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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.12.2008
 

Bertelsmann übernimmt Brockhaus
Zukunftssicherung?

Was sich seit langem abzeichnete, ist nun Wirklichkeit: Brockhaus wird von Bertelsmann übernommen.
Der Direktvertrieb war ja schon verkauft. Wie lange kann sich der Dudenverlag noch halten, dessen Geschäftsbereich immer mehr ausfranst?



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Kommentare zu »Bertelsmann übernimmt Brockhaus«
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Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 17.12.2008 um 19.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13619

Der Dudenwahrig wird wohl noch eine Weile warten müssen.
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 17.12.2008 um 20.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13620

Ausfransung

Ach ja, der Dudenverlag. Warum soll man nicht auch schöne Sprüche und Ratgeber zum Telefonieren publizieren? Hauptsache, die "neue Rechtschreibung" wird angewandt und man liegt für Thalia und Habel und ähnliche Buchkaufhäuser richtig. Und was wäre gegen ein Scrabble-Wörterbuch einzuwenden?
Aber: Keine Häme, kein Angriff gegen die Dudenredaktion allein, die sich, wenn ich richtig sehe, alles in allem schon bemüht. Die Verkaufszahlen, die sie "bringen" muß, werden von anderen verantwortet, werden "vom Markt" verlangt. Der "Duden 1" hat sich wohl gut verkauft, aber das reicht nicht mehr, ein Werk wie das "Große Wörterbuch der deutschen Sprache" ist auf Eis gelegt, jetzt wird auf Teufel komm raus produziert – das Niveau wird weiter sinken, die Seriosität geht zu ihm, zum Teufel.
Das alles, scheint mir, ist ein Symptom für die Kalamität im Buchhandel, die Onlinepublikationen, die "Wikis", bestimmen das Feld, wohl oder wehe (im Journalismus gehts ähnlich zu). Es ist nichts Gutes zu erwarten. Auch nicht von Bertelsmann. Da steckt anscheinend (zur Zeit) mehr Geld, die Lexika werden (noch) online kostenlos angeboten.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 17.12.2008 um 23.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13622

Brockhaus bertelmannste sich zuzeiten, d.h seit mindestens zehn Jahren, ohne gegen den Großen auch nur die geringste Chance zu haben, denn die hätte in einem direkt entgegengesetzt konzipierten Verlagsprogramm bestande, aallgemeiner in einer andereren Attitüde überhaupt.. So hat sich Brockhaus also gewissermaßen jahrelang angebiedert. Nach der Übernahme wird Bertelsmann also nur wenig Adaptives zu vollziehen haben, um Brockhaus zu verdauen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 18.12.2008 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13623

Es wäre ja vielleicht kein Schaden, wenn ein finanzkräftiges Unternehmen den Dudenverlag aufkaufen würde. Ein solches Unternehmen könnte ja den Duden als Prestigeobjekt ansehen, bei dem man nicht auf jeden Pfennig schauen muß.

Der Duden, vor Jahr und Tag noch eine nationale Institution, ist doch im Soge des "shareholder value" völlig heruntergekommen. Kein "marketing gimmick" ist ihm jetzt zu billig, um wiedergekäutes Zeug gegen bares Geld unters Volk zu bringen. Er wirft sich zum obersten Richter über Rechtschreibung und Grammatik auf und schürt bewußt die Angst der Leute, sich rechtschreiblich oder sprachlich zu blamieren, um mit seinen Machwerken davon zu profitieren.

Sprachberatung kostet Geld, ein Nachschlagen im Duden im Internet kostet Geld - überall die verzweifelte Suche nach Einnahmequellen. Vor einiger Zeit konnte man ja noch kostenlos allerlei im Internet beim Duden nachschlagen, aber das war wohl nur ein Lockangebot, um später daraus Kapital zu schlagen. Ob diese Rechnung aufgeht? Im Zeitalter von Wikipedia? Hoffentlich nicht!

In meinem Duden von 1961 steht noch:

"Auskunft über rechtschreibliche, grammatische und stilistische Zweifelsfälle erteilt unentgeltlich die Sprachberatungsstelle der Dudenredaktion, Mannheim 1, Postfach 311, Friedrich-Karl-Str. 12."

Damals wußte die Dudenredaktion anscheinend solche Anfragen aus dem Volke noch als wertvolle Beiträge zu ihrer Wahrnehmung der deutschen Sprachwirklichkeit zu schätzen. Nicht einmal von Rückporto war die Rede!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2008 um 04.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13624

Die Rechtschreibreform muß bei einem Wörterbuchunternehmen wie Duden/Brockhaus/Langenscheidt/Meyer große Kosten verursacht haben, teils wegen fortlaufender Neubearbeitung aller Bücher, teils wegen der freiwillig-unfreiwilligen Werbung für die Reform und ihre Revisionen. Der vierfarbige Empfehlungsduden ist ein sichtbares Zeichen für das Debakel.
Unser alter Verdacht, daß die Reform auch den Zweck hatte, Duden zu erledigen, besteht weiter. Der Hergang 1995/1996 ist ja nur noch wenig bekannt, aber ich habe ihn nicht vergessen, erst recht nicht nach meinem Besuch bei Dudens im Jahre 1997.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 19.12.2008 um 03.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13632

"Unser alter Verdacht, daß die Reform auch den Zweck hatte, Duden zu erledigen, besteht weiter."

Gewiß war der Duden den Urvätern der RSR die zur Institution gemachte große Zielscheibe, weil er sich – ohne juristische Legitimation – erkühnte, dem Schreibvolk eine ewig gestrige Quasi-Staatsnorm einzureden.

Dann aber – als die Deformer staatliche Oberhand gewannen – hat der Duden füglichst wahrgenommen, daß petrifikative Haltung nicht unbedingt geschäftsördernd ist, und sich den Reformern entsprechend hingelegt.

Prostitution hat an recht verschiedenen Orten ihren Platz, wie immer dem Mammon nacheilend.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 23.12.2008 um 00.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13640

So ein kleines bißchen Verständnis für einen Dienstleister habe ich ja, Herr Achenbach. Seit 1961 sind die Zeiten schon anders geworden. Damals war die Schwelle sicher größer als heute, eine Anfrage an den Dudenverlag zu stellen. Das machte man nur in Fällen, in denen man die eigenen Recherchemöglichkeit ausgeschöpft hatte und wirklich nicht mehr weiterwußte. Zudem trauten sich vermutlich nur wenige, einen handschriftlichen Brief zu schicken. Schreibmaschinen hatte nicht jeder, das engte den Kreis weiter ein. Die Mehrzahl der damals per Brief eingetroffenen Fragen dürfte wohlformuliert und fachlich hochkarätig gewesen sein.

Das ist heute fundamental anders: Heute schreibt man schnell eine E-Mail, schickt sie ab und erwartet, daß zehn Minuten später eine Antwort im elektronischen Postkasten liegt. Wenn nicht, hakt mancher Ungeduldige bereits nach. Ich erlebe gelegentlich, daß man mich etwas per E-Mail fragt und aus dem Text klar hervorgeht, daß der Frager sich die Mühe der eigenen Recherche gespart hat, weil er mich als eine Art Antwortautomaten ansieht. In diesen Fällen macht die Antwort dann keine große Freude. Bei der Dudenredaktion ist zu erwarten, daß Nachschlageunwillige die Redaktion mit Anfragen eindecken und ihr die Zeit für ihre eigentliche Arbeit stehlen. Die eine oder andere Anfrage zwischendurch könnte die Redaktion durchaus beantworten, auch sind hochkarätige Anfragen sicher auch lexikographisch wertvoll. Die vermutlich große Zahl aber kann sie nicht bewältigen – und hier könnte eine Abzockernummer durchaus die Spreu vom Weizen trennen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2008 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13642

Die Darstellung von Herrn Gerdes kann ich bestätigen. Nachdem ich wegen der Rechtschreibreform etwas bekannt geworden war, erhielt ich (und erhalte bis heute) fast täglich orthographische Auskunftsersuchen. Sie sind fast immer von der Art, daß ich dem Anfragenden das bloße Nachschlagen in einem Rechtschreibwörterbuch abnehmen soll. Dazu kommen dann noch die offensichtlich im Hundert abgefeuerten Bitten von ausländischen Studenten um Betreuungszusagen. Wenn ich all dies beantworten wollte, wäre ich rund um die Uhr beschäftigt.
Bei dieser Gelegenheit: Mir ist nicht recht klar, wie weit ein amtliches oder dienstliches Schreiben per E-Mail als zugestellt gelten kann. Das betrifft insbesondere die gegebenenfalls einzuhaltenden Fristen. Weiß jemand etwas darüber?
 
 

Kommentar von Rob, verfaßt am 25.12.2008 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13649

Dienstliche Anschreiben per E-Mail werden aus juristischen Gründen – in vielen Behörden – nicht verschickt, da es viele "Hürden" zu überwinden gilt! Ausnahmen müssen ausdrücklich eine entsprechende Sondervereinbarung besitzen. (Zum Beispiel "Schreiben der Arbeitsagentur für Arbeit"!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2009 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13687

Eine sehr entlarvende Formulierung bringt der Buchreport vom 29.12.08:

"Granseyer setzt auf ein mehrstufiges Maßnahmenbündel. Im Mittelpunkt der Planungen steht die Marke Duden, die nach buchreport-Zahlen bei der Umsatzentwicklung in den letzten drei Jahren allerdings ebenfalls eingebüßt hat, auch weil das Konjunkturprogramm Rechtschreibreform ausgelaufen ist."

Fällt uns da nicht Hans Zehetmairs Aufruf zur "Marktberuhigung" ein? Und Karl Blümls Selbstbezichtigung, daß es gar nicht um die Reform selbst ging, sondern ums Wörterbuchgeschäft?
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 01.01.2009 um 20.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13688

Viel zu entlarven gibt es da doch eigentlich schon lange nicht mehr. Die Repräsentanten der Buchbranche haben ihre Unterstützung der Rechtschreibreform so gut wie nie damit begründet, daß diese von irgendwelchem qualitativen Vorteil wäre oder die versprochenen Erleichterungen brächte, sondern ganz offen damit, jedenfalls seit ihrer ersten Einführung, daß eine Rückkehr für die Verlage, insbesondere die Schulbuchverlage, mit finanziellen Einbußen verbunden wäre. Das wurde zwar auch nur so unreflektiert dahergebetet, ohne dagegenzurechnen, was die Durchsetzung der Reform gekostet hat und noch kosten würde, denn sonst wäre vermutlich der Stop der Reform in den 90er Jahren noch kaufmännisch sinnvoller gewesen als das Durchziehen, aber mit dem Spekulieren haben unsere Wirtschaftskapitäne in letzter Zeit ja wenig Glück gehabt. Das Inhaltliche der Reform jedenfalls war ihnen herzlich egal, auch wenn sie sich über deren Mängel völlig im klaren waren, dafür gibt es zahlreiche Äußerungen, etwa von Vertretern der Schulbuchverlage.

Schade, daß die Experten nie ausrechnen werden, wie teuer die Reform für das Verlagswesen tatsächlich gewesen ist und noch ist.
In einer Zeit, in der die Korrekturkosten für ein Buch oft schon doppelt so hoch waren wie die Kosten für den Neusatz, damals noch wegen schludriger Vorbereitung der Manuskripte und unzureichender orthographischer und redaktioneller Kompetenz der Autoren und Lektoren, hat die Rechtschreibreform zu weiteren Kostenerhöhungen und dennoch zu orthographisch minderwertigen Texten geführt. Das wird nicht mehr als Makel empfunden, so wenig wie in den Zeitungen. Die Rechtschreibung hat ihre Funktion als Qualitätsmerkmal für gute Texte eingebüßt, und viele Menschen scheinen darüber ganz froh zu sein.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.01.2009 um 08.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13689

Ohne meinem Freund Walter Lachenmann zu widersprechen: Bei der entlarvenden Formulierung "das Konjunkturprogramm Rechtschreibreform" geht es nicht darum, daß Schulbuch- und Wörterbuchverlage vermeinten, das Durchhalten der Reform sei finanziell für sie besser als der Abbruch der chaotischen Reform. Mit dieser Formulierung wird zugegeben, daß sie ursprünglich das Ziel hatten, mit der Reform ihr Geschäft anzukurbeln und ein paar Jahre lang einen Haufen Geld zu verdienen. Die durchgehend werbende Darstellung der Reform etwa durch den Duden-Mann Wermke zeigt sich in diesem Licht als plumper Versuch der Volksverdummung ("Ihr Eskimos braucht unbedingt unsere sehr nützlichen Kühlschränke").
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.01.2009 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13690

Daß die Deutschen vor der Reform einen schwachen Begriff von Rechtschreibung als Kulturgut hatten, ist ärgerlich, aber wohl kaum ihre eigene Schuld. Man betrachtete weithin Rechtschreibung als Ansammlung lästiger, bevormundender, spitzfindiger Regeln; daran war vor allem der Duden mit seinem autoritären Auftreten und den in der Tat bevormundenden und spitzfindigen Einzelfallfestlegungen schuld. Wenn überhaupt jemand, dann mußte die Duden-Redaktion wissen, daß es sich bei einer gewachsenen Rechtschreibung um ein wertvolles Kulturgut handelt, das gegen mutwillige Beschädigungen zu verteidigen ist. Diese Aufgabe hätte der Duden übernehmen müssen – Wermke und seine Mitarbeiter hätten sich konsequent den Reformgegnern anschließen müssen.

Welche eine unfaßbar erbärmliche Figur ist Matthias Wermke, wenn man ihn zum Beispiel mit den Mitarbeitern des Leningrader Wawilow-Instituts in der Zeit der deutschen Belagerung vergleicht! Zitate aus dem Greenpeace Magazin (5/1999):

[i]Die Schatzhüter

In St. Petersburg bewahrt das Wawilow-Institut einen der wichtigsten Genschätze der Erde. Die Mitarbeiter retteten ihre einzigartige Pflanzensammlung durch Kriege und Wirtschaftskrisen hindurch. Jetzt wird die Finanznot immer bedrohlicher.

...

900 Tage belagerte die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs Leningrad. Bald war das Pflanzeninstitut das einzige Haus, das bis unters Dach mit essbaren Erbsen, Bohnen, Nüssen, Kartoffeln und Getreide gefüllt war. Doch die Mitarbeiter verteidigten ihre unwiederbringliche Sammlung gegen die hungernden Menschen und wagten auch selbst nicht, die gut gefüllten Blechkästen anzutasten. Als die Temperatur im Winter 1941/42 auf minus 40 Grad fiel, sackte zuerst der Erdnussexperte Alexander Schtschukin an seinem Schreibtisch vor Hunger zusammen und starb. Kurz darauf verhungerte der Leiter der Reissammlung, Dmitri Iwanow. Während die kälteempfindliche Kartoffelsammlung gerettet wurde, starb noch ein weiteres halbes Dutzend Wissenschaftler an Auszehrung.[/i]

http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=4197
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2009 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13691

Ja, ich finde auch, daß der Begriff "Konjunkturprogramm" noch ein Stück über die bekannte Schadensvermeidung hinausgeht.

Was Herrn Wermke betrifft, so sollte man auch wieder nicht zu hart mit ihm ins Gericht gehen. Als Angestellter befolgt er die Weisungen der Verlagsleitung. Außerdem war in der entscheidenden Phase noch gar nicht dabei. Schwerer ist der Anteil von Günther Drosdowski zu beurteilen. Er war nicht-stimmberechtigtes Mitglied im Arbeitskreis und hat viel geschimpft, aber dann letzten Endes doch zugestimmt. Freilich war auch er nur ein Angestellter. Hätte er seinen Job aufgeben sollen? Mir fällt es schwer, solches Märtyrertum von anderen zu verlangen. Natürlich gibt es große Vorbilder an Opfermut, sogar bei Wörterbuchmachern (unter den Göttinger Sieben), aber da ging es um etwas anderes.
Mein Ärger über das nicht immer aufrichtige Verhalten der Dudenleute legt sich, wenn ich an das Desaster für das ganze Unternehmen denke, das sich Jahr um Jahr deutlicher abzeichnet. Der vierfarbige Duden signalisiert ja an sich schon den Untergang. Die Übernahme durch Bertelsmann hatte ich bereits vor etlichen Jahren vorausgesagt. Wenn man nun liest, was der Verlag im Bereich Abreißkalender, Nachhilfe und Kindergarten plant, als wenn das die Zukunft wäre, kommen einem fast die Tränen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.01.2009 um 12.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13692

Die Duden-Leute haben sich nicht anders verhalten als die Wawilow-Angestellten und ihren Dienst nach Vorschrift geleistet. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß Zuwiderhandlungen in Mannheim nicht mit standrechtlicher Erschießung geahndet worden wären.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.01.2009 um 13.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13693

Ich liebe Reinhard Markners glasharte Klarheit, aber diesmal geht sie mir zu weit. Der Unterschied besteht auch darin, daß die Wawilow-Leute angewiesen waren, nach wie vor dasselbe hohe Gut zu schützen. Die Duden-Leute waren innerhalb ihrer Firma angewiesen, das Gut, das sie bisher gepflegt hatten, zu verleugnen.

Wermke hätte sagen können: "Tut mir leid, ich bringe es nicht fertig, gegen mein Gewissen diesen Müll anzupreisen. Ich will unsere Kunden nicht verarschen. Könnte das bitte jemand anderes machen?" Ebenso hätten sich die anderen verhalten können. Sie hätten der Verlagsleitung deutlich machen können, daß der Duden langfristig viel bessere Aussichten hat, wenn er ehrlich auftritt. Ich bin kein Arbeitsrechtler, aber meiner Meinung wäre eine Kündigung aufgrund eines solchen Verhaltens nicht möglich bzw. nicht wirksam gewesen. Jeder Mitarbeiter der Dudenredaktion hätte sagen können, daß es ihm auch um das Wohl des eigenen Hauses gehe, nicht nur um seine Gewissensnöte.

So habe ich mich als Werbelektor verhalten. Ich habe von Anfang an gesagt: "Die Rechtschreibreform ist der letzte Schrott, wir alle werden jahrzehntelang mehr Probleme haben als zuvor, wenn sie durchkommt. Wenn ihr von mir neue Rechtschreibung haben wollt, kriegt ihr sie. Aber ihr werdet mich nie dazu bekommen, ein freundliches Wort über die Reform zu verlieren. Wundert euch nicht darüber, daß ich in meinen Kommentaren traditionell schreibe." Ich mußte nie um Aufträge betteln, nicht einmal für mich werben. Ich muß im Gegenteil immer wieder Geschäftsbeziehungen beenden, weil mir die Aufträge über den Kopf wachsen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 04.01.2009 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13696

Nachtrag zu Reinhard Markners Kommentar

Das Hinabsteigen einer Treppenstufe und der Sprung aus tausend Meter Höhe ist genau dasselbe. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß man im zweiten Fall anschließend tot ist.

Das Wort lediglich ist logisch gesehen okay, aber auch irreführend. Die Frage ist doch: Warum verhielten sich die Duden-Redakteure gewissenlos, obwohl sie nicht existentiell bedroht waren? Stimmt es, daß Wermke oder Scholze-Stubenrecht sich die Kündigung eingehandelt hätten, wenn sie sich geweigert hätten, die Öffentlichkeit zu täuschen? Kennt sich hier jemand im Arbeitsrecht aus?

Der Vollständigkeit halber noch einmal ausführlich: Es wäre möglich (und aus meiner Sicht absolut geboten) gewesen, zwar die reformierten Duden-Produkte anzupreisen ("besser als die Konkurrenz"), nicht jedoch die Reform. Man hätte die Öffentlichkeit von Anfang an darüber aufklären können, welche vielfältigen Probleme mit der Reform verbunden sind, welche Teile der Reform mit Sicherheit und welche wahrscheinlich früher oder später revidiert werden müssen. Man hätte auf den Störern korrekt "Für die Schule gültig" schreiben können statt etwa "Die neuen Regeln - Gültig für Deutschland etc. - Amtlich - Jetzt in Kraft - Verbindlich". Man hätte darauf verzichten können und müssen, die traditionellen Schreibungen als "frühere Schreibungen" zu stigmatisieren; man hätte die herkömmlichen Schreibungen ebenbürtig und würdig in den reformierten Werken darstellen können. Man hätte die Vorbehalte der Bevölkerung nicht lächerlich machen dürfen, sondern sagen können und müssen, daß sie berechtigt sind. Daß noch ein langwieriger Prozeß der Änderungen, der Auseinandersetzung, der Klärungen bevorsteht. Daß die Reform Nachteile hat, daß viele Änderungen unnötig und problematisch sind, daß die bisherigen Schreibungen oft besser sind. Und so weiter. Das alles hätte zwar den Kauf der aktuellen Produkte gebremst, jedoch dem Duden dauerhaft die überwältigende Marktführerschaft gesichert, es hätte ihm eine riesige Sympathie und fachliche Anerkennung eingebracht – das Fundament des dauerhaften geschäftlichen Erfolgs. Ehrlichkeit wäre zehnmal mehr wert gewesen als die zwanghafte, verlogene Werbung seit 1996. Diese Positionierung hätte auch die Arbeit der Duden-Redaktion selbst erleichtert. Man fühlt sich schließlich erheblich besser, wenn man eine sinnvolle Arbeit tun und die Selbstachtung wahren kann ("Ich will mit meiner Arbeit dazu beitragen, daß es möglichst gut wird"), anstatt als Zyniker, als willenloser Befehlsausführer einen verhaßten Dienst zu schieben ("Hauptsache, ich bin nicht verantwortlich für den ganzen Scheiß").
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 04.01.2009 um 08.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13698

Wrase: „Ehrlichkeit wäre zehnmal mehr wert gewesen als die zwanghafte, verlogene Werbung seit 1996.“
Bismarck: „Die Wahrheit kann nicht auf Dauer niedergelogen werden.“

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.01.2009 um 10.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13699

Gibt es eigentlich schon den "Deutschen Sprachverhunzerpreis"? Wenn nicht, schlage ich als Symbol die häßlichste Reform-Erfindung, das Dreifach-s, vor. Es wird Zeit, die wichtigsten Schurken und Schurkinnen an den Pranger zu stellen.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 04.01.2009 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13704

Lieber Germanist,

einen "Deutschen Sprachverhunzerpreis" gibt es noch nicht. (Was gäbe es da wohl als Preisgeld? Sämtliche Publikationen aus dem Hause Wahnschrieb?) Aber die "Deutsche Sprachwelt" hat immerhin ein Denkmal enthüllt, das die Namen aller, die an den Reformen und deren Durchsetzung so tatkräftig und hingebungsvoll beteiligt waren, verewigt.

Zu finden unter http://www.deutsche-sprachwelt.de/denkmal.shtml

Herr Eversberg hat hier zuerst darauf hingewiesen (925#10732). Ehre, wem Ehre gebührt.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 20.01.2009 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#13800

@Ickler
Hier der Brief von Günther Drosdowski an Sie:
In der Rechtschreibkommission und in den Arbeitsgruppen herrschten mafiaähnliche Zustände“

Brief des Leiters der Dudenredaktion an Theodor Ickler

Ein Jahr nach dem Tode des früheren Dudenchefs Günther Drosdowski scheint mir die Zeit gekommen, seinen handschriftlichen Brief an mich der Öffentlichkeit in voller Länge zugänglich zu machen. Es handelt sich meiner Ansicht nach um ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument, das für ein volles Verständnis der Rechtschreibreform unentbehrlich ist. Die Abschrift ist buchstabengetreu und vollständig.
Theodor Ickler, 12. März 2002

Mannheim, 10. November 1996

Lieber Herr Ickler,

entschuldigen Sie bitte, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen zu schreiben und mich für Ihre Post zu bedanken, aber mein 70. Geburtstag zwang mich, aus Mannheim zu flüchten.

Auf Zypern, der Insel der Aphrodite, hatte ich mich verkrochen, um Altersplissierungen zu mildern und meinen Gram über die Rechtschreibreform und das Gerangel um den neuen Duden zu vergessen. Ich bin zwar nicht schön wie Aphrodite dem Meer entstiegen, aber immerhin gut erholt und mit mehr Abstand zu den Dingen nach Mannheim zurückgekehrt.

Über die unselige Rechtschreibreform noch Worte zu verlieren lohnt sich aus meiner Sicht fast nicht, peinlich auch, daß die Schriftsteller jetzt erst aus ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht sind. Mir erlegten Anweisungen der Kultusministerien und die Verlagsräson auf, daß ich die Reform mit trage, aber es ist nicht meine Reform. Ich habe mich mit meinen Vorstellungen von einer vernünftigen Neuregelung nicht durchsetzen können, bin immer überstimmt worden – in der Rechtschreibkommission und in den Arbeitsgruppen herrschten mafiaähnliche Zustände. Einige Reformer hatten von der Verschriftung der Sprache und der Funktion der Rechtschreibung für die Sprachgemeinschaft keine Ahnung, von der Grammatik, ohne die es bei Regelungen der Orthographie nun einmal nicht geht, sowieso nicht. Sie mißbrauchten die Reform schamlos, um sich Ansehen im Fach und in der Öffentlichkeit zu verschaffen, Eitelkeiten zu befriedigen und mit orthographischen Publikationen Geld zu verdienen. Selten habe ich erlebt, daß Menschen sich so ungeniert ausziehen und ihre fachlichen und charakterlichen Defizite zur Schau stellen. Es ist schon ein Trauerspiel, daß die Sprachgemeinschaft jetzt ausbaden muß, was sich Zabel, Schaeder, Heller und andere ausgedacht haben.

Ich selbst habe natürlich auch den Duden mit der Bertelsmann-Rechtschreibung verglichen und stimme mit Ihnen weitestgehend überein. Auch wenn ich die "Duden-Brille" abnehme, bin ich fest davon überzeugt, daß die Dudenredaktion die Neuregelung besser umgesetzt hat. Daß sie nicht alles optimal gelöst hat, daran gibt es keinen Zweifel, liegt aber auch daran, daß einige Regelungen unglücklich oder sogar idiotisch sind. In der letzten Sitzung des Wissenschaftlichen Rates der Dudenredaktion habe ich veranlaßt, daß alle Vergleiche und Besprechungen kritisch ausgewertet und Verbesserungsmöglichkeiten bedacht werden. Wie Änderungen dann eingebracht werden, steht allerdings offen, schon jetzt bestürmen einige Reformer die Dudenredaktion, bloß keine Korrekturen vorzunehmen, sondern abzuwarten, was die internationale Kommission vom nächsten Jahr an tut.

Von dieser Kommission stehen uns ja sicherlich auch noch Burlesken ins Haus, ein Rüpelstück schon allein die Besetzung: Diejenigen, die ihre Spielwiese erhalten wollen, schließen diejenigen, die etwas von der Sache verstehen und Kritik üben, aus, und Kultusministerien drängen auf Quotenregelung! Wundert es Sie da, daß ich des Treibens müde bin?

Herzlich grüßt Sie

Ihr Günther Drosdowski
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2012 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#21602

Cornelsen bemüht sich bisher vergeblich, die Kinderbuchsparte von Duden weiterzuverkaufen, gerade hat Beltz abgewinkt.

Dazu fällt mir etwas anderes ein: In den siebziger Jahren gab es "Mein erster Brockhaus", ein Buch, mit dem unsere Töchter ihre ersten Jahre verbracht haben und von dem sie nie genug bekommen konnten. Keine der späteren Bearbeitungen kommt an dieses Meisterwerk heran. Das meinen auch die Leser, die sich z. B. hier äußern:

http://emilundiegrossenschwestern.blogspot.de/2012/01/mein-erster-brockhaus.html

Die Illustrationen sind von Kasseler Gebrauchsgraphikern angefertigt und meiner Ansicht nach unübertrefflich auf das Interesse und Fassungsvermögen von kleinen Kindern abgestimmt. Unser Exemplar hat drei "Generationen" (1974, 1988, 1992) ausgehalten, ist freilich nun arg zerlesen und auch mit Eigenprodukten (in Filzstift) verziert. Die Autoren wußten noch, daß der Wurm dem Fisch schmecken muß und nicht dem Angler. Heute sind Kinderbücher oft für das Auge und den begrenzten Geist der Erwachsenen gemacht, vielleicht auch für die Literaturkritik auf den Sonderseiten der Zeitungen. Das ist so ähnlich wie bei "Harry Potter", der stracks an den Maßstäben der professionellen Kritik vorbei mitten ins Herz der jungen Leser geschrieben wurde. Ich habe den "ersten Brockhaus" immer als ein Meisterwerk hochgehalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2013 um 08.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#23103

Kürzlich berichtete der Hessische Rundfunk über aggressive Bertelsmann-Werbung an Schulen. "Gutscheine" werden verteilt, anschließend Eltern in die Mangel genommen. Dazu folgender Link: www.verbraucherschutz-ev.org/aktuelles/inmediaone/
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 12.06.2013 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1085#23405

"Der Brockhaus hat ausgedient" steht bei uns in der Zeitung. "Bertelsmann gibt die Lexikonsparte auf. Zukunft der Marke 'Brockhaus' unklar."

www.haz.de/Nachrichten/Medien/Uebersicht/Der-Brockhaus-hat-ausgedient
 
 

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