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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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24.06.2006
 

Wahrig – unbrauchbar
Das neue Wörterbuch ignoriert die Vorgaben der KMK

Da Lehrer für Korrekturzwecke wissen müssen, welche Schreibweisen in der amtlich festgesetzten Übergangszeit noch toleriert werden, ist der Wahrig von vornherein untauglich, denn er verzeichnet nur die Schreibweisen von 1991, unterdrückt aber sämtliche bisher geltenden Reformschreibweisen.
Das gilt in verschärftem Maße, wenn zutrifft, daß in der Übergangszeit nur die altreformierten Schreibungen von 1996 und 2004 noch toleriert werden sollen (wie dpa am 22..6.2006 meldete), d. h. für die nichtreformierten Schreibweisen die Toleranz am 1.8.2006 endgültig vorbei ist. Zwar haben die Reformer darauf geachtet, daß in der revidierten Fassung von 2006 die Reformschreibweisen nicht beseitigt, sondern hauptsächlich durch Varianten ergänzt werden, aber das ist nicht immer der Fall. So ist zum Beispiel die Reformschreibung Pleite gehen jetzt unzulässig und war es vor der Reform erst recht, da sie grammatisch falsch ist. Im Wahrig ist sie nicht mehr enthalten, an den Schulen muß sie aber toleriert werden. Leider gibt es keine Übersicht über solche Fälle. Man darf gespannt sein, wie der Duden mit diesem Problem umgeht.




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Kommentare zu »Wahrig – unbrauchbar«
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Kommentar von N.N., verfaßt am 24.06.2006 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4412

Falls es von Interesse ist: Bei Real habe ich heute ein No-Name-Wörterbuch für 5 € gesehen, das laut Aufkleber die im März beschossenen Regeln beinhalten soll. Leider habe ich mir den Namen nicht gemerkt, nur, daß es von einem Münchener Verlag kommt. Auszeichnungen, was wann wie gültig ist, waren nicht vorhanden.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 24.06.2006 um 18.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4415

Als ob es um Inhalte ginge.
Es reicht, wenn "aktuell" draufsteht. Was drin ist, interessiert nicht. So funktioniert alles auf dieser Welt.
Den Lehrern wird es herzlich egal sein, was Zehetmair durchgedrückt hat. Ich befürchte, daß die meisten nicht verstehen, worum es überhaupt geht. Etikett genügt. Inhalt sch...egal.
(Diese Erfahrung muß ich leider machen, wenn ich mir die Konkurrenz unseres Verlags anschaue: pädagogisches Modegeklingel ist alles. Das Niveau sinkt hörbar. Was vor 15 Jahren Empörung geweckt hätte, holt heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Man kauft eben - oder besser: man shoppt zu seinem Vergnügen -, was "in" ist. Nachher landen unbrauchbare Bücher im Regal, und das sind 90%. So kauft sich ein Lehrer halt durch die Jahrzehnte. Inhalte sind sekundär. Nie war die Verpackung so wichtig wie heute. Wahrig mag deshalb ruhig auf dieser Masche reiten. Es wird ihm nicht schaden.)
 
 

Kommentar von borella ;-(, verfaßt am 24.06.2006 um 22.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4416

"Die vom Rat erarbeiteten Vorschläge orientieren sich am Sprach- und Schreibgebrauch, ..." das behauptet Hr. Zehetmair in seinem Vorwort.
Und Wahrig selbst schreibt in der Werbung: "So ist sichergestellt, dass das Wörterbuch genau die Wörter und Schreibweisen enthält, die in der deutschen Schriftsprache heute Anwendung finden."

Wenn ich nun höre, daß es plötzlich mehrere hundert bis dato in der genannten Anwendung völlig ungebräuchliche Zusammenschreibungen neu gibt (Faden: Nun lernt mal schön!), drängt sich schon der Verdacht auf, ob man sich hier nicht ein weiters Mal ohne Not von der Sinnrichtigkeit entfernt, die Sinnrichtigkeit also irgend welchen frei erfundenen Formalkriterien unterordnet.

Jedenfalls steht die behauptete Deskriptivität in totalem Widerspruch zu solchen Neuerfindungen. Mich wundert, daß Wahrig es notwendig findet, seine Kunden mit solchen Lügengebilden zu ködern und dabei zu hoffen, daß es hinterher schon niemand merken wird ...
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.06.2006 um 00.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4417

Interessant wird es erst, wenn die für den Schulgebrauch zugelassenen Rechtschreibwörterbücher sich widersprechen und die Schüler sich darauf berufen. Solche Widersprüche dürfen nicht als Fehler gewertet werden. Eviva el caos!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2006 um 07.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4418

Je mehr ich mich mit dem Wahrig beschäftige, desto deutlicher wird mir, daß das eigentlich Umwerfende die vielen hundert neuen Zusammenschreibungen sind, die nicht nur den Grundsatz der Altrefomer auf den Kopf stellen, sondern auch über den früheren Stand hinausgehen.

Bei der Auslegung der einschlägigen Regeln, die ja sehr unklar sind, spielte offenbar die knappe "Handreichung" eine wichtige Rolle. Sie ist erst während der Arbeit am Wörterverzeichnis und parallel dazu an den neuen Wörterbüchern von der selbsternannten Wörterbuchgruppe (Duden, Wahrig, ÖWB, mit Eisenberg als Berater und natürlich Güthert) verfaßt worden, hat zwar keine amtliche Geltung, wird aber als verbindlich betrachtet. Darin steht nicht nur jene Geschichte von den Subjekts- und Objektsprädikativen, die im amtlichen Regelwerk keine Grundlage hat, sondern auch ein arg verklausulierter Passus über Präfix- und Partikelverben, der die unvorhersehbaren Einzelfallentscheidungen zu Verben mit wieder- und manches andere halbwegs erklärt. Ich empfehle die nochmalige Lektüre dieses Hintergundtextes. Rechtschreibung wird durch solche inoffiziellen Ausführungsbestimmungen endgültig zu einer Geheimwissenschaft. Der Rest ist Nachschlagen.

Die blau hervorgehobenen Neuschreibungen im neuen Wahrig sind übrigens oft gar keine. Zum Beispiel stand die Variante Risi-Pisi schon im alten Duden, und auch das ÖWB sieht darin keine Neuerung. Man sollte meinen, daß derjenige, der den Blaudruck anbrachte, wenigstens den alten Duden neben dem PC liegen hatte. Das Nebeneinander von raffiniertester Auslegungskunst und Schlamperei war schon immer ein Kennzeichen der Reform.
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 25.06.2006 um 12.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4421

Herr Ickler: Je mehr ich mich mit dem Wahrig beschäftige, desto deutlicher wird mir, daß das eigentlich Umwerfende die vielen hundert neuen Zusammenschreibungen sind, die nicht nur den Grundsatz der Altrefomer auf den Kopf stellen, sondern auch über den früheren Stand hinausgehen.

So ist es! Es ist wie ein Pendel, das zunächst weit auf die eine Seite ausgeschlagen hat, nun aber relativ weit auf die andere ausschlägt. Ich glaube, ehrlich gesagt, nicht, daß sich eine so weitgehende Zusammenschreibung in der schulischen Praxis durchsetzen wird. Es wurden jüngst viele Zusammenschreibungen neugeschaffen, die nicht gewachsen sind, die also nicht dem Schreibgebrauch der Menschen entsprechen. Abgesehen davon, neigen (vor allem rechtschreibschwache) Schüler eher zu einer übertriebenen Getrenntschreibung: ein schalten, aus schalten, auf zu fassen, herein kommen, fort laufen, zusammen passen, weg ziehen ...

Ich bin aber mal gespannt, wie die Neuerungen insgesamt in der Schule aufgenommen werden. Vermutlich wird die Tragweite der vielen neuen Zusammenschreibungen von vielen Lehrern erst im Laufe der Zeit erkannt, und die meisten werden wohl auch nach den Sommerferien brav die 96er Regelung unterrichten. Die Bücher entsprechen ja ohnehin noch diesem Stand ...
 
 

Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 25.06.2006 um 15.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4422

Was ist nun eigentlich, wenn ein besonders ehrgeiziger Schüler die "Rechtschreibung" des Wahrig befolgt und "Spätgebährende" schreibt? Bekommt er dann einen Fehler angestrichen, oder bekommt er einen Fehler im umgekehrten Falle, d.h. wenn er korrekt schreibt?
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 25.06.2006 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4424

Seien wir doch froh, daß diese Wörterbücher erstens sich selbst und zweitens Die Rechtschreibreform disqualifizieren.

Beziehungsweise zum Gespött der Leute machen.

So eine Hanswurstiade bricht der Reform am schnellsten das Genick und gibt all jene der totalen Lächerlichkeit preis, die ihr noch immer anhängen.

Rettung erreicht uns von unerwartet anderer Seite (siehe "Selbst schuld").
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 25.06.2006 um 16.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4425

Das traurig Wahrige ist, daß man heute den gröbsten Unfug machen und sich die dümmsten Peinlichkeiten erlauben kann, ohne größere Nachteile befürchten zu müssen. Wir leben im Zeitalter der kollektiven Verantwortungslosigkeit. Jeder bekommt eine "zweite Chance", und wenn's nötig ist, siehe Rechtschreibreform, bekommt man noch eine dritte, vierte, fünfte usw. Nach den Regeln von Ehre und Anstand müßten sich Politiker, Wörterbuchmacher, Zeitungsverleger, Journalisten und Lehrer für den Murks öffentlich entschuldigen, mit dem sie das Volk seit 10 Jahren ins orthographische Nirwana führen, aber statt dessen wurstelt die große Koalition der Sprachverhunzer unbedarft und unbehelligt weiter.
 
 

Kommentar von borella ;-(, verfaßt am 25.06.2006 um 21.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4430

Unlösbares Rätsel
99,9% aller Schreiber mit deutscher Muttersprache wissen, geleitet durch das Sprachgefühl, ob man im konkreten Schreibfall getrennt oder zusammen schreibt. Würde man Tests machen, käme man vermutlich auf eine äußerst geringe Varianz, die gefühlte Sinnrichtigkeit gibt den Ausschlag.
Warum man diesen Zustand mit Gewalt verändern will, das ist das große Rätsel. Zuerst verbot man übliche Zusammenschreibungen und nun möchte man unübliche Zusammenschreibungen vorschreiben.
Geht es eigentlich noch um Rechtschreibung, oder braucht man nur Begründungen, alle paar Jahre die Bücher neu drucken zu müssen, oder ist es noch etwas anderes...? Kennt sich da noch jemand aus?
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 26.06.2006 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4435

@Borella

Das traurige ist doch: 99,9% "wußten" es... bis die Reform kam. Heute -- nach dem Lesen zahlreicher NRS-Bücher -- kann ich mich leider nicht mehr zu den 99,9% zählen. Weder in Bezug auf die klassische Rechtschreibung, noch auf die NRS -- die Zahl meiner GZS-Fehler steigt.
Und irgendwann wird dieser Teil der Rechtschreibung so verwässert sein, daß man ihn als unregelbar freigeben muß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2006 um 10.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4436

Gemessen an den zahllosen Festlegungen des Duden von 1991 wußte praktisch niemand, was im Bereich der GZS richtig ist. Da man aber nicht einmal wußte, daß man es nicht wußte, war das unbedenklich. Schaeder hat selbst festgestellt, daß hier ständig Fehler gemacht wurden, ohne daß es jemand merkte. Was übrigens ein bezeichnendes Licht auf den "Fehler"-Begriff der Reform wirft.

Definiert man das Richtige als das Übliche (was sonst!), gab es keine nennenswerten Schwierigkeiten. Mein Wörterbuch beruht auf dieser Einsicht. Es befreit vom Normfetischismus, ohne die Texte zu verschlechtern.

Die Revision führt teilweise in die richtige Richtung, aber ist durch neue Haarspaltereien belastet. Noch immer ist nicht der Usus der Maßstab, sondern es sind neue, künstlich ersonnene Kriterien eingeführt worden, dazu höchst spezifische Einfälle eines einzigen Ratsmitgliedes.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 12.07.2006 um 22.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=536#4748

Bei der Financial Times Deutschland kann man an einem nicht ganz trivialen Rechtschreibquiz teilnehmen und eventuell einen Wahrig gewinnen:
http://www.ftd.de/politik/deutschland/89465.html
 
 

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