einmal das ersehnte Ende Merkels kommen sieht, beurteilt in derselben Zeitung der Wirtschaftsfachmann Hulverscheidt die Sache viel zurückhaltender. Zu Steinbrück und Trittin meint er, sie hätten es sich leicht gemacht, böten aber keine Alternative, zumal sie den wichtigsten Beschlüssen der Koalition zugestimmt hätten.

Alexander Görlach hat vor zweieinhalb Jahren im "European" getitelt: Angela Merkels Tage sind gezählt - womit er natürlich recht hatte, aber er zählt immer noch und wird wohl noch länger zählen müssen. Aber irgendwann ist Schluß!
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 22.11.2012 um 08.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21966

Wann ist ein Wort überflüssig?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.11.2012 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21967

Chuzpe ist doch nicht bloß irgendeine Frechheit, sondern listige und vor allem erfolgreiche Frechheit, im Sinne von »Frechheit siegt!«. Im übrigen ist es natürlich jüdische Frechheit. Man könnte also der Ansicht sein, daß die Verwendung des Wortes immer schon antisemitisch ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2012 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21968

Ein Wort ist überflüssig,
– wenn es keinen erkennbaren Platz in seinem "Wortfeld" (seiner Synonymenfamilie) einnimmt.
– wenn man es nicht braucht, um alles auszudrücken, was man ausdrücken möchte.
– wenn es offensichtlich nur eine imponiersprachliche oder der Wiederholdungsvermeidung geschuldete Dublette ist.

Es ist nicht überflüssig für den, der damit prunken oder die Undurchdachtheit seiner Äußerung verschleiern will.

Beispiele hatten wir immer wieder einmal. Ich nenne willkürlich:

Abbreviatur, Allusion, Dezennium, explanativ, generell, Genese, klandestin, konzedieren, kreieren, lamentabel, Oeuvre, Reader ...

(Aber es müssen keine Fremdwörter sein!)

Im übrigen bin ich dafür, nicht abstrakt am Wortschatz und möglichen "Nüangksen" (Engel) zu argumentieren, sondern sich an konkrete Texte zu halten, und da möchte ich behaupten, daß jeder (nichtfachsprachliche) Text gewinnt, wenn man solche Kandidaten wegläßt. Tausendfach erprobt!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.11.2012 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21969

"es müssen keine Fremdwörter sein":

Ich halte "in etwa" für überflüssig, ebenso (Einkäufe, Geschäfte usw.) "tätigen".
(Und bei "generell" werde ich mich bessern. Manches ist einfach eine Angewohnheit, man nimmt es gar nicht mehr als Fremdwort wahr.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.11.2012 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21970

Ein Wort, das mir besonders auf die Nerven geht und das leider sehr häufig vorkommt, ist thematisieren. Als das Wort Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre aufkam, habe ich mich eine Zeitlang gefragt, welcher Tiefsinn sich dahinter wohl verberge, bis mir schließlich die ganze Banalität des Wortes klar wurde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2012 um 05.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21978

Die überflüssigen Wörter können natürlich anderswo sinnvoll sein, vor allem in den unendlichen Weiten der Fachsprache. Für mich selbst habe ich eine Liste angelegt, die ich ständig erweitere: Wörter, die ich nach Möglichkeit vermeiden werden. (Wenn doch mal eins unterläuft, ist es auch kein Beinbruch. Es kommt auf die allgemein sehr nützliche Gewöhnung an den einfachen Ausdruck an.)

Gestern las ich Steinbrück unplugged (Spiegel online 23.11.12). Ich glaube, daß der Verfasser selbst nicht genau wußte, was diese Modefloskel eigentlich bedeutet. Ebenso ist es mit reloaded, das man neuerdings ständig liest (ich glaube, im Anschluß an einen Filmtitel).

Über besagten Steinbrück schrieb die Welt

Von Peer Steinbrück sind etliche Parteifreunde enttäuscht bis entsetzt. (Welt 23.11.12)

Das ist nicht ganz richtig, weil es heute üblicherweise enttäuscht von, aber entsetzt über heißt. Aber solche Kleinigkeiten nehmen wir schwachen Kopfrechner seit je hin. (Die Rektion wird vom Nächststehenden bestimmt, der Rest sinngemäß angepaßt.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 25.11.2012 um 04.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21990

Unplugged hat eine präzise Bedeutung: ohne Zuhilfenahme elektronischer Instrumente und Verstärker.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.11.2012 um 04.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21991

Ja, sicher, wir wissen das, aber der Journalist scheint es nicht so recht zu wissen, wenn er im Zusammenhang wohl sagen wollte, Steinbrück habe unverstellt oder spontan geredet (aber vielleicht auch etwas anderes, es ist eben von der wohldefinierten Wörterbuchbedeutung nicht abzuleiten).
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 25.11.2012 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21992

Wieso? "Ohne Zuhilfenahme elektronischer Geräte" bedeutet im Ergebnis "mit originaler, unverfälschter Stimme", also "unverfälscht". Jenseits der Musik stört bei "unplugged" zwar das Durchscheinen des Bedeutungsbestandteils "elektronische Geräte" im wörtlichen Sinn, das bei der Übertragung auf Steinbrück nicht paßt: Man hört plugged und denkt an Kabel, Stecker, Steckdose. Aber ableiten kann man die verallgemeinerte Bedeutung "unverfälscht" schon.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 25.11.2012 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21994

In diesem Zusammenhang würde ich 'unplugged' als ohne eingeschaltetes (eingestecktes) Mikrofon oder ohne mitlaufende Kamera verstehen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 25.11.2012 um 12.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21995

"Obama unplugged" würde wohl bedeuten: ohne Teleprompter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2012 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22062

Gestern behauptete die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Wissenschaftsseite gleich mehrmals, das Alter eines Hummers sei an dessen Augenstilen zu erkennen, die eine Art Jahresringe ansetzten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2013 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22693

Hans Joas bekommt den Preis der Köhler-Stiftung für "Erforschung und Förderung der metakulturellen Humanisation". Die FAZ meldet es unter der sarkastischen Überschrift "Das sind Werte". Joas beschäftigt sich nämlich mit deren Erforschung, als gäbe es so etwas.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2013 um 08.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22695

Die Bischöfe halten zwar das Priesteramt der Frau weiterhin für unmöglich, aber die Kirche können auf die "Kompetenzen und Charismen der Frauen nicht verzichten".

Steht heute in allen Zeitungen, aber versteht es auch jemand?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2013 um 08.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22811

Alptraum am Taj Mahal titelt Spiegel online und meint die Vergewaltigung der Schweizer Touristin. Klingt flott, aber vom Ort des Verbrechens sind es noch gut 200 km bis nach Agra.
Übrigens ist es bodenlos leichtsinnig, in Indien in einem Waldstück zu zelten. Auch als Frau kann man in Indien gefahrlos reisen, aber nicht so.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.03.2013 um 15.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22812

Daß es in Indien Polizeiwachen gibt, auf denen niemand Englisch spricht, ist ein glänzendes Resultat von jahrzehntelanger »antikolonialistischer« Sprachpolitik.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2013 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22813

Es könnte auch sein, daß die beiden Opfer des Überfalls das indische Englisch nicht verstanden haben. Die Naivität ihres ganzen Unternehmens legt es nahe. Sie scheinen auch beklagt zu haben, daß im nächstgelegenen Krankenhaus keine Frauenärztin zur Stelle war. Eine ländliche Gegend in Madhya Pradesh ist eben nicht die Schweiz.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2013 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22816

Laut Zeitungsberichten wird in Indien schätzungsweise alle 20 Minuten eine Frau vergewaltigt. Und in Europa (von Lissabon bis zum Ural, vom Nordkap bis Palermo) mit kaum mehr als der Hälfte der Einwohner?

Ich möchte die indische Gesellschaft nicht verteidigen, das wäre auch lächerlich, schon wegen der Proportionen. Aber die Brutalität gegenüber Frauen zeigt sich eben keineswegs darin, daß an jeder Straßenecke eine Frau vergewaltigt wird. Die Mädchen und Frauen sind bekanntlich in strikter Obhut der Familien, was immer man davon halten mag. Die ausländische Touristin gehört schon äußerlich nicht dazu, für manche primitiven Männer außerhalb der Großstädte ist sie von vornherein keine anständige Frau.

Das Ganze ist zwar ein Verbrechen, aber auch ein Kulturkonflikt und ein Mißverständnis. Bis vor kurzem wurde in Bollywoodfilmen nicht geküßt. Man wartet drauf, aber es kommt nicht. Warum zeigen die schönen Inderinnen viel Schulter usw., aber kein Bein? Ich könnte viel Anekdotisches erzählen, Selbsterlebtes und Gehörtes. Es ist eine uns doch recht verschlossene Welt. Man sollte nicht dort reisen, wenn man die einfachsten Regeln nicht kennt, da hat der Minister schon recht, wenn er jetzt den Opfern eine Mitschuld zuschreibt.

(Mein Indologieprofessor pflegte bei der Rückkehr von seinen Forschungsreisen zu sagen: "Indien ist ein schönes Land, wenn nur die Inder nicht wären!" Das meinte er aber nicht böse, er hatte sehr gute Freunde dort, sondern stöhnte mehr über die bürokratischen Hindernisse und solche Dinge.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.03.2013 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22860

Der erwähnte Rainer Langhans bezieht nach eigener Auskunft 207 Euro Rente und sagte der BILD: „Ich lebe von der Hand in den Mund.“ Nun lese ich in der Zeitung: "Die Piraten erhielten ausweislich ihres Rechenschaftsberichts nur zwei Spenden von mehr als 10.000 Euro. Eine davon kam von dem Althippie Rainer Langhans." (SZ 26.3.13 online) – Das ist wahre Lebenskunst.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2013 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22862

Die FAZ titelt im Wissenschaftsteil: Das goldene Kettenhemd der Kerfen. Es geht um das Außenskeltett der Insekten. Die heißen allerdings Kerfe. Immerhin wird ihnen eine rauhe Umwelt zugestanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.04.2013 um 13.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22948

Ob die SPD mit ihrem gerade erfundenen Wahlkampfslogan "Das Wir entscheidet" das Richtige getroffen hat? Weiß dort niemand mehr, daß mit dem Spruch "Vom Ich zum Wir" (nicht nur) die SED ihre Kollektivierung betrieben hat? (Die braune Variante ist ja wohl noch in Erinnerung...)

Der Slogan trägt schon den Keim der Parodie in sich. Und was will man damit eigentlich sagen? Was soll denn das Wir entscheiden? Da war ja "Wohlstand für alle (bzw. Alle!)" noch richtig gut. Auch "Sei kein Ohnemichel!" hatte was.

Und diesen Spruch soll nun der arme Steinbrück täglich vortragen? Das kann nichts werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.04.2013 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22971

Wie erwartet, hat der Slogan "Das Wir entscheidet" unzählige Kommentare hervorgerufen, fast durchweg ironisch und satirisch. Die FAZ bringt auf der Titelseite das Foto einer Fahhradkette, ohne Steinbrücks patzige Antwort zu erwähnen (das geschieht erst auf S. 4). Alan Posener nimmt in der "Welt" den Spruch auseinander und geht auch auf den SED-Hintergrund ein, der viel gravierender ist als die Tatsache, daß eine Leiharbeitsfirma ihn auch schon benutzt. Steinbrück schiebt die Schuld auf das "Wahlkampfteam", will aber an dem Slogan festhalten. Was soll er auch machen? Jetzt noch einen anderen Spruch suchen geht ja wohl nicht. Das wirkt auch nicht gerade souverän.

Das Ganze ist ein kommunikatives Desaster, kann aber jede Partei treffen, weil es eben falsch ist, irgendein "Team" mit dem Wahlkampf zu betrauen. Warum sagt eine Partei nicht kurz und bündig, was sie eigentlich will? Orakelsprüche, unter denen sich jeder etwas soll denken können und die keinen verprellen, sind doch eher eine Beleidigung des beschränkten Untertanenverstandes und werden eben auch so verstanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2013 um 09.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22979

Der SPD-Vorstand dürfte inzwischen erkennt haben, daß die unbeabsichtigte Nähe ihres Wahlkampfslogans zur SED-Propaganda ungünstig wirkt. (Ich hatte es den Leuten auch brieflich mitgeteilt.) Gabriel tritt nun die Flucht nach vorn an, weil eben eine Rücknahme kaum noch nöglich ist.

Die SPD hat empört auf den von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gezogenen Vergleich ihres Wahlslogans "Das Wir entscheidet" mit Parolen der DDR-Staatspartei SED reagiert. Parteichef Sigmar Gabriel sagte am Samstagabend in Augsburg, er sei "erschrocken" über die Äußerungen Westerwelles, der den SPD-Appell an das Gemeinwohl mit der SED gleichsetze. "Schlimmer kann man sich nicht verirren", sagte Gabriel und nannte den FDP-Politiker einen "finsteren Demagogen". (Welt 14.4 .13 online)

Westerwelle hat sich natürlich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Immerhin zwingt er Gabriel, eine Interpretation des Spruches zu liefern: Es geht also um einen Appell an das Gemeinwohl. Dagegen kann niemand etwas haben. Gemeinwohl vor Eigennutz, nicht einmal die FDP würde das offen bestreiten. Aber muß man das so seltsam ausdrücken? Und schließlich haben Schlagwörter ihre Geschichte, man kann nicht so tun, als sei "das Wir" unbelastet. Man würde ja auch nicht "Dem Volke dienen" als Wahlslogan wählen. – Gabriel weiß das alles, seine Empörung ist nur gespielt.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 15.04.2013 um 00.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22982

Mit der Deutung als "Gemeinwohl vor Eigennutz" kommt die SPD keineswegs aus der Bredouille. "Gemeinnutz vor Eigennutz" findet sich, als Grundsatz und hervorgehoben, unter Punkt 24 im 25-Punkte-Programm der NSDAP.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.04.2013 um 02.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22983

Mandeville und Smith haben zu diesem Scheingegensatz schon alles Nötige gesagt, aber wer das weiß, kann wohl nicht Sozialdemokrat sein.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 15.04.2013 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22984

"Das Wir entscheidet" ist also vorbelastet. Dann könnte Steinbrück eine unbelastete Umformulierung als Slogan nutzen: "Ich entscheide nichts." Das ist ungefähr dieselbe Aussage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2013 um 05.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22985

Ich bin natürlich Smith-Anhänger und bestreite den Gegensatz ebenfalls. Im Sinne Hayeks bestreite ich auch, daß es neben der gewöhnlichen noch eine "soziale Gerechtigkeit" gibt.
Gestern las ich eine weitere Interpretation des "Wir": "Gemeinsinn" sei gemeint. Das ist erst recht keine politische Zielsetzung mehr, obwohl bei uns die Politiker dazu neigen, auch gleich noch das Wort zum Sonntag zu sprechen.

Lustig war gestern, wie die Gründung der "Alternative für Deutschland" Rainer Brüderle und Volker Beck zusammenschweißte. Es gebe keine Alternative zum Euro usw. Sie machen sich also jenes Unwort ausdrücklich zu eigen. Eine Politik, zu der es keine Alternative gibt, ist allerdings gar keine mehr. Aber wahrscheinlich wollen sie bloß sagen, zu ihnen selbst gebe es keine Alternative. Das kann man verstehen, denn ihr Wir entscheidet.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.04.2013 um 11.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22988

Der Satz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" war einer der prägendsten in Kindergarten und Schule während des Krieges. Mir erscheint dann immer das Führerbild neben der Wandtafel.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 15.04.2013 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22989

Beim Vortragsmillionär und Pinot-grigio-Kenner Steinbrück kommt natürlich noch hinzu, daß sein "Wir" trotz der nachgereichten Erklärung von jedem Bevölkerungsteil auf sich bezogen werden kann.

Schröders "neue Mitte" wird sich genauso für das "Wir" halten wie die reichen Firmeninhaber. Und die schaffen doch auch Arbeitsplätze und sorgen damit für das Gemeinwohl. Aber beide Gruppen stehen bei Steinbrücks Gerechtigkeitswahlkampf unter Generalverdacht. Vermeintlich besserverdienende Familien werden mit Kindergeld und Freibeträgen begünstigt und können darüber hinaus noch die Bildungs- und Betreuungskosten absetzen. Kassieren also angeblich doppelt. Pfui! Und die Unternehmer schaffen ja sowieso alle ihr Vermögen auf Off-shore-Konten. Auch pfui!

Bleiben also noch die Empfänger von Sozialleistungen, ist doch Hartz IV immerhin eine Errungenschaft der SPD. Aber auch mit denen hat der Gerechtigkeitskandidat der "Wir"-Partei so seine Probleme. Die würden sich doch tatsächlich mit Pinot grigio für unter 5 Euro zufriedengeben. Erst recht pfui!

Womöglich fällt dem Wahlkampfteam um Frau Nahles ja bis September noch ein, wie man den gemeinnützigen Aspekt der Vortragstätigkeit des Kandidaten stärker in den Vordergrund stellen kann. Das "Wir" entscheidet bekanntlich auch da. Alle nehmen von seinen Vorträgen etwas mit: der Kandidat das Honorar und die Zuhörer den Nährwert. Das ist echter Gemeinsinn.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 15.04.2013 um 13.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22991

Wo das WIR herrscht, ist das IHR nicht weit.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 16.04.2013 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23000

Es ist aber auch verzwickt mit dem Wir. Wie wär's mit Ernst Bloch: "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst."

Auch hier wird es bald heikel! War nicht Bloch mit dem jungen Herrn Dutschke befreundet? – Und ist nicht der Haynauer, weltweit bekanntester BRD-Häftling, bekennender Dutschkist?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2013 um 20.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23004

Frau Nahles hat eine Interpretation des Slogans nachgereicht:

„Das Wir entscheidet. Der SPD-Claim zur Bundestagswahl verdichtet, welche Richtung eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung nach der Wahl einschlagen wird. Und der Claim sagt, wie die SPD ihre politischen Ziele findet und festlegt: durch die Beteiligung der Menschen an politischen Prozessen.“

„Es gibt aber eben nicht nur die Freiheit von etwas, sondern auch zu oder für etwas: für das Recht auf gute Bildung zum Beispiel, für unterschiedliche Lebensentwürfe, für Emanzipation, Gleichstellung. Für gleiche Chancen, für Gerechtigkeit.“ (WELT 13.4.12)

Es gibt also die Freiheit für das Recht auf gute Bildung, die Freiheit für Gerechtigkeit usw. Schwieriger Claim, würde ich sagen.

Außerdem definiert Nahles das Wir des Wahlkampfslogans so: „Wir sind alle.“

Also brauchen wir weniger Ich und mehr Alle. Alle entscheiden!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.04.2013 um 21.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23006

Wenn man in Deutschland etwas ändern will, braucht man Wutbürger. Der Göttinger Politologie-Professor Franz Walter hat festgestellt, daß das "nicht die ehrbaren kleinen Leute sind, sondern Magister und Doktoren, und ganz besonders die Diplomingenieure." "Die gemeinen deutschen Revoluzzer sind grauhaarig und haben Bildungsniveau, Sachverstand, Zeit und Geld."
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 16.04.2013 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23007

Jetzt verstehe ich, warum man den Bachelor/Master eingeführt hat!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2013 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23055

Auf mehreren Webites steht obenan folgende Google-Anzeige:

Alternative für Deutschland Mehr erfahren: 4 Wochen JF Probeabojungefreiheit.de/probe-abo

Wenn man anklickt, steht da aber gar nichts über die AfD, sondern nur ein Formular für das JF-Abo. Die AfD scheint sich gegen diese Einvernehmung nicht wehren zu können, denn natürlich steht dann in der Jungen Freiheit wie in allen Zeitungen auch etwas zur AfD. Ganz schön schlau.

Gestern wurde auch die schreckliche Tatsache enthüllt, daß der Wahlkampf der AfD durch den Milliardär August von Finck unterstützt werde. Interessant war auch die Wortwahl, die AfD habe sich bei einer Werbagentur "eingekauft" oder so ähnlich. Andere Parteien machen all solche Sachen natürlich nicht. Wer hätte gedacht, daß unsere alternativlose Politik plötzlich so lustig werden könnte!

Noch eine Beobachtung von gestern: Minister Friedrich soll den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts "zurechtgewiesen" haben. Für mein Sprachgefühl geht das gar nicht, weil es unterstellt, der Minister sei dem Richter gegenüber weisungsbefugt.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 24.04.2013 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23056

Siehe hierzu "Pop Up" oder "Popup" etc. zu aufdringlicher Online-Werbung. Manchmal kriegt man die Dinger nicht mal weg, um den eigentlichen Text zu lesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2013 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23226

Ein Leckerbissen für Philologen ist die jüngste Kampagne von Handelsblatt, Focus und Spiegel gegen die AfD. Der Spiegel zum Beispiel schreibt:

Dass die Partei auch auf Protestwähler von Rechtsaußen setzt, das hat Lucke in einem Interview mit dem "Handelsblatt" deutlich gemacht: "Grundsätzlich ist es gut, wenn jemand uns wählt und nicht die NPD." Ohne die AfD, so Lucke, "gäbe es die Gefahr, dass enttäuschte Wähler, die eigentlich gar nicht rechts sind, aus Protest extremistische Parteien wählen". (Spiegel online 19.5.13)

Aus den Zitaten geht nicht hervor, daß die AfD auf Wähler von rechts außen setzt, im Gegenteil: sie setzt auf Wähler, die aus Protest die NPD wählen könnten, obwohl sie „gar nicht rechts sind“. Wie das kurze Aufflackern der NPD zeigte, gibt es tatsächlich solche Protestwähler. Nach kurzer Zeit konnte man sich wundern, wo sie alle geblieben sind.

Das Problem ist ja heute, daß Protestwähler bisher überhaupt keine seriöse Alternative hatten und deshalb schon mal ohne Überzeugung ihr Kreuzchen ganz rechts oder links machen. Ich glaube, die etablierten Parteien wissen das, haben aber noch keine rechte Antwort darauf.

Wie man sieht, ist es unmöglich, eindeutige Formulierungen zu finden, wenn andere gar nicht verstehen wollen. Hinzu kommt natürlich die Parteinahme: Der Spiegel sieht schon das Ende der neuen Partei durch Selbstzerfleischung, der Focus sieht das "Chaos" usw. Erstaunlich klarsichtig dagegen die meisten Leserbriefe dazu.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2013 um 08.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23286

Vor 100 Jahren wurde Strawinskys "Sacre du printemps" uraufgeführt. Die FAZ zitiert Adorno: Das Sacre gehört aufs Theater, setzt aber hinter den neutralen Artikel ein (!). Warum eigentlich?

Übrigens habe ich Pierre Monteux, der damals – auch schon nicht mehr ganz jung – dirigierte, noch selbst erlebt, komme mir wie ein Fossil vor, wenn ich heute so etwas lese.

(In derselben Ausgabe der FAZ steht ein Bericht über die großartige Rekonstruktion des Kopfes von einer der beiden Riace-Bronzen. Unbedingt angucken! Ich habe die beiden Statuen kurz nach ihrer Aufstellung in ihrem eigenen Museum in Reggio gesehen, aber jetzt kriegt man doch noch einen anderen Eindruck.)



Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, daß viele Leute die Kalorienmenge von Fastfood unterschätzen. Statt 700 bis 800 Kalorien nahmen sie durchschnittlich 170 weniger an. Neben Erwachsenen und Jugendlichen wurden auch 330 Kinder befragt. – Was wissen Kinder von (Kilo-)Kalorien? Die Schätzungen sind angesichts der absurden Methode ja noch recht genau. Man sollte mit Fehlern in ganzen Größenordnungen rechnen.

Noch ratloser macht mich ein aufwendiger Prospekt, der der Zeitung beiliegt: Werbung für Gabriele Kubys "Die globale sexuelle Revolution", aber das ist wieder ein anderes Thema, berührt uns nur wegen der Polemik gegen Gender Mainstreaming (mit solchen Argumenten, daß man leider nicht folgen mag; vgl. auch die groteske Polemik von Kuby/Ratzinger gegen den armen Harry Potter).
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 29.05.2013 um 09.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23288

Ich habe mal gelernt: "Le sacre du printemps" == "Das Frühlingsopfer". So kommt wohl "das" zustande.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.05.2013 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23292

Bei der Entwicklung der romanischen Sprachen gingen die lateinischen Neutra in romanische Maskulina über. Warum sollen bei der späteren Übernahme in germanische (und slawische) Sprachen nicht die ursprünglichen Neutra wieder auferstehen dürfen? Sie waren ja nur bei den Maskulina geparkt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2013 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23293

Wo es nur zwei Genera gibt, bedeutet auch "Maskulinum" etwas anderes als in einem Drei-Genera-System. Ich habe auch noch nie etwas anderes als das Sacre du printemps gehört. Wegen "Frühlingsweihe" könnte man auch die sagen ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2013 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23294

Zum Thema "Gedankenstrich statt Gedanken":

Der Todesraser von Schonungen ist gefasst. Ein ganzes Dorf suchte fieberhaft nach dem Mann, der ein Auto klaute und zwei Mitfahrer zu Tode raste. Die Anwohner halfen der Polizei – und beschweren sich über zerstörten Rhabarber.
(...)
„Und mit ihrem Hubschrauber haben sie in der Nacht bei der Landung meinen ganzen Rhabarber plattgeweht“, sagt der Rentner.
(Focus online 28.5.13)

Es sind die Journalisten, die mit ihren Mikrofonen wie Aasgeier über die Bevölkerung herfallen, wenn etwas passiert ist, und dann picken sie sich aus den gesammelten Äußerungen etwas heraus, was sie zwecks Empörungserzeugung verwerten können. Der Rentner hat, soweit berichtet, gar nicht die Todesfälle und seinen Rhabarber in irgendein Verhältnis setzen wollen. Aber die Verfasserin steht gut da mit ihrem wohlfeilen Hohn. Alles in den anklagenden Gedankenstrich verpackt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.05.2013 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23295

Das Ausrufezeichen finde ich übertrieben, aber andererseits könnte man m. E. wegen le sacre schon auch der Sacre sagen. Man sagt ja manchmal auch die Place entgegen dem deutschen Genus. Siehe die Diskussion über Front National: www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=31#8995
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2013 um 09.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23346

"Missionarisch meint, Zeugnis vom Glauben zu geben" (welt.de 4.6.13)

Der Beitrag selbst löst die änigmatische Überschrift auf: Erzbischof Zollitsch hatte das Wort missionarisch gebraucht und anschließend erläutert. Aber die Übersetzung ist falsch. Zeugnis des Glaubens ist das Glaubensbekenntnis, Mission ist der "Taufbefehl": "Gehet hin in alle Völker" usw. – Der Unterschied zwischen einer nur bekennenden und einer missionierenden Religion ist von weltgeschichtlicher Bedeutung, das sollte man festhalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2013 um 04.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23465

Einst schrieb der Schriftsteller Arthur Schnitzler seinem jüngeren Dichterfreund Arthur Rimbaud: „Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage, lebe wild und gefährlich!“ (FAZ 20.6.13 online)
Einst soll der Schriftsteller Arthur Schnitzler seinem älteren Dichterfreund Arthur Rimbaud geschrieben haben: „Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage, lebe wild und gefährlich!“ (FAZ 21.6.13)



Die Universität von Ann Arbor soll 2010 nicht weniger als 1,14 Billionen Dollar für Forschungszwecke ausgegeben haben. Das berichtete die FAZ am 19.6.13.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2013 um 08.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23558

Seit einigen Jahren schreiben Journalisten, etwas werde durchdekliniert (statt "gezeigt, vorgeführt"): Gabriel will immer eine Spur schriller, drastischer und radikaler sein als Steinbrück. Das lässt sich an vielen Beispielen durchdeklinieren. (Welt 4.7.13) Man könnte auf ein neues Interesse an der Sprachwissenschaft hoffen, aber das täuscht wohl.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.07.2013 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23600

„Es gibt 'tote' Sprachen, die quicklebendig sind, obwohl sie niemandes Muttersprache sind, etwa das Lateinische, das in den besseren Gymnasien weiterlebt: im Vatikan ist es bis heute Amtssprache.“ (Helmut Glück FAZ 10.7.13)

Das Lateinische lebt als Nationalsprache in Italien, Frankreich usw. fort; nur dort ist es quicklebendig.

(Glück distanziert sich zwar vom Begriff der „Killersprachen“, die das Aussterben der kleineren Sprachen verursachen, verwendet ihn dann aber doch. Das Resultat der „Sprachenfresserei“ im Sinne Calvets „ist nicht immer schön, wie manche Kreolsprachen bezeugen.“)

In derselben Ausgabe der FAZ sagt Hans-Martin Gauger zum generischen Femininum an deutschen Universitäten, was dazu vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt zu sagen ist. Er wendet sich auch dagegen, die bewußtseinsprägende Wirkung der Sprache zu überschätzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2013 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23704

Auch mir ist heute morgen der Pfand aufgefallen – Herr Ludwig hat es im Diskussionsforum aufgespießt –, aber es hat mich nur insofern gewundert, als man tatsächlich in der bundesdeutschen Presse fast ausschließlich das Neutrum findet, ebenso wie in den gängigen Wörterbüchern, auch dem Österreichischen. Als meine Kinder noch klein waren, haben sie mit anderen das Spiel "In welcher Hand ist der Pfand?" gespielt. Ich glaube mich zu erinnern, daß wir in meiner eigenen Kindheit auch der Pfand gesagt haben. Manche führen das auf die Analogie zu Einsatz zurück, für mich nicht sehr plausibel.
Wenn die etymologische Herleitung aus lat. pondus zutrifft, ist es auch nicht zuerklären, denn das ist ja ein Neutrum. Eher schon bei pannus (Tuch als Zahlungseinheit), aber das müßte dann sehr lange unterschwellig überliefert worden sein. Vielleicht einfach Zufall.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.07.2013 um 12.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23707

Manchmal kommt es wirklich dick (SZ 20.7.13), Fettmarkierung von mir. Der ganze Artikel auf Seite 9 ist nur ca. 1/8 Seite lang:

4mal:
... wenn auch nur vorläufig, bis das Urteil rechtskräftig ist.
... Nawalny müsse frei gelassen werden, bis das Urteil rechtskräftig ist.
... bleiben sie in Freiheit, bis das Urteil rechtskräftig ist.
... seine Ambitionen nicht aufzugeben, bis das Urteil Rechtskräftig ist.

mit Bliny, russischen Pfankuchen

Die Unterschlagung von Holz, wegen derer er gestern verurteilt worden war, ...

Solange die Berufung läuft, gilt er nicht als vorbestraft und darf für politische Ämter kandidieren. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, dass er dem Straflager doch noch entkommen könnte: Bis zum 28. Juli hat Nawalny Zeit, Berufung einzulegen.
Warum der Konjunktiv?

Sobjanin [amtierender Moskauer Bürgermeister] ist selbst nicht gewählt. Er wurde 2010 vom damaligen Präsidenten Dmitrij Medwedjew für das Amt vorgeschlagen und vom Stadtparlament bestätigt, nachdem dieser seinen Vorgänger Jurij Luschkow entlassen hatte.
Wer ist "dieser"?

Und auf Seite 11 steht:

Noch nach Jahren machen sich die Masern bei einem von 3300 Kindern als Spätkomplikation SSPE bemerkbar - einer tödlichen Entzündung des gesamten Gehirns.

Wer nicht impft, kommt oft folgenlos davon, ...
Gemeint sind nicht Ärzte, sondern wer sich nicht impfen läßt bzw. nicht geimpft wird.

Welches Risiko haben nicht Geimpfte?
... stecken sich heutzutage manche Nichtgeimpfte gar nicht mehr oder erst spät an.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 20.07.2013 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23709

«Sobjanin [amtierender Moskauer Bürgermeister] ist selbst nicht gewählt. Er wurde 2010 vom damaligen Präsidenten Dmitrij Medwedjew für das Amt vorgeschlagen und vom Stadtparlament bestätigt, nachdem dieser seinen Vorgänger Jurij Luschkow entlassen hatte.
Wer ist "dieser"?»

Naja, "dieser" ist halt der zuletzt erwähnte, und "jener" wäre der davor erwähnte, denn "dieser ging gerechtfertigt nach Hause, jener aber nicht." So ungefähr verstehe ich's. Aber umständlich ist's auf jeden Fall. Für "dieser" wäre "der" einfacher und also weniger verwirrend. Fragen könnte man aber: Wer ist mit "seinen" gemeint? Hier wäre wohl "dessen" besser. Aber wie klingt denn das: "dieser/der dessen"?
Nicht alles muß jedoch untergeordnet werden. Auch mit Hauptsätzen kann man die zur Information nötigen Beziehungen kurz und klar darstellen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.07.2013 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23711

Man kann den Satz eigentlich nur verstehen, wenn man den Inhalt schon kennt. Daß "seinen" sich nicht auf "dieser" bezieht, muß man erstmal wissen bzw. aus dem Inhalt herleiten, und auch, daß Sobjanin seinen Vorgänger nicht selbst entlassen konnte. Klar, "dieser" sollte normalerweise der zuletzt Erwähnte sein, aber bei der Rückwärtssuche nach dem Letzten muß man das Parlament wegen des Kasus schon mal überspringen. Und dann könnte man sich ja vorstellen, daß so, wie "dessen" statt "seiner" besser gewesen wäre, vielleicht auch "dieser" nicht die optimale Wahl war. Bis man also heraus hat, daß "dieser" Medwedjew ist und "seinen" sich auf Sobjanin bezieht, ist jedenfalls eine Menge "Kopfrechnen" und Vorkenntnis der Zusammenhänge nötig. Mein Vorschlag wäre:
... nachdem Medwedjew Sobjanins Vorgänger Jurij Luschkow entlassen hatte.
Das bräuchte man nur einmal zu lesen und hätte es sofort verstanden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.07.2013 um 21.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23721

Korrektur: Das Parlament muß man natürlich nicht wegen des Kasus, sondern wegen des nicht passenden Genus überspringen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2013 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23736

Der Unglücksfahrer, der das schreckliche Eisenbahnunglück in Spanien verschuldet hat, wird in den Medien als "Zugführer" bezeichnet. Mich hat es auch immer gewundert, daß bei der Bahn der Zugführer keineswegs den Zug führt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.07.2013 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23737

Man sollte meinen, Zugführer sei die Eindeutschung von conducteur, aber dem ist nicht so: books.google.ch/books?id=m1G3UCi4cBAC&pg=PT1805
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 26.07.2013 um 13.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23739

Im klassischen Eisenbahndeutsch (das im Autozeitalter anscheinend kaum noch jemand kennt) gibt es Zugführer, Zugbegleiter und Triebfahrzeugführer. Letzterer vulgo auch Lokführer (aber nicht jedes Triebfahrzeug ist eine Lokomotive), der Zugbegleiter gemeinhin auch Schaffner genannt. Der Zugführer ist der Chef vom ganzen, der auch dem Triebfahrzeugführer Weisungen erteilen kann (z.B. den Abfahrauftrag), führt also durchaus den Zug.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.07.2013 um 13.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23740

Aus meiner Schulzeit, in der ich recht oft Eisenbahn fuhr, ist mir der Bahnbeamte auf dem Bahnsteig, der mit Kelle und Pfeife die Abfahrt freigab, gut in Erinnerung. M.W. trug er eine rotgeränderte Mütze.
Von daher weiß ich, daß er über dem Lokführer stand, der demzufolge kein "Zugführer" sein konnte.
Die Übersetzung von span. el conductor trenó mit "Zugführer" ist liederlich.
Genau so schlecht wäre die Übersetzung von engl. conductor (mus.) für Dirigent mit "Orchesterführer".
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.07.2013 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23742

Um die alten Eisenbahnzeiten in Erinnerung zu rufen:
Nachdem der Zugführer das Einsteigen der Fahrgäste überwacht hatte, enterte er mit einem eleganten Schwung ein Trittbrett des anfahrenden Zugs, um als letzter einzusteigen.
Heute, angesichts von Automatiktüren und stark beschleunigenden Elektro-Loks, ist das in Vergessenheit geraten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2013 um 07.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23850

"EasyFoodstore" will sich auf Konserven und andere Grundnahrungsmittel zu äußerst günstigen Preisen konzentrieren.

Irritierende Koordination. Wir essen keine Konserven (wenn damit Dosen gemeint sind). Fehlen uns die Grundnahrungsmittel? Wir sehen nicht fern, fehlt uns die "Grundversorgung"?

Es gibt noch viele sprachliche Klischees, an denen man merkt, in welch verschiedenen Welten man leben kann, auch im selben Land und ohne Migrationshintergrund.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2013 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23936

Die SPD geht Klingelputzen (Stuttgarter Zeitung 25.8.13)

Die Großschreibung ist in solchen Fällen ziemlich verbreitet. Außerdem scheint eine Verwechslung mit Klinkenputzen vozuliegen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.08.2013 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#23938

Wenn der großgeschriebene Infinitiv nach "gehen" auch ein Ortsname ist, wirkt es wie lustiges Gastarbeiter-Deutsch (darf man das noch sagen?), bei dem die Präpositionen fehlen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.09.2013 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24003

SZ 7.9.13 über die antiken olympischen Spiele:

„Garantiert werden sollte, dass alle Reisenden ungestört ins antike Olympia gelangen sollten. Dort aber mussten Athleten, die verloren, mit dem Tod rechnen. Der Medaillenkampf lag außerhalb der Friedenspflicht. Die Spiele der Antike waren aus heutiger Sicht äußerst brutal.“

Das stammt teilweise aus Wikipedia, aber der Journalist scheint die Brutalität einiger Kampfsportarten mit den römischen Gladiatoren-Kämpfen verwechselt zu haben. Mit Friedenspflicht hat die Gefährlichkeit von Pankration usw. nichts zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2013 um 02.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24042

dass solche heeren Ziele wünschenswert sind (FAZ 17.9.13)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.09.2013 um 03.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24063

Nach Brigitte Scherer (FAZ 19.9.13, Reiseblatt) „machte im Prince de Galles Elvis Presley als Stammgast Furore. Von den sechziger Jahren bis zu seinem Tod 1977 wohnte er immer dort, wenn er nach Paris kam.“

Staunend liest's der anbetroffene Fan (meine Frau). Bekanntlich war Presley während seines Militärdienstes in Deutschland (1958–1960) wenige Tage in Paris, danach verließ er Amerika nie wieder, weil sein Manager es verhinderte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2013 um 07.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24197

Andreas Platthaus räsoniert in FAZ 8.10.13 über die richtige Übersetzung von Prousts Buchtitel À côté du Swann (zweimal so zitiert statt Du côté de chez Swann).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2013 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24221

In der unterhaltsamen Geschichte um den Limburger Bischof spielt die "freistehende Badewanne" eine Hauptrolle, "mit Standfüßen", wie nicht zu berichten versäumt wird, als setzten diese Füße dem Ganzen die Krone auf. Man sieht diese unpraktischen freistehenden Wannen ja ständig in "Schöner wohnen" oder wie die Wartezimmerzeitschriften heißen.

„The fact that priests give up marriage and a family was used by some of them to take compensatory rewards in the form of luxurious cars, state-of-the-art sound systems, and other ‚creature comforts“. (...) Expecting privileges is a habit into which a priest can all too readily fall.“ (Garry Wills: Why Priests? A Failed Tradition. N. Y. 2013:31)

Wills gibt seinen Lesern und Verehrern (mir zum Beispiel) Rätsel auf, weil er immer noch als guter Katholik zur Kirche geht usw. (auch eine lange Liste von ihm geglaubter Lehrstücke seiner Kirche liefert), obwohl er das ganze Priestertum als unbiblisch verwirft und überhaupt wie ein neuer Luther schreibt. Ein Meisterstück innerhalb des vorzüglichen neuen Buches ist die ausführliche Schilderung der Priesterkleidung, wobei ihm die Erinnerung an seine Jahre als Ministrant zu Hilfe kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.11.2013 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24333

Die Bilder waren im Dritten Reich von den Nationalsozialisten als „entartet“ konfisziert oder von jüdischen Sammlern geraubt worden. (FOCUS online 3.11.13)

Die Bilder waren im Dritten Reich von den Nationalsozialisten als „entartet“ konfisziert oder jüdischen Sammlern geraubt worden. (FOCUS online 4.11.13)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.11.2013 um 06.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24335

Spiegel online berichtet, daß die Feuerwehr in New York einen Mann befreit hat, der zwischen zwei Häusern eingeklemmt war. Focus berichtete einmal: „Im Bundesstaat Virginia kamen ein Vater und sein Sohn ums Leben, als sie einem steckengebliebenen Autofahrer zu Hilfe eilten. Die beiden Männer wurden von einem Traktor erfasst.“

In unserem Dorf hat sich mal ein Bauer beim Sturz von der Leiter den Fuß verstaucht. Die New York Times hat diese Meldung aber unterdrückt.

Mal im Ernst: Man hat gesagt, in der DDR sei jedermann gezwungen gewesen, einem fremden Patriotismus zu frönen. Der sowjetrussische Mensch wurde schon Kindern als unbedingt verehrungswürdig nahegebracht. Die Lesebücher waren voll davon, aber genutzt hat es nicht viel.

Bei uns gibt es deutsche USA-Patrioten, die daher auch den Vaterlandsverräter Edward Snowden unversöhnlich hassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2013 um 10.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24383

FAZ vom 14.11.2013: Wiederum Platthaus über Proust. Diesmal sind die Buchtitel richtig zitiert, aber das erste Substantiv ist immer groß geschrieben:
Du Côté de chez Swann, Les Plaisirs et les jours, À la Recherche du temps perdu, À l'Ombre des jeunes filles en fleurs usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2013 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#24598

Die Fledermäuse (Flughunde), die eine australische Stadt heimsuchen, wurden in deutschen Medien zunächst als "Blutsauger" bezeichnet. Dann scheint man sich ausgerechnet zu haben, daß es so viel Blut gar nicht gibt, wie 80 000 Tiere jede Nacht saugen müßten. Vielmehr ernähren sie sich in vorbildlich veganer Weise von Obst.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 12.02.2014 um 15.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25115

Gerade hatten sie´s im Radio vom Bezahlfernsehen.
Als ob unser Staatsfernsehen nicht ein solches wäre!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2014 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25134

Die familiäre Bande Richtung Russland und die freundschaftliche zu Vladimir Putin hat Schröder für das Land eingenommen. (Abendzeitung 14.2.14)

Mit der Bande spielt die Zeitung auf das russische Adoptivkind an, dem Schröder das Pausenbrot schmiert, wenn er Zeit hat. Erst später wird die Gazprom-Bande erwähnt. Übrigens bleibt Schröder dabei, Putin für einen lupenreinen Demokraten zu halten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2014 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25199

Datenkrake Facebook (Focus 20.2.14)

Nanu? Niemand wird doch gezwungen, sich dort anzumelden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2014 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25263

Die fette Überschrift Bloß kein westliches Triumphgebahren (FAZ 28.2.14, im Text dann richtig) wird bestimmt eine Menge Leserbriefe auslösen, obwohl man sich über diesen klassischen und allzu verständlichen Fehler nicht so sehr aufregen sollte wie über das tägliche heute Morgen usw. Keiner der klugen Köpfe in der Redaktion wüßte wohl zu sagen, warum die Tageszeit hier substantivisch zu verstehen sei.

In derselben Ausgabe lese ich, daß Kretschmann am Gender mainstreaming festhalte und die Gendertheorie die Grundlage des Schulunterrichts in BW bleiben solle. Wenn das mal gut geht! Meinem Eindruck nach verliert diese "Theorie" (Ideologie) ziemlich deutlich an Anziehungskraft. Sie in den Schulunterricht einzuschleusen ist ein weiterer Schritt in den Untergang. An den Universitäten gibt es ein solches Überangebot an Gender, daß der Ruf nach etwas Nahrhafterem nicht ausbleiben kann. In den Geisteswissenschaften werden Qualifikationsarbeiten über Gender fast ausschließlich von Frauen verfaßt. Auf der Suche nach Themen greift man dann eben ein schon oft behandeltes auf und gibt es einer Kandidatin mit dem Titelzusatz aus weiblicher Sicht oder so ähnlich. Dann paßt es wieder. Daß niemand so etwas lesen will, ist ja nichts Neues.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.02.2014 um 23.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25269

Es gibt offenbar verschiedene Ausgaben der FAZ, denn ich halte ein Exemplar von heute in der Hand, in dem auf Seite 2 sowohl groß in der Überschrift als auch im Text Bloß kein westliches Triumphgebaren steht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2014 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25524

Die FAZ höhnt über den verbesserten Schutz der Wale:

"Wohl dem, der eine so gut organisierte Lobby hinter sich hat wie die Wale."

Und:

"Warum sind eigentlich ausgerechnet Wale um so vieles schützenswerter als andere bedrohte Arten? Das Ausmaß öffentlicher Anteilnahme für Wale legt jedenfalls den Schluss nahe, dass es Tiere sehr unterschiedlichen Lebenswertes gibt. Kann man das wollen?" (1.4.14)

Mit dem Begriff des "Lebenswertes" wird zart auf die Selektion lebensunwerten Lebens angespielt. Das kann natürlich niemand wollen. Aus der Argumentation könnte folgen, daß man andere Arten ebenso schützen solle wie die Wale. Wenn aber ein Bauprojekt wegen seltener Feldermäuse oder Kröten nicht verwirklicht werden kann, erhebt vor allen anderen die FAZ ein großes Geschrei. Folglich soll man sich wohl auf die andere Seite schlagen und Tierarten überhaupt nicht schützen?
Muß man dem Schreiber wirklich erklären, warum die Menschen an Walen eher Anteil nehmen als an irgendwelchen Käfern?

"Dem Ökosystem Meer wird das Urteil ganz sicher nicht schaden. Nur ist eine gewisse Inkonsequenz nicht zu leugnen."

Auch bei der FAZ nicht.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2014 um 09.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25631

Sigmar Gabriel findet den Auftritt Snowdens mit Putin "obszön". Zur Einschätzung Putins durch seinen Parteifreund als "lupenreiner Demokrat" war ihm nichts Passendes eingefallen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.04.2014 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25694

In der FAZ wird ein neues Buch von Josef H. Reichholf besprochen, der Titel ist: Ornis. Das Leben der Vögel. (C. H. Beck). Da sieht man, wozu humanistische Bildung gut ist.
Auf derselben Seite die Rezension eines Buches von Ha Jin, das von Susanne Hornfleck aus dem Amerikanischen übersetzt wurde. Die Übersetzerin, eine frühere Studentin von mir, heißt ohne Lectio facilior allerdings Hornfeck und übersetzt nicht nur aus dem Chinesischen, sondern auch aus dem Englischen, von dem in der Besprechung ausdrücklich die Rede ist. Um so befremdlicher daher das „Amerikanische“, von dem der arme Ha Jin nichts weiß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2014 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25786

Die FAZ druckt ganzseitig aus einer bisher unbekannten Erzählung Schnitzlers, auf Reformschreibung umgestellt.

Ich habe es nur überflogen, weil ich schon lange nicht mehr die Geduld aufbringe, solche Sachen zu lesen. Insofern kann es mir egal sein.Aber trotzdem: Warum machen die das?
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 07.05.2014 um 14.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25788

Warum die das machen?

Ganz klar: Die Erinnerung daran, daß früher einmal etwas anders war, wird "komplett" (Modewort!) ausgelöscht. Dies geschieht durch Büchervernichtung, -umschreibung und Zitatfälschung. Ausführend ist das Ministerium für Wahrheit, gesteuert von der Inneren Partei (dem DUDENVERLACH). Von dort kommt auch das Neuschreib in immer neueren und neuereren und neuerereren Varianten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2014 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25863

Mein Eindruck, daß die FAZ ständig an Qualität eingebüßt hat, wird anscheinend von vielen Lesern geteilt, wie man jetzt wieder an Reaktionen auf die Meldung über die schlimme wirtschaftliche Lage des Blattes sehen kann. Es liegt also nicht nur an meinen vorgerückten Jahren. Richtig ist auch die Beobachtung, daß ständig sehr sachkundige Leserbriefe diverse redaktionelle Beiträge in die Pfanne hauen.
Wenn eine Zeitung schon so abgespeckt ist, sollte sie ihre wenigen Seiten nicht auch noch mit Ulrich Beck und ähnlichen Dauergästen füllen. Wer will denn den 120. Beitrag von Herrn Morozov lesen?
Das Thema Rentensystem und Familienlastenausgleich ist bisher ausschließlich in Leserbriefen sachgerecht behandelt worden, die Redaktion ist außerstande, es überhaupt zu erkennen. Usw.

Aber die Leserverachtung, die sich schon ganz äußerlich in der Orthographie zeigt, bleibt nicht ungestraft. Traurige Genugtuung.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.05.2014 um 15.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25887

Zu "Aber die Leserverachtung, die sich schon ganz äußerlich in der Orthographie zeigt, bleibt nicht ungestraft (#25863):
Richtiges Schreiben hat bei der Schreibschlamperei der Druck-Medien keine Chance; dem wird da keine Chance gegeben: "Bei der Wahl morgen werden wohl vielen Menschen keine Chance haben, ihre Stimme abzugeben." (dpa heute) - Die USA ein vereinigter Staat: «Dass die USA darüber hinaus versucht habe "mit dem diplomatischen Holzhammer auf eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei" zu drängen, habe das türkische Gefühl bestärkt, "nur Opfer einer zynischen europäischen Strategie zu sein", so zu Guttenberg.» (DTS-Meldung gestern)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.05.2014 um 18.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25888

Im Englischen heißt es The U.S. has, da ist die Verwirrung vorgezeichnet.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.05.2014 um 22.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25920

Die SZ (heute, S. 9) noch einmal zu Dienstagnacht (s. hier unter #11674 und #15453):

Die 14 und 16 Jahre alten Cousinen wurden Dienstagnacht von ihren Familien als vermisst gemeldet.

Meiner Meinung nach geht das nicht. Für Dienstagnacht muß man auch einfach Nacht einsetzen können. Es kommt also hier nur in der Dienstagnacht oder Dienstag nacht in Frage. Für die Reformer höchstens noch Dienstag Nacht, aber das scheint ihnen ja selbst peinlich zu sein.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.05.2014 um 01.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25921

Passend dazu auch die FAZ, 27.5.14, Seite 11:

Die Stadt Frankfurt ehrt den im vergangenen Jahr gestorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki mit einer Gedenkfeier, die am kommenden Sonntagmorgen, dem 1. Juni, am Tag vor seinem Geburtstag, in der Paulskirche stattfinden wird.

Aha, dann muß der Sonntagabend wohl der 2. oder 3. Juni sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2014 um 03.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25922

Lieber Herr Riemer, Sie sagen:

"Für Dienstagnacht muß man auch einfach Nacht einsetzen können."

Das stimmt leider nicht, und wir wollen es uns nicht einfacher machen, als es ist. Tatsächlich kommen die Zusätze morgen, mittag, abend, nacht, mitternacht, wie auch immer geschrieben, in dieser artikellosen Konstruktion eben nur als Zusätze hinter einer Datumsangabe wie heute usw. vor (und hinter neulich - von den Reformern in ihren als vollständig gemeinten Aufzählungen bis heute vergessen!). Das ist in der gesprochenen Sprache so, und der "Orthographus bestimmt nicht, wie die Wörter heißen und abgeändert werden; sondern nur bloß, wie man die einmal festgesetzten schreiben soll.“ (Luise Gottsched, 89. Brief 1748)
Also dieses Problem läßt sich nicht wegdiskutieren. Wir haben immer so argumentiert, daß in heute nacht aus grammatischen Gründen nicht das Substantiv Nacht stehen kann, folglich greift "Im Zweifel klein" - sogar nach den Grundsätzen der Reformer selbst - und meinetwegen irgendwie die Kategorie "adverbial" (als undefinierte Restklasse). Gallmann argumentiert "Im Zweifel wie ein Homonym, dessen Wortart feststeht." Da muß man abwägen, welche Methode eher überzeugt. Ich bin für die erste, weil es zu Adverbien gewordene Substantive auch sonst gibt. Die Homonymenmethode führt in völlige Willkür.und ist geradezu kindisch.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.05.2014 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25929

Vielen Dank für die Richtigstellung, lieber Prof. Ickler! Manchmal bedienen sich ja Grammatiker ähnlicher Einschub- oder Ersetzungstests. Es ist aber gar nicht so leicht zu sagen, wann sie berechtigt sind und wann nicht. Ich hatte nach einer Art "grammatischem Beweis" dafür gesucht, daß nacht hier kein Substantiv sein kann, und glaubte, da Dienstagnacht auch nur eine spezielle Nacht ist, und weil man nicht mit artikellosem Akkusativ wurden Nacht gemeldet sagt, kann man daraus schon schließen, daß es auch mit Dienstagnacht nicht möglich ist. Aber nun ist mir auch klar, daß man auf diese Art manchen Widerspruch zu gängigen Ausdrucksweisen erhielte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2014 um 05.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25940

Zu den Paradiesvögeln, die wie Gertrud Höhler bestellt werden können, damit sie das Personal moralisch aufrüsten, gehört auch eine gewisse Ilona Bürgel. Sie ist u. a. Schokologin (Motto "Schokolade essen und an sich selbst denken!"), zieht aber auch mit dem Schlagwort "Resilienz" durch die Lande, das so viele ernährt. Die FAZ gibt ihr unter "Beruf und Chance" (wo jedes Wochenende der größte populärwissenschaftliche Unsinn zu lesen ist) die Gelegenheit, ihr Rezept gegen Burnout zu verraten (sich mal tüchtig ärgern, aber nicht länger als drei Minuten!). Aufgrund ihrer vielen "Zusatzausbildungen" (http://www.pspr.de/uploads/tx_templavoila/Ilona_Buergel_Pressemappe.pdf) hat sie für jede Gelegenheit eine Menge Schlagworte und Thesen auf Lager. In seriöseren Zusammenhängen würde die Liste der Zusatzausbildungen (bis zu NLP und Psycho-Kinesiologie) einen Bewerber sofort erledigen, aber dafür fehlt in den Kreisen der angewandten Rhetorik jedes Gespür.
Ich bezweifle natürlich nicht, daß die Gecoachten gestärkt aus solchen Veranstaltungen hervorgehen, wie es ja auch Leserinnen gibt, die der alljährlichen Neuerscheinung von Margot Käßmann entgegenfiebern und sich nach dem Lesen preiswert gestärkt fühlen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.06.2014 um 23.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25941

Lieber Prof. Ickler,
ich will natürlich nicht auf meiner unbedachten Behauptung bzgl. der Einsetzung Nacht statt Dienstagnacht bestehen, dennoch fühle ich mich hier nicht richtig verstanden.

Es gibt ja zwei Probleme, zum einen heute/Dienstag nacht versus heute/Dienstag Nacht, also die GKS betreffend, und zum andern Dienstagnacht versus Dienstag nacht/Nacht, eine Frage der Zusammensetzbarkeit.

Wenn ich Sie recht verstehe, sind Sie in Ihrer Entgegnung vor allem auf das Problem der GKS eingegangen, während ich in dem Beispiel aus der SZ jedoch vor allem das Kompositum kritisieren wollte.

Der Unterschied zu heute nacht ist ja, daß wir auch in der bewährten Schreibung sowohl die Dienstagnacht als auch den Dienstag nacht kennen. Und ich wollte nun eigentlich darauf hinweisen, daß in dem zitierten Satz weder herkömmlich noch reformiert das Kompositum stehen kann. Ich hoffe, das war zumindest richtig, auch wenn meine Begründung dafür falsch war? Wie kann man dann korrekt begründen, daß hier Dienstagnacht getrennt zu schreiben ist? Oder muß es etwa gar nicht?

Ebenso wollte ich im zweiten Beispiel sagen, daß man m. E. Sonntagmorgen nicht zusammen schreiben kann, wenn man darauf mit dem konkreten Datum referenziert. Nicht der Sonntagmorgen ist ja der 1. Juni, sondern der ganze Sonntag ist es!
Am Sonntag morgen, dem 1. Juni ist zwar auch nicht ideal, aber m. E. immer noch besser als zusammen, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2014 um 04.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25942

Lieber Herr Riemer, mein Eintrag bezog sich ja zunächst einmal nur auf die zitierte Zeile von Ihnen. Ich könnte auch sagen: In "Er kommt Sonntag morgen" ist "Sonntag" der Nukleus, weil es stellvertretend für die ganze Gruppe stehen kann, im Gegensatz zu "morgen" das nur als nachgestellter Zusatz möglich ist. Und wenn der Sonntag hier als akkusativisches Adverbial aufzufassen ist (vgl. auch "er kommt nächsten Sonntag/den nächsten Sonntag"), dann erhebt sich die Frage, ob man den ganzen "Sonntagmorgen" nicht auch als adverbialisierten Akkusativ konstruieren könnte. Dagegen spricht wohl das fragwürdige "Er kommt die nächste Dienstagnacht".
Was Sie über "den Dienstag nacht" sagen, ist vielleicht ein Versehen? Mir kommt es fast unmöglich vor. Gibt es seriöse Belege?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.06.2014 um 10.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25945

Ich habe den Artikel in den Dienstag nacht vor allem geschrieben, um das Genus und den Unterschied zu die Dienstagnacht zu betonen. Praktisch wird wohl öfter am Dienstag nacht vorkommen. In Internetforen findet man ja fast alles, auch Belege für den <Wochentag> nacht. Ich bin nicht sicher über die Seriosität, aber sind solche Sätze (abgesehen von "dass" und der Großschreibung "Nacht") nicht ganz in Ordnung: "Ich weiß noch genau, dass wir den Sonntag Nacht erschöpft zu Hause Arm in Arm einschliefen ..."?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2014 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25946

Es gibt ja fast nichts, was es nicht gibt, und möglicherweise läßt sich ein hinzugefügtes "nacht" usw. doch ganz gut belegen, auch wenn es mir persönlich im Augenblick noch nicht richtig vorkommt (d. h. ich es nicht gebrauchen würde - aber ich bin ja auch nur einer von vielen). Es ist vielleicht die nächste Entwicklungsstufe, konsequent wäre es ja.
Das Ganze bestätigt nur noch einmal, daß es hier Übergangsbereich gibt und daß jede endgültige Festlegung willkürlich und nur um den Preis ständiger "Fehler" durchzuboxen wäre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2014 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26140

Der SPD-Politiker brachte zudem ins Spiel, gewaltbereite Fußballfans mit einem "strafbewährten Stadionverbot" zu belegen. (zeit.de 24.6.14)

Ob da die Bewährungsstrafe sich eingemischt hat?

(Der Politiker schlägt auch vor, vermögende Steuersünder mit Führerscheinentzug zu bestrafen: "Wenn der Zahnarzt sechs Monate seinen Porsche stehen lassen muss, trifft ihn das viel mehr als eine Geldstrafe." - Aber wenn der Zahnarzt sich für diese Zeit einen Fahrer nimmt? Ich schlage vor, den Porsche vor den Augen der Zahnarztfamilie mit einem Hammer zu demolieren.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2014 um 14.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26297

Bei Wikipedia steht schon seit langem unter "Dialektischer Materialismus":

Kritiker wenden ein, dass der dialektische Materialismus im Osten vor allem systematisch genutzt wurde, vergleichbare Zustände im Westen scharf zu kritisieren, die man im Osten elegisch feierte.

Elegisch?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2014 um 04.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26633

Die AfD scheint die einzige Partei zu sein, die die Haushaltsabgabe abschaffen will. Das hätte eigentlich die FDP fordern müssen, aber die hat sich ja praktisch abgeschafft.
Die Rundfunkfinanzierung ist für mich ein krasses Symptom unendlicher Bürgerverachtung. Das ist mir viel wichtiger als der finanzielle Schaden, den ich wie ein bis zwei Millionen weitere Nichtfernsehteilnehmer erleide.
Wie man aus den USA erfährt, kommen per Internet allmählich andere Medien zum Zuge, die es dem Normalfernseher erlauben, sich aus dem Angebot der Sendeanstalten auszuklinken. Vielleicht ist dies ein Weg, den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinter sich zu lassen. Die Haushaltsabgabe wird lange darüber hinaus erhalten bleiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2014 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26641

Der sogenannte Parteienforscher Oskar Niedermayer sagte der Frankfurter Rundschau: „Die AfD spricht Ängste, Befürchtungen und Sorgen gerade von jungen Männern an.“ Das hat er aber gar nicht erforscht, sondern legt es sich nur so zurecht. (Ähnlich hat man auch den Zulauf zur NSDAP erklärt, vielleicht kein Zufall.) „Man muss die AfD jetzt mit Sacharbeit bekämpfen und nicht mit Pauschalurteilen oder Missachtung.“ Warum „man“ die AfD bekämpfen muß, sagt der Forscher nicht, läßt aber seine wissenschaftliche Unvoreingenommenheit überdeutlich erkennen. Einige Leser wundern sich auch.
( http://www.fr-online.de/politik/alternative-fuer-deutschland—afd-spricht-aengste-junger-maenner-an–,1472596,28292034.html)
Im Wikipedia-Eintrag, den er wahrscheinlich selbst verfaßt hat, werden sogar Niedermayers Prüfungsnoten angeführt. Dann heißt es änigmatisch: „Durch seine herausragenden Leistungen in wissenschaftlicher Forschung und universitärer Lehre habilitierte er sich im Fach Politikwissenschaft.“ Man habilitiert sich nicht durch Leistungen, sondern wird durch ein Habilitationsverfahren habilitiert. Die Formulierung umschreibt vielleicht eine kumulative Habilitation, aber selbst die ist genau geregelt.
Komischer Vogel.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 03.09.2014 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26645

Ich las gestern den Niedermayer-Artikel in der FR und war über die Erkenntnisse fürbaß erstaunt.
In seiner Homepage legt Niedermayer auch seine E-Mail-Adresse offen.
Er bekam von mir ein Briefchen mit ähnlichen Anmerkungen wie sie Herr Ickler angesprochen hat.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.09.2014 um 13.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26646

Ich ging fürbaß, und wie ich ging,
Erklang es in der Höhe.
(Heine)
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 03.09.2014 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26647

...Wenn man aber die alten Gedichte wieder durchliest, um ihnen, behufs eines erneueten Abdrucks, einige Nachfeile zu erteilen, dann überschleicht einen unversehens die klingelnde Gewohnheit des Reims und Silbenfalls, und siehe! es sind Verse, womit ich die dritte Auflage des Buchs der Lieder eröffne.
Geschrieben zu Paris den 20. Februar 1839.
Heinrich Heine
Wo liest man heutzutage so ein schönes Bild von der Nachfeile?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.09.2014 um 14.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26648

Ja, aber ich bin eigentlich auf den Vers gekommen, weil mir schien, daß bei "fürbaß erstaunt" vielleicht etwas abzufeilen wäre.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 03.09.2014 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26649

"Man habilitiert sich nicht durch Leistungen, sondern wird durch ein Habilitationsverfahren habilitiert." (#26641) - Ja, daß man seinen Dr. macht, oder wenigstens sein Abitur, das wird wohl nur noch von sehr Kulturbewußten anders und also richtig ausgedrückt. Auch in Amerika ist *I graduated from [school/college/university]* gang und gäbe und wurde das letzte Mal in meinem sprachlichen Umgang von einem Kollegen aus der Spanisch-Abteilung mit jedoch ausgezeichneten Lateinkenntnissen korrigiert, der jetzt schon anderthalb Jahrzehnte tot ist. Allerdings könnten doch gerade in Deutschland Habilitierte mit der historisch richtigen Form anzeigen, daß sie sich von allen andern sehr unterschieden und dadurch eigentlich besonders zu bemerken sein sollten. Zumindest deren Biographie-Kurzform - so sie eine haben - hat es unverfänglich: Höchster akademischer Grad: Habilitation (oder was auch immer). -
Mir ist übrigens von einem der ältesten Gymnasien Deutschlands das regelrechte Abitur abgenommen bzw. verliehen, jedenfalls bescheinigt worden, worüber ich damals sehr glücklich war und was von der Schule betont wurde. Aber am meisten beeindruckt von akademischen Graden war ich bei dem Autor einer sehr brauchbaren amerikanischen Literaturgeschichte, der nach dem Komma hinter seinem Namen am Ende des Vorworts hatte: "B.A. (honors)". Wie ganz anders ist da doch das wortreiche und wirklich recht ideolektische: „Durch seine herausragenden Leistungen in wissenschaftlicher Forschung und universitärer Lehre habilitierte er sich im Fach Politikwissenschaft.“
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 03.09.2014 um 23.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26651

Zu #26648
Die Feile bleibt im Werkzeugschrank.
Der "komische Vogel" ist mir nicht zum erstenmal begegnet.
Langdeutsch: Er schreitet munter voran auf seinem Weg, sagen wir mal, er erheitert mich, um es nicht deftiger auszudrücken. Erstaunlich seine Beständigkeit.
(Noch Fragen, Kienzle?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2014 um 12.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27082

Peninsula ist eine bergige Landschaft in der Antarktis. Der höchste Gipfel in der Region ragt 2.800 Meter in den Polarhimmel. Die leuchtenden Farben zeigen die Reflektion des Radarsignals des Satelliten Sentinel-1A auf Land, Eis und Wasser.

http://web.de/magazine/wissen/fantastisch-erde-30127326 (mit Satellitenfoto)

Gemeint ist die "Antarctic Peninsula" ("Antarktische Halbinsel").
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.11.2014 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27244

Die 29-jährige Brittany Maynard litt unter einem unheilbaren Gehirntumor. Mit ihrem Entschluss sich das Leben zu nehmen, wurde die Debatte um Sterbehilfe wiederbelebt. Nun brüskierte sich ein Vatikan-Vertreter über ihren Schritt. (Focus online 5.11.14)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.11.2014 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27251

Anders als für viele aus seiner Generation, für die ein amerikanisches Semester zur Entelechie ihres bundesrepublikanischen Erziehungsromans gehört, war der amerikanische Westen für Bohrer lange Zeit mehr Imagination als erfahrene Realität. (FAZ 4 .7.12)

So lieben wir unsere Tageszeitung. "Entelechie" – da weiß doch jeder gleich, was gemeint ist.

Ich übersetze: "Anders als viele seiner Altersgenossen hat Bohrer nicht in den USA studiert und das Land erst spät kennengelernt."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2014 um 08.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27583

Hilary Hahn ist und bleibt ein Phänomen. Die Frau an den Saiten pflegt ein Spiel wie von einem fernen Planeten. (Morgenpost 30.5.14)

Ein Phänomen bin ich auch, wie jeder. Das Wort muß ich mir abgewöhnen, falls ich es überhaupt noch gebrauche. Daß die Geigerin "an" ihren Saiten sitzt, kann man sich auch nicht gut vorstellen. Es ist halt eine Frau mit einer Geige. Und was macht sie damit? Ein "Plädoyer"!

Mit "In 27 Pieces: The Hilary Hahn Encores" legt sie ein außerordentlich spannend konzipiertes und leidenschaftlich musiziertes Plädoyer vor, dass die Tore zur Gegenwartsmusik weit aufstößt und andere Interpreten ermutigt, ihrem Beispiel zu folgen. (Klassik-Akzente)

Tja, wieder einmal dass!

Leider ist es üblich geworden, für die Plattenhülle jede Musikerin wie eine Schönheitskönigin oder gar ein Pin-up aussehen zu lassen, viel Make-up, wenig Kleidung. Bei den Geigerinnen war Anne-Sophie Mutter eine der ersten. Julia Fischer und nun Hilary Hahn scheinen sich eher ungern dafür herzugeben. Aber was soll das denn:

Selbstbewusst schaut sie mit ihrem Porzellanpüppchen-Gesicht ins zahlreich erschienene Tonhallen-Publikum. (http://www.wz-newsline.de)

(Was des Selbstbewußtsein betrifft, könnte ich mir vorstellen, daß es nicht nur der eigenen Meisterschaft gilt, sondern auch der Musik, die dem Publikum eindringlich klarmacht, daß es noch etwas anderes gibt als Stupsnasen und Starkult.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2015 um 07.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27676

Noch einmal "wir" (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22948): Von diesem unserem Wir ist nicht viel Gutes zu erwarten. Aus Neujahrsansprachen:

"Circa 100.000 Deutsche arbeiten für den Export von Kriegsgütern. Wir verdienen daran. Und wir wundern uns dann, wenn einige Opfer von Gewalt an unsere Türen klopfen?" (Kardinal Woelki)
"Wir sind oft so stolz über (!) unsere technischen Leistungen, darin wirklich oft Giganten, aber im Blick auf den Erhalt des Friedens sind wir erbärmliche Zwerge." (Kardinal Lehmann)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2015 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#27810

Die "Resilienz" hat längst Einzug in die Lehrerbildung gehalten. In sämtlichen Entwürfen für die Kerncurricula an hessischen Gymnasien heißt es:

In diesem Verständnis wird die Bildung und Erziehung junger Menschen nicht auf zu erreichende Standards reduziert, vielmehr kann Bildung Lernende dazu befähigen, selbstbestimmt und in sozialer Verantwortung, selbstbewusst und resilient, kritisch-reflexiv und engagiert, neugierig und forschend, kreativ und genussfähig ihr Leben zu gestalten und wirtschaftlich zu sichern.
(http://www.lsa.hessen.de/irj/LSA_Internet?cid=c238ce0120893e0ab333cf2c323830b2)

(Und noch ein paar Meter Prosa dieser Art.)

Ziel der Schulbildung ist offenbar der vollkommene Mensch. Viel Glück!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2015 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28343

Wenn eine Frau mit Kopftuch das bejaht, kann sie gern Lehrerin sein, denke ich.

Wer hat das geschrieben? Es gibt praktisch nur eine Möglichkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.04.2015 um 05.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28550

Na, und dies?

Keine noch so großartige Technik, keine Sicherheitsbestimmungen der Welt werden je absolute Sicherheit bringen können gegenüber diesem Schmerz, liebste Menschen zu verlieren. Das macht demütig, finde ich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.04.2015 um 05.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28551

Margot Käßmann stellt sich mit ihrem ständigen "denke ich, finde ich" kumpelhaft als die gute Freundin von nebenan dar und unterliegt damit dem Selbstmißverständnis, daß es auf ihre persönliche Meinung ankomme. Dabei würde niemand sie wahrnehmen, wenn sie nur als Privatperson spräche und schriebe.

Außerdem verdeckt die Floskel die unüberbietbare Flachheit ihrer Theologie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.04.2015 um 08.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28635

Zu: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21970

Wenn man, wie Herr Achenbach, das Wort "thematisieren" nicht mag, wird man gewisse phänomenologische Unsinnstexte (das ist eine Tautologie) besonders genießen. Ich empfehle den Aufsatz von Klaus Held hier: http://sammelpunkt.philo.at:8080/1036/1/k.pdf
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2015 um 09.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28720

Das Erdbeben wird wohl weitere politische Unwegsamkeiten auslösen. (FAZ 28.4.15 über Nepal)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2015 um 04.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28870

Geheimdienstaffären liefern seit Monaten die Schlagzeilen, und eigentlich müßte ich mich aufregen oder so, aber ich kann mich nicht mal überwinden, die Artikel zu lesen. Andern geht's genau so, nur 6 % der Bevölkerung interessieren sich für dieses wichtige Thema.
Das liegt sicher an der paradoxen kommunikativen Situation. Jeder weiß, daß die ganze Wahrheit nicht ans Licht kommen wird und kann. Keine Regierung, sofern sie selbst überhaupt Bescheid weiß, kann alles offenlegen. Ich verstehe nichts von Nachrichtendiensten, aber ich halte es a priori für unmöglich, daß ein Dienst irgend etwas von der Ausspähung ausnimmt. Man kann ja nie wissen. Folglich wird jeder alles ausspähen, was möglich ist, auch "befreundete" Regierungen und erst recht die eigene. Alles andere wäre geradezu logisch unmöglich. Das weiß eigentlich jeder. Eine Zusage, den befreundeten Staat künftig nicht mehr ausspähen zu wollen, wird mit Recht als sehr komisch belächelt.
Untersuchungsausschüsse können endlos tagen, sie finden nichts Wesentliches heraus. Staatsgeheimnisse kommen aus Sicherheitsgründen nicht auf den Tisch; die Aussagegenehmigung wird nicht erteilt usw. Nur ein Outlaw kann etwas anderes tun, aber der wird sorgfältig unter Quarantäne gestellt, unter Mithilfe staatstragender Zeitungen.
Deshalb ist es auch ungeschickt, dem Koalitionspartner etwas vorzuwerfen, worin man höchstwahrscheinlich selber verwickelt ist und wofür sich die Bevölkerung nicht interessiert.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.05.2015 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28875

Die "Merkelsche Verneinung": Die Durchsetzung deutscher Interessen bei den USA dauert etwas länger. (Quelle: Südd. Zeitg. 12.4.15 S, 1)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 13.05.2015 um 16.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28879

Titelzeile in der taz von heute:
Selbst fahrende Pkws nicht nicht vor Unfällen gefeit
Welch böse Überraschung! Und wir dachten immer, nur stehende Autos könnten in Unfälle verwickelt werden, aber doch nicht fahrende...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2015 um 08.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28909

Um noch einmal darauf zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß Nachrichtendienste ihrer eigenen Regierung bzw. dem Parlament oder einem Ausschuß, von dem sie formal beaufsichtigt werden, alle ihre Geheimnisse offenlegen. Das politische Personal wechselt, der Dienst bleibt. Die Aufforderung an die USA, deutschen Untersuchungsausschüssen oder anderen Stellen ihre Daten zu verraten, kommt meinem Laienverstand naiv vor. Es würde ja erfahrungsgemäß alles am nächsten Tag in der Zeitung stehen. Nur "Verräter" wie Snowden können etwas nach außen tragen und damit gegen die Rationalität der geheimdienstlichen Arbeit verstoßen, eben weil sie nicht (mehr) dazugehören. Parlamentarier und Regierungen gehören auch nicht dazu, völlig mit Recht. Ein (von wem auch immer) "kontrollierter" Geheimdienst ist keiner mehr.
(Ich versuche das Spielchen zu verstehen, das seit Wochen einen beträchtlichen Teil der Zeitung füllt und noch langweiliger ist als ein ganzseitiger Bericht über eine wiederentdeckte Barockoper.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2015 um 05.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28955

Juliette Binoche spielt die Titelrolle. Eine attraktive Frau von fast ephemerer Eleganz. (FAZ 22.5.15)

Bange Frage: Was wäre, wenn Frau Binoche nicht nur fast, sondern ganz und gar ephemer elegant aufträte?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.05.2015 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28968

Die Schizophrenie war eine Zensur in seiner Karriere

Nash war im Alter von 30 Jahren an Schizophrenie erkrankt. Als sich die ersten Anzeichen der Krankheit bemerkbar machten, war er bereits einer der führenden Köpfe in der Mathematik und stand kurz vor einer vollen Professur am MIT.
Seiner Biografin Sylvia Nasar zufolge, neigte Nash zu Gewaltausbrüchen und zeigte antisemitische Tendenzen, wenn er schizophrene Schübe hatte. Die Krankheit war eine deutliche Zensur in seiner Karriere. In den 1990er Jahren erholte er sich weitgehend von der Krankheit und konnte wieder mehr arbeiten.
(focus.de 24.5.15)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2015 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#28987

Verzichten Sie durch Low-Carb auf Kohlhydrate. (focus.de)

Vielleicht in Erinnerung an Kohl und seine alljährlichen Fastenkuren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2015 um 09.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#29548

Nach der Neuinszenierung der Richard-Wagner-Oper "Tristan und Isolde" hatte Merkel in einem Statement gesagt: "Es hat mir gut gefallen." (n-tv 26.7.15)

In einem Statement?

Was inzwischen jeder weiß:

Merkels Stuhl brach zusammen, nicht sie

Klingt leicht zeugmatisch, weil das Zusammenbrechen eines Menschen nicht so konkret ist wie das eines Stuhles, sozusagen halb-metaphorisch.

Es kommt tatsächlich vor, daß Stühle zusammenbrechen. Als ich noch aufs Gymnasium ging, hat sich mal der Holzstuhl unter mir in sämtliche Teile zerlegt. Der Vertretungslehrer, ein vollendeter Trottel, hielt das für eine besondere Aufsässigkeit und wollte mir eine Strafe auferlegen, was die ganze Klasse mit Gelächter quittierte; denn ich war ein sehr braver Schüler, wenn auch scharfzüngig.

Merkels Stuhl aktivierte sofort die nähere Umgebung: Angeblich hätten mehrere Personen am Tisch der Kanzlerin sofort erste Hilfe geleistet, darunter Bundestagsspräsident Norbert Lammert und Kulturstaatsministerin Monika Grütters. - Wo waren eigentlich die Leibwächter, die man beim festlichen Einmarsch vor 1500 Schaulustigen noch erkennen kann? Da die beiden Politiker vermutlich von Stühlen nicht viel verstehen, wird die "erste Hilfe" hier mit Recht klein geschrieben. Es hat ja auch nicht viel genützt, ein neuer Stuhl mußte her.

Apropos Tristan und Trottel: Obwohl jetzt Thielemann dirigiert, ist doch immer noch der hübsche Schüttelreim im Ohr:

Was gehst du denn in Mottls „Tristan“
Und hörst dir dieses Trottels Mist an?
Schaff lieber dir ein Drittel Most an,
Trink dir mit diesem Mittel Trost an!


Jedenfalls wäre ein Schwächeanfall der Kanzlerin bei ihrem Pensum nur allzu verständlich.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.07.2015 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#29549

Franziska Josepha Merkelin: »Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.«
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2015 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#29830

Alternativ zur "Renaissance" (Renaissance des Stängelkohls, Berliner Morgenpost 21.11.13) gibt es das "Comeback":
Comeback des guten Deutschen? Wurden in der Euro-Krise noch Nazi-Vergleiche gezogen, loben ausländische Kommentatoren nun den Umgang mit Flüchtlingen. (Spiegel)
(Wann hätte der gute Deutsche die Bühne beherrscht?)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 23.02.2016 um 20.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31767

In den Medien war jüngst viel von der Stadt Visegrád die Rede. Dafür gibt es auch den – weitestgehend vergessenen – deutschen Namen Plintenburg. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Stadt – laut Brockhaus – überwiegend deutschsprachig. Aber der Name Visegrád ist doch – abgesehen von der Rechtschreibung – offenbar slowakisch. Wie kommt es, daß der Name nie magyarisiert wurde wie so viele andere?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.02.2016 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31768

Gute Frage! Was die deutschen Ortsnamen angeht, so werden sie ja seit längerem von den Medien und Behörden vergessen gemacht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.03.2016 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31980

Vereinigte Staaten, aber Vereinte Nationen. Wie konnte es dazu eigentlich kommen? (Der feine Unterschied ist ja durchaus sinnvoll, aber im Englischen und Französischen nicht vorgegeben.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.03.2016 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31982

Ich finde die hier gegebene Antwort ganz gut:
http://canoo.net/blog/2015/10/08/united-vereint-vereinigt/

Die USA gibt es schon länger, das war Ausland und ging uns Deutsche damals nicht direkt an. Aber die UNO, alle Nationen der Welt in Frieden zusammen, das war, besonders nach dem Weltkrieg, für romantische Verklärung gut geeignet, deswegen vereinen statt des etwas sachlicheren vereinigen.

Gäbe es im Englischen oder Französischen überhaupt entsprechende Verben mit ähnlich feinem Unterschied?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.03.2016 um 12.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31983

United/unified, uni/unifié sind durchaus vergleichbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2016 um 15.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31995

Wahrscheinlich möchte man die Bedeutung "vereinheitlicht" ausschließen, die bei unified doch wohl zuerst in den Sinn kommt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.03.2016 um 22.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31996

In "unified" steckt doch das lateinische "factum" "gemacht" von "facere" "tun, machen". Also bedeutet "unified" wörtlich "einheitlich gemacht".
"unitet" "vereinigt" deutet dagegen auf einen freiwilligen Vorgang hin.
(Soweit man für lateinisch klingende englische hard words überhaupt das Lateinische heranziehen darf. Oft führt da das Lateinische nur in die Irre.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2016 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#31998

Wie Sie selbst andeuten, ergibt sich die Bedeutung aus dem Gebrauch, nicht aus der Etymologie. Als "Durchsichtigkeit" kann die Herkunft allerdings eine Rolle spielen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.03.2016 um 10.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32003

Also bedeutet "unified" wörtlich "einheitlich gemacht".

Wieso? Es könnte dann genauso gut wörtlich "einig gemacht" bedeuten, was wieder beides, "vereinigt" und "vereint" sein kann, wobei natürlich "einheitlich gemacht, vereinheitlicht" immer noch vorherrschen mag.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2016 um 04.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32040

In seinem Habit im bewohnten Untergrund hatte Karadzic offen zu seiner Rolle als narzisstischer Guru gefunden, die er zuvor in seiner ohnehin bizarren Personalunion von Psychiater, Lyriker und Kriegstreiber nur latent erfüllt hatte. (Tagesspiegel 24.3.16)

Gemeint ist Habitat, und die Personalunion ist so bizarr nicht, wenn man an andere Politiker denkt, die ja nicht ausnahmslos Juristen sind.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.04.2016 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32198

»Unter dem Titel "Paul Klee. L’ironie à l’oeuvre" (Paul Klee. Ein Werk voller Ironie) wird der Aspekt der Ironie, des Grotesken und der Satire als prägendes Element seines Schaffens beleuchtet.« (dpa, 6. 4. 2016) – Ironisches, groteskes oder satirisches Werk einer Übersetzungsmaschine?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2016 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32500

Nachlese zum Wir:

DAS WIR GEWINNT (Anzeige der Aktion Mensch Mai 2016)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2016 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32537

Ein altes DDR-Buch in der Hand, erinnere ich mich, daß nur in solchen ein "Autorenkollektiv" angegeben war, niemals in Büchern aus der Bundesrepublik (außer in marxistischen Kreisen). Hierzulande wollte einfach niemand Teil eines Kollektivs sein, jedenfalls nicht unter diesem Namen.
"Kollektiv" war in diesem Zusammenhang kein soziologischer Begriff, sondern hatte etwas von einer Beschwörung, einer Vorwegnahme wiederhergestellter Urgesellschaft im Gegensatz zum verhaßten "Individualismus". Der einzelne sollte im Kollektiv aufgehen, anders als das Mitglied einer bloßen Arbeitsgruppe.
Das Autorenkollektiv ist für mich mit grauem Papier und überhaupt mit Grau assoziiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2016 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34155

antientzündlich – schön ist es nicht, aber diese Hybridbildungen entstehen auch, weil wir einen gewissen Mangel an sprachgerechten Suffixen haben. Es gibt Zusammensetzungen wie entzündungshemmend, dazu -freundlich, - feindlich, -frei, -los, aber das paßt nicht immer.

Man hat ja auch partiell, tentativ usw. darauf zurückgeführt, daß wir zwar teilweise, versuchsweise usw. haben, aber standardsprachlich keine Adjektive dazu.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2016 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34198

Der Tagesspiegel titelt in der Silvesterausgabe:

2016: Der Diskurs ist kaputt

Dann machen wir eben ohne Diskurs weiter. Den Journalisten wird es schon nicht die Sprache verschlagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.03.2017 um 12.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34687

Eduard Engel hat manchmal die Überflüssigkeit eines Fremdworts durch Wechsel der Blickrichtung gezeigt, und das können wir auch: Würde ein Franzose sagen le werk de Beethoven? Wohl kaum, also brauchen wir auch das Oeuvre nicht. Ich habe noch nie Oeuvre gesagt oder geschrieben und lebe immer noch.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.03.2017 um 17.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34693

Kommt hinzu, daß die Schreibung ja auch falsch wäre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2017 um 07.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34702

Der SPIEGEL vertut sich nicht selten bei der Jagd nach dem treffenden Wort:

... Schlossbesitzer, der inmitten seiner nicht menschlichen Gefolgschaft ein einsames Leben frönt (SPIEGEL 15.3.17 über „Die Schöne und das Biest“)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2017 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#34751

Das süddeutsch Tingierte gibt seiner Sprache den Charme, den das Helvetische der Prosa Kellers gibt: die leichte Abweichung, das nicht Vorhersehbare, die zarte Friktion. (Michael Maar über Martin Walser, FAZ 24.3.17)

Im selben Text: das Lektürepensum limitieren; das wahre fluide Sein.

Maar schreibt eigentlich gut und erkennt Stilfehler bei anderen sofort, nur für die Fremdwörterei fehlt deutschen Schriftstellern oft jedes Gespür.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2017 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#35722

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21329

Für Teflon-Kanzlerin liefert Google fast 10.000 Belege, allerdings oft identische. Besonders kreativ ist die Tagesschau:

Die Teflon-Kanzlerin ist zurück (tagesschau.de 16.7.17 Kommentar zum Sommerinterview)

"Teflon-Kanzlerin" bleibt gelassen (tagesschau.de 28.8.16 Kommentar zum Sommerinterview)

Der Inhalt dieser Kommentare ist jeweils: Merkel läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Mehr Inhalt ist nicht. Die einfache Mechanik im Kopf der von mir bezahlten Kommentatoren treibt dann das Stichwort Teflon hervor. Morgen darf es dann wieder Mutti sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2018 um 16.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#38549

Die "antisemitischen" Übergriffe von Muslimen sollte man "judenfeindlich" nennen, da sie mit Rassismus nichts zu tun haben. Geht es darum, das Wort "Jude" zu vermeiden, wie der Duden es empfiehlt (aber natürlich nicht die Juden selbst)?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2018 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#38555

Dazu heute:

Ob die Berliner Gürtelattacke aus religiösem Antisemitismus oder politischem Antiisraelismus geschah, ist unklar. (FAZ 20.4.18)

Welche Religion ist gegen "Semiten"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2018 um 07.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#38931

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#25263

Das Bestehen auf Gebaren kommt mir pedantisch vor. Gebahren ist auch in guten Texten (z. B. heute wieder in der FAS) sehr häufig und wäre durch Alter und etymologische Zusammenhänge durchaus gerechtfertigt. Grimms Wörterbuch hat es als Nebenschreibweise ebenfalls.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2019 um 05.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41386

Nichts ist beständiger als die marxistisch-leninistischen Traktate, die heute an den Universitäten ausliegen wie schon vor 55 Jahren. Dazu paßten die grauen ML-Lehrbücher aus der DDR, Bearbeitungen der Moskauer Originalfassungen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#32537). Die linken Studenten plagten sich an ungezählten Schulungsabenden damit ab, die Wahrheit der Lehre zu beweisen und vor allem jede Kritik mit dem passenden Argument zu parieren (ähnlich den Zeugen Jehovas, wie mir schon damals auffiel). Alles freiwillig, anders als in der DDR.
Nun will Kevin Kühnert es noch einmal mit dem Sozialismus versuchen, aber diesmal richtig. Man braucht nur wenige Worte zu hören, um zu wissen, wie es weitergeht, s. o. Es gibt doch noch etwas Verläßliches.
Die Rechten freuen sich über die unverhoffte Wahlkampfhilfe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.05.2019 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41394

Die rhetorische Situation in der SPD spitzt sich in interessanter Weise zu.
Kevin Kühnert ist wohl zu jung und auch zu ungebildet, um zu wissen, welche Erfahrungen die Deutschen mit dem Begriff „Kollektivierung“ verbinden.
Die Marktwirtschaft, die er nicht ganz aufgeben will, wird wohl ein Surrogat wie der „sozialistische Wettbewerb“ werden (Belohnungen und Belobigungen als Anreiz).
Nicht was die Menschen wollen, sondern was sie wirklich brauchen (auch ohne es zu wissen), wird hergestellt und verteilt. Die Partei des wissenschaftlichen Sozialismus kennt die wahren Bedürfnisse, also z. B. keine Rüstungsgüter. Es wird karg, aber gerecht zugehen, wie in der Urgesellschaft. (Vom Ich zum Wir.)
Allerdings platzt hier etwas auf: Was will die SPD, wenn sie keinen Sozialismus will? Kühnert hat insofern einen Nerv getroffen. Daher die heftige Reaktion in den eigenen Reihen: ein unerledigtes Thema meldet sich zurück. Man könnte auch vom schlechten Gewissen sprechen. (Die wortgewaltige Verdammung anderer ist ja fast immer eine abgebogene Selbstverurteilung.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2019 um 05.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41406

Über den 29-jährigen Kühnert sagte Thierse weiter: „Er ist jung, für Kühnert gilt die Gnade der späten Geburt, er erinnert sich nicht, was vergesellschaftetes, kollektives, verstaatlichtes Eigentum im kommunistischen Teil der Welt bewirkt hat.“ (welt.de 4.5.19)

Daran muß man sich nicht erinnern, das lernt man in der Schule. Thierse sollte es mit der Gnade nicht zu weit treiben; an den Nationalsozialismus erinnern wir uns auch nicht mehr, könnten es also in aller Unschuld noch einmal mit ihm versuchen...
Manche stellen es nun als abwegig dar, Sozialismus und Vergesellschaftung der Produktionsmittel in Verbindung zu bringen.
Wenn es nur um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums geht – die steht schon im Grundgesetz. Die SPD scheint die Partei der Schadensbegrenzung sein zu wollen. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal. Die SPD hat ihre Wurzeln gekappt, die aber keine Einbildung sind:

Schon (!) im Godesberger Programm von 1959 hatte sich die SPD vom Marxismus und Begriffen wie Klassenkampf, Planwirtschaft und Vergesellschaftung von Betrieben verabschiedet. Sie wurden durch das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und Wettbewerb sowie durch die Akzeptanz von privatem, jedoch am Gemeinwohl orientierten Eigentum abgelöst. (ZEIT)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2019 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41440

Wieso wird Herrn Kühnert ständig eine "Vision", "Phantasie" oder "Utopie" zugeschrieben?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2019 um 05.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41481

Zur Europawahl plakatiert die SPD in der Grundfarbe Blau mit kleinen roten Feldern, so daß ich von weitem ihre Plakate immer wieder für solche der AfD halte.
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 16.05.2019 um 14.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41487

Die Plakate der AfD liegen hier auf dem Boden oder in Büschen, so lassen sie sich schon auf sehr große Entfernung (Wortspiel!) von denen der SPD unterscheiden.

 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.05.2019 um 10.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41496

Mir war dieser Partnerlook mit der AfD bei dieser Europawahl zuerst bei den Plakaten der Freien Wähler aufgefallen. Wobei er mir dort wegen des Parteienprofils berechtigter scheint als z. B. bei der SPD.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2019 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#41497

Möglicherweise läßt man die Werbeagenturen machen, und die werden eher ästhetisch-psychologisch als historisch-programmatisch mit den Farben umgehen...

Aber was heißt programmatisch bei der SPD? Blau ist vielleicht doch nicht so verkehrt. Oder alles, nur nicht rot (Kevin ante portas).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.11.2022 um 21.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#49911

Was wir bisher über das Coronavirus wissen – und was noch nicht

Was über den Angriff auf Paul Pelosi bekannt ist – und was nicht

Was Polizisten dürfen – und was nicht

Wer von der Globalisierung profitiert – und wer nicht

Wofür man Katar kritisieren kann – und wofür nicht

Eine Marotte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2024 um 06.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#52521

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#21457:

Im Wikipedia-Eintrag über Hans Joachim Störig steht: „Eine akademische Karriere war ihm in der Zeit des Nationalsozialismus aus politischen Gründen verwehrt.“ Andere haben das kritiklos abgeschrieben. Näheres erfährt man nicht. Regimekritische Äußerungen sind nicht bekannt. – In seinen späten Lebenserinnerungen „Splitter“ schreibt Störig: "Nie mehr losgelassen hat mich in den seit dem Zweiten Weltkrieg verstrichenen Jahrzehnten das Grübeln über die Frage: Habe ich mir etwas vorzuwerfen wegen meines Verhaltens ab 1933 oder ab Kriegsbeginn?" Warum denn das? (Ich habe vor vielen Jahren vertrauliche Mitteilungen über sein Wirken in der NS-Zeit erhalten, die ich nicht nachprüfen kann und daher für mich behalte, die aber die seltsame Frage verständlicher machen.)
 
 

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