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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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16.05.2007
 

Verbindlich
Bemerkungen zu Duden 9 (2007)

Duden 9: Richtiges und gutes Deutsch (6. Auflage 2007); bearbeitet von Peter Eisenberg, der im Vorwort schlicht als Autor angegeben wird.

dagewesen ist unterschlagen, es wird ausnahmslose Getrenntschreibung mit sein gelehrt.

Das Buch verwendet stets selbstständig, bei Weitem, ohne Weiteres usw.

Ausdrücklich als richtig bezeichnet werden – neben der wiedereingeführten Kleinschreibung – auch: du hast ganz Recht, Sie haben ja so Recht, du hast Recht daran getan.
Wie auch im Rechtschreibduden wird heute Früh als zulässige Variante angeführt; das amtliche Regelwerk weiß davon nichts.
Zu abendelang: "Getrennt und groß schreibt man, wenn Abende durch eine nähere Bestimmung als Substantiv zu erkennen ist: Er trieb sich mehrere Abende lang herum." Das ist zweifellos unzureichend, denn Abende wird auch dann groß geschrieben, wenn es nicht durch eine nähere Bestimmung als Substantiv zu erkennen ist: Abende lang (= mehrere Abende lang). Unter tagelang ist dieselbe Regel etwas anders formuliert, unter Jahr und Meter findet man gar nichts Entsprechendes.
Der Band enthält ein kurzes Kapitel über Political correctness, das sich recht zurückhaltend äußert, aber im Buch selbst werden dann die Gebote der Political correctness doch ziemlich deutlich weitergegeben, genau wie in den übrigen neuen Wörterbüchern.

"In manchen Zusammenhängen kann schon der Gebrauch von Jude und Jüdin einen antisemitischen Zungenschlag haben. Man kann einen derartigen Eindruck meist durch die Verwendung von Ausdrücken wie jüdische Menschen, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger usw. vermeiden."
"Ob der Begriff Rasse sinnvoll auf Menschen anwendbar ist, bleibt wissenschaftlich zumindest umstritten. Schon weil das Wort Rasse durch seinen Gebrauch im Nationalsozialismus schwer belastet ist, sollte es nicht verwendet werden, wenn z. B. auf Menschen unterschiedlicher Hautfarbe Bezug genommen wird."
Gegen schwul sei nichts mehr einzuwenden, weil die Homosexuellen das Wort als Selbstbezeichnung benutzen. Aber: "Der abwertende Gebrauch von schwul in Bezug auf Gegenstände oder Sachverhalte (etwa im Sinne von seltsam o. Ä.) ist diskrimierend und sollte generell, auch in der Umgangssprache, vermieden werden."
Das ist seltsam, denn wer oder was wird hier diskriminiert? Wie kann das Wort abwertend gebraucht werden, wenn es in bezug auf Personen angeblich nicht mehr abwertend ist? Das Kapitel über "Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache" lehrt auf sieben Seiten die schönsten sprachlichen Eiertänze.


Nachtrag:

Unter „Groß- und Kleinschreibung“ wird einerseits gelehrt: „In festen adverbialen Wendungen aus Präposition und nicht dekliniertem, artikellosem Adjektiv schreibt man dieses klein: Sie hielten durch dick und dünn zusammen (...)“, andererseits: „Ist in Wendungen mit fester Präposition eine Flexionsendung, aber kein Artikel vorhanden, dann kann die Form als Adjektiv oder als substantiviertes Adjektiv angesehen werden. Man kann groß- oder kleinschreiben: von Neuem / neuem (...)“. Die zweite Regel hebt die erste auf, der Widerspruch wird nicht thematisiert.

Zu diesen Jahres wird vermerkt, daß sich diese Form ausgebreitet habe. „Als standardsprachlich korrekt gilt jedoch vor allem bei konservativen Sprachpflegern nur Anfang dieses Jahres.“ Eine interessante Argumentation, weil sie zeigt, daß Standardsprache keine objektive Größe, sondern etwas von bestimmten Gruppen Imaginiertes ist. Die sonst überaus häufige Berufung auf das „standardsprachlich Korrekte“ müßte daher überdacht werden. (Zu den "konservativen Sprachpflegern" gehört bekanntlich Bastian Sick, völlig zu Recht, aber man sollte nicht vergessen, daß für ihn der Duden die Bibel ist!)

Neben dem reformierten deplatziert wird auch deplaciert anerkannt, mit französischer Aussprache (s). Das ist eine Errungenschaft des letzten Rechtschreibdudens, die anderen Wörterbücher und auch der neueste Wahrig wissen noch nichts davon.
Druckfehler: autochton (S. 1024)

Unter hoch bestätigt das Buch das Durcheinander, das schon im neuen Rechtschreibduden erkennbar war und eine Folge der Reform und ihrer Revision ist: hocherfreut darf nur zusammengeschrieben werden, hochbegabt auch getrennt (aber mit Dudenempfehlung für Zusammenschreibung), hochkompliziert ebenfalls auch getrennt (und so auch vom Duden empfohlen). Was dann für einige Dutzend weiterer Zusammensetzungen gilt, ist im einzelnen nicht vorhersehbar, und die entsprechenden Seiten im Duden sind daher besonders bunt geraten.

„Die Ausdrücke Mulatte / Mulattin (...) gelten mittlerweile (?) im öffentlichen Sprachgebrauch wegen ihres Ursprungs als abwertend und werden deshalb im Sinne der Political Correctness weitgehend vermieden. Die Wörter gehen über spanisch mulo zurück auf lateinisch mulus = Maultier; die Bezeichnung wurde also nach (heute als anstößig empfundenen) Vergleich mit dem Bastard aus Pferd und Esel gewählt.“
Die Etymologie ist in der Öffentlichkeit völlig unbekannt und kann daher nicht der Grund der Vermeidung sein. Vielmehr kann es nur um die Vermeidung aller rassischen Zuordnungen gehen. Das Wort Mulatte ist übrigens im allgemeinen Sprachgebrauch nur sehr selten anzutreffen.

„Die früher übliche Bezeichnung taubstumm sollte nicht mehr verwendet werden. Auf Wunsch der Betroffenenverbände ersetzt man sie durch gehörlos.“

Unter ehe steht die viel zu rigide Regel, daß ein nachstehender (temporaler) Bedingungssatz mit ehe nicht zusätzlich noch die Negation enthalten darf: Man darf die Wagentür nie öffnen, ehe man sich nicht umgesehen hat. Diese Konstruktion ist jedoch seit langem üblich und kann nicht logisierend kritisiert werden. Bei bevor und bis ist die Redaktion großzügiger.

Die Koordination von genusverschiedenen Nominalphrasen unter einer nur einmal gesetzten Präposition wird endlich nicht mehr beanstandet: vom Glanz und der Pracht des Festes (280).

Unter „Getrennt- oder Zusammenschreibung“ werden auch die adjektivischen Verbzusätze behandelt, deren Schreibweise bekanntlich im amtlichen Regelwerk alles andere als plausibel geregelt ist. Resultative Zusätze, heißt es, können getrennt oder zusammengeschrieben werden: leer trinken / leertrinken, blau streichen / blaustreichen, Nachtisch kalt stellen / kaltstellen, kaputt machen / kaputtmachen. Aber:
„Einige Verbindungen scheinen nur auf den ersten Blick in diese Gruppe zu gehören: Bei (...) warm laufen (es läuft nicht jemand den Motor, bis dieser warm ist), sich satt essen (man wird nicht von jemandem gegessen, bis man satt ist) (...) wäre die Zusammenschreibung nicht korrekt.“
Die Paraphrasen sind vollkommen willkürlich und beweisen nichts, was nicht auch von den zuerst angeführten Beispielen gelten würde. Warum sollte warm laufen überhaupt transitiv konstruiert werden? Der Motor selbst läuft, bis er warm ist; dieser Zustand ist das Resultat. Man ißt, bis man satt ist – was soll hier die passivische Paraphrase? Und umgekehrt: Man stellt doch nicht den Nachtisch, bis er kalt ist; man macht nicht etwas, bis es kaputt ist; man trinkt den Becher nicht, bis er leer ist.

Unter dem Stichwort „Prädikativ“ findet man das Beispiel Sie schrien sich heiser, und hier wird heiser ausdrücklich als „Resultat“-Angabe der Verbalhandlung bezeichnet. Der Fall ist genauso strukturiert wie sich satt essen.

Der Begriff des „Subjektsprädikativs“, den die Handreichung zur amtlichen Regelung angeführt hatte, wird nicht wiederaufgenommen.

Infolge der Revision seit 2004 kommt es in vielen Fällen dazu, daß zuerst die Getrenntschreibung zum Regelfall erklärt, gleich anschließend aber die Zusammenschreibung als ebenfalls möglich angegeben wird. Anders gesagt, weite Bereiche der Getrennt- und Zusammenschreibung sind wieder so offenwie vor der Reform; nur ein Wust von unplausiblen Begründungen ist hinzugekommen.


Noch ein Nachtrag: „Das einfache feind in Verbindung mit sein, bleiben und werden wird kleingeschrieben: jemandem Feind werden / sein / bleiben.“ Die Großschreibung ist offenbar ein Versehen, aber was bedeutet „das einfache“? Unter tod- usw. findet man tatsächlich nur Todfeind, nicht das im Rechtschreibduden wieder enthaltene todfeind. Das Werk drückt sich um eine Auskunft zu aberhundert usw. Hier ist ja infolge des Regelwerks sowohl von Duden wie von Wahrig die Großschreibung Aberhundert und Abertausend Blumen vorgesehen und empfohlen.

In leidtun vermutet Eisenberg immer noch das Substantiv Leid. Dabei weiß die Redaktion durchaus, daß es ein „altes Adjektiv“ leid gibt. Offenbar traut man sich nicht, das bessere grammatische und sprachhistorische Wissen gegen die falschen Behauptungen des amtlichen Regelwerks in Stellung zu bringen.

Das Substantiv Not soll groß geschrieben werden, was sich für in Not geraten von selbst versteht. Die Redaktion fügt kleinlaut an: „Getrennt und groß schreibt man ebenfalls: Dies wird Not sein. Hilfe ist Not. Liegt hier nun ebenfalls das Substantiv vor oder nicht?
Die reformierte Schreibung von mal/Mal wird voll ausbuchstabiert: darüber haben wir schon so viel Mal gesprochen. Auch die Beseitigung von jedesmal aus dem deutschen Wortschatz wird ausdrücklich bestätigt.

Bei den Ausführungen über das Partizip I wird wie schon im Regelwerk selbst und der anhängenden Literatur mit keinem Wort erwähnt, daß das erweiterte Partizip stilistisch markiert ist und normalerweise nicht prädikativ gebraucht wird. Die Redaktion stellt fest, daß die Verbindung von Substantiv und Partizip sich „generell nach dem zugrunde liegenden Verb“ richte. Demnach wäre die regelrechte Schreibung Aufsehen erregend, Laub tragend. Erst dann wird auch die Zusammenschreibung für zulässig erklärt und immerhin zugestanden, daß sie „oft sogar üblicher“ sei. Als erstes Beispiel dient ausgerechnet das Programm war aufsehenerregend. Hier ist die Getrenntschreibung aus grammatischen Gründen praktisch ausgeschlossen und nicht nur weniger üblich, wie der Leser nach den vorangehenden Ausführungen glauben muß. Die Reformer haben es seit 1996 nicht geschafft, dieses verunglückte Kapitel in Ordnung zu bringen.


Weitere Ergänzung: "Komposita mit nicht amtlichen Zusätzen" (usw.) - die Redaktion gibt stets den getrennt geschriebenen Fügungen nicht amtlich usw. den Vorzug, ohne Gespür für die stilistische Härte.

gehen lassen darf nur bei übertragener Bedeutung zusammengeschrieben werden. Eine solche liegt vor in Du sollst ihn gehenlassen (= in Ruhe lassen), aber nicht in Hefeteig muss man immer ausreichend gehen lassen. Aber geht denn der Hefeteig im buchstäblichen Sinn? An mehreren Stellen zeigt das Werk einen Ausweg aus der komplizierten Regel der Getrennt- und Zusammenschreibung mit adjektivischen Verbzusätzen:
„Wer sich an die Faustregel 'Außer bei übertragener Bedeutung immer getrennt schreiben“ hält, macht hier nichts falsch.“
Damit wird die ursprüngliche Reformregel „Im Zweifel getrennt“ einigermaßen gerettet – entgegen den Bemühungen des Rechtschreibrates, in diesem Bereich wieder zu realistischen Bestimmungen zurückzufinden. Der Dudenverlag hat ja schon bisher die Strategie befolgt, die Arbeit des Rechtschreibrates nach Möglichkeit zu unterlaufen.



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Kommentare zu »Verbindlich«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2016 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#33038

Aus einer Amazon-Rezension:

Ein Tipp noch für die Autoren, falls sie die Finger vom Griffel nicht lassen können: Die deutsche Rechtschreibung ist reformiert worden, und die neue Schreibung ist bereits seit geraumer Zeit verbindlich! Wo antiquiert geschrieben wird, ist antiquierte Denke nicht weit. (Rechtschreibfehler korrigiert)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2015 um 07.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#30235

Im Wörterverzeichnis auf der Website des Rechtschreibrates ist der Eintrag dagewesen bis heute nicht korrigiert. Duden (online) ignoriert ihn einfach. Was ist von einem 40köpfigen Rat nach so vielen Sitzungen zu halten, wenn er nicht einmal imstande ist, einen so einfachen Schnitzer auszubessern?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 24.08.2012 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#21305

Erst das 'Medienzeitalter' ermöglichte es, Standards zu setzen. Die Brüder Grimm (um 1838) setzen die ersten Schritte und später Duden (um 1900).
Zur Zeit Goethes (1765), meine ich, war die Leitlinie, ein Wort so zu schreiben, wie man es entweder gesehen hatte oder wie man es vermutete. Sollte es zu dieser Zeit irgendwo postulierte Schreibregeln gegeben haben, dann waren diese für die Mehrheit wohl tatsächlich Geheimwissen.
Zieht man hier Vergleiche, dann wäre das ungefähr so, wie wenn man die Bedienung einer Lokomotive von 1870 mit der einer heutigen vergleicht (also Äpfel mit Birnen).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.08.2012 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#21303

Sprache im Fluss

Unsere Sprache – und zweifellos nicht nur unsere – ist eine gewachsene Sprache, viele Schreibungen und Wendungen haben sich sprachgeschichtlich ergeben. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts folgt die Schreibung der meisten deutschen Wörter verbindlichen Regeln, was aber keineswegs immer der Fall war. Es gab zwar schon in früheren Zeiten durchaus Bemühungen, sich auf einheitliche orthografische Normen zu einigen, geglückt ist dies allerdings in früheren Jahrhunderten nie. Meist richtete man sich nach regionalen Schreibgewohnheiten oder nach Traditionen, die sich in Schreibstuben und amtlichen Kanzleien ergeben hatten, und oft war eine beachtliche Vielfalt von Schreibungen zu beobachten. Wie anders noch vor gar nicht allzu langer Zeit geschrieben wurde, zeigt ein Brief Goethes an seine Schwester vom 21.06.1765:

Liebe Schwester.
Damit du nicht glaubest ich habe dich unter den schwärmenden Freuden eines starck besuchten Bades gantz vergessen; so will ich dir, einige absonderliche Schicksaale die mir begegnet, in diesem Briefgen, zu wissen thun. Dencke nur wir haben allhier Schlangen, das häßliche Ungeziefer macht den Garten, hinter unserm Hause, gantz unsicher. Seit meinem Hierseyn, sind schon 4 erlegt worden. [...]

Man sieht: Unsere Sprache ist im Fluss und vielleicht wird ja in dreihundert Jahren ein Text in unserer aktuellen Rechtschreibung auch für Staunen sorgen.

(Duden Newsletter 24.8.12)



Nicht erst in dreihundert Jahren ...

Und: Ob "verbindlich" oder nicht – vor 1900 wurde schon ebenso geschrieben wie nach der II. Orthographischen Konferenz. Das Ganze ist wieder ein Versuch, die Rechtschreibreform unter "Sprachwandel" und damit Normalität zu subsumieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2007 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8977

Hier noch einige weitere Beobachtungen zum Duden Bd. 9:

Die Sprache der Anzeigen (S. 84) wird ausführlich kritisiert, nicht ohne eine gewisse Pedanterie. Nicht korrekt soll sein:
Die Geburt unserer Jennifer freuen sich anzuzeigen
- als Kontamination aus den beiden korrekten Fassungen
Die Geburt unserer Jennifer freuen wir uns anzuzeigen
Die Geburt ihrer Jennifer freuen sich anzuzeigen
.
Als korrekt wird tatsächlich die folgende, „geschlechtsneutrale“ Formulierung eines Stellenangebots vorgeschlagen:
Schweizer Verlag sucht zum 1. Oktober 2007 eine(n) Mitarbeiter(in), der/die ...
Der Anzeigentext
Babysitter sucht
F. Bayer, Berlin, Bachstr. 4

wird kritisiert, weil hier nicht klar sei, wer wen sucht. Das dürften die Zeitungsleser anders sehen.
Bei
Boten sucht
Intertrans-Spedition, Frankenthal

sei unklar, ob die Firma einen oder mehrere Boten sucht. Aber das kann dem Stellensuchenden egal sein.
Natürlich entgeht auch der allgegenwärtige Todesanzeigentext nicht der pedantischen Kritik:
Am 13.2.2007 starb mein geliebter Mann, Vater, Bruder, Onkel ...
- weil ja der Verblichene nicht Mann, Vater, Bruder usw. jeder einzelnen der unterzeichneten Personen gewesen sei.


„Kein Apostroph steht in der Regel bei (...) allgemein üblichen verkürzten Imperativformen: (...) bleib!, geh!, trink!, lass!“ (S. 91)
Aber hier ist gar nichts verkürzt, der Imperativ der starken Verben war schon immer endlungslos und hat erst später analog zu den schwachen Verben manchmal ein e bekommen (Luther liebte es besonders in seinen späteren Schriften).
„In der 1. Person Singular des Präsens Indikativ ist die Endung -e im Allgemeinen fakultativ, es gibt lediglich stilistische Unterschiede (ich hole / ich hol) (...) In den Formen ohne -e muss kein Apostroph gesetzt werden: Ich find das schön.“
Hier sollte man aber deutlich sagen, daß die Kurzformen in der Schriftsprache nahezu ausgeschlossen sind. Ich mach Ihnen folgendes Angebot – Ich nehm Ihr Angebot an – Ich bewerb mich um diese Stelle wären zweifellos nicht korrekt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2007 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8768

Es lohnt sich, den Duden Band 9 in der Neubearbeitung einmal zur Hand zu nehmen - schon um sich zu überzeugen, daß die reformierte und revidierte GZS nicht mehr zu beherrschen ist.

Die erwähnte „Faustregel“ ist an anderer Stelle so formuliert:

„Wer Verbindungen aus Adjektiv oder Partizip + Verb außer bei neuer Gesamtbedeutung getrennt schreibt, macht nichts falsch. Bei Zweifeln, ob eine neue Gesamtbedeutung anzusetzen ist, schlägt man nach.“ (S. 389)

Das ist kurios, denn das Urteil darüber, ob eine neue Gesamtbedeutung („übertragene Bedeutung“) vorliegt, ist ureigenste Sache des Sprechers, der doch im allgemeinen weiß, was er meint, und kann nicht an Nachschlagewerke delegiert werden.

Ist das Adjektiv selbst schon abgeleitet oder zusammengesetzt, soll auf jeden Fall getrennt geschrieben werden (ebd.). Demnach wären fertigstellen und heiligsprechen getrennt zu schreiben, denn die Adjektive sind abgeleitet. Die revidierte Fassung schließt das jedoch aus, es ist obligatorisch zusammenzuschreiben.

Man sehe sich auch die unterschiedlichen Begründungen an, die zu den einzelnen Fällen gegeben werden.

Nimmt man dieses Buch und dazu den Anhang zu den Empfehlungen des Rates, die Eisenberg/Tangermannsche Senats-Broschüre, Eisenbergs Vorlagen für die Deutsche Akademie usw. zusammen, so stellt man ein konzeptionsloses Herumtappen auf unvertrautem Gelände fest. Irgendwie setzt sich die frühere Schreibweise wieder durch, aber die Darstellung ist nicht besser als beim unseligen Herrn Schaeder anno 1996.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 30.05.2007 um 09.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8717

„Die früher übliche Bezeichnung taubstumm sollte nicht mehr verwendet werden. Auf Wunsch der Betroffenenverbände ersetzt man sie durch gehörlos.“
Ein Gehörloser muß nicht stumm sein. Gehörlos geht nur als Synonym von taub durch, und der einzige sinnvolle Grund, das eine durch das andere zu ersetzen, liegt für mich in einer sprachlichen Verwechslungsgefahr mit dem Friedensvogel.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.05.2007 um 14.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8643

"Neben dem reformierten deplatziert wird auch deplaciert anerkannt, mit französischer Aussprache (s)."

Da wird man im Café statt Glace wohl bald Glatze schlecken können.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 21.05.2007 um 19.22 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8620

Die Begründung des Duden für die Schreibung "mehrere Abende lang" ist unbeholfen und verquer. Daß "Abende" ein Substantiv ist, steht ja außer Frage und bedarf keiner Begründung. Allerdings ist die Zusammensetzung "abendelang" offenkundig eben kein Substantiv.
Der vermutlich zugrundeliegende Gedanke des Duden läßt sich besser wie folgt paraphrasieren:
Die unbestimmte Zahlenangabe "mehrere" muß sich auf ein Substantiv beziehen. Da "abendelang" kein Substantiv ist, kann man folglich nicht "mehrere abendelang", sondern nur "mehrere Abende lang" schreiben.
So ausgedrückt, erscheint mir die Begründung durchaus plausibel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2007 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8617

Hier noch eine Beobachtung zu Duden Band 9:
Die überraschende, im Regelwerk von 2006 eingeführte Zusammenschreibung von kommenlassen (Kupplung), spielenlassen (Muskeln), platzenlassen (Termine), sterbenlassen (Projekte), vermissenlassen (Feingefühl) usw. hat in dem vorliegenden Buch keine Spuren hinterlassen; man kann auch sagen: sie wird dem Benutzer vorenthalten. Wahrscheinlich erschien sie der Redaktion als gar zu abstrus.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 21.05.2007 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8613

Es gehört hier durchaus mit hinein, daß der große sozialrevolutionäre Vordenker Friedrich Engels die Logik von der Negation der Negation formuliert hat. Das Weizenkorn, so Engels, ist die Negation der Weizenpflanze, und seine eigene Negation wiederum ist die neue Pflanze, die daraus keimt.

Sieht man die Reformschreibung als die Negation einer vernünftigen Orthographie an, so läßt der Gedanke an die Negation der Negation viel Raum für Hoffnungen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 21.05.2007 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8609

Ich hab mal früher gelernt, daß in allen germanischen Sprachen in ihren natürlichen Dialekten, also nicht nur im Bairischen, die "doppelte Negation" eine verstärkte Negation ausdrückt. Nennen wir's also halt die Wiederholung der Negation, um von der mathematischen Logik wegzukommen. Aber halten wir auch fest, daß die "Sprecher des Bairischen und slawischer Sprachen [wenn] sie manchmal bewußt eine doppelte Negation [gebrauchen], die sich aufhebt", dieses ganz anders formulieren, mit anderem Ton, mit anderen Pausen, mit anderer Wortwahl, und somit nicht unklug evtl. Schwierigkeiten aus dem Wege gehen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.05.2007 um 01.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8607

Die bisherige Diskussion zur doppelten Verneinung kam über eine Begriffsbestimmung leider nicht hinaus. „Germanist“ stellte seinen Standpunkt in einem Satz dar, der es in sich hat, und den zu verstehen man erst eine dreifache Verneinung der doppelten Verneinung auflösen muß. (Das Wort "zuzutrauen" bedeutet ja hier Distanzierung, also auch eine Negation.) Nach mathematischer Logik gilt: ungerade Anzahl logischer Negationen ist negativ, also ist er gegen die doppelte Verneinung, die er hier (danke, Herr Schatte) im Sinne einer Verneinung mit mehreren Negationskennzeichen versteht.
Die spannende Frage ist aber eigentlich: Warum dagegen? Statt einer Begründung kommt eher ein Argument dafür: die Baiern und Slawen können's ja auch.

Sicher würde ich Herrn Ludwig zustimmen, wenn wir hier über Didaktik redeten. Aber darum geht es nicht, auch eigentlich nicht um die recht beliebige Kindersprache.

Also wie sagen die erwachsenen Baiern oder Chinesen:
I hob koa Gäid net. = Ich habe kein Geld.
Bei uns hod no nia koana koa Gäid net kabd. = Bei uns hat noch nie einer Geld gehabt.
koana net -> keiner nicht -> niemand, keiner (2, 3, 4 Negationen -> 1 Negation)
mo4 bu4 -> keiner nicht -> jeder, alle
mo4 fei1 -> nicht nicht -> kann sein, ist möglich (2 Negationen -> keine Negation)
Im Chinesischen hebt sich doppelte Negation (wie bisher im Hochdeutschen) immer auf bzw. wird zur Verstärkung der positiven Aussage genutzt.

Eine Negation mit mehreren Negationskennzeichen folgt bestimmten Bedingungen.
I hob koa unguads Gfui ist auch in Bayern immer ein gutes Gefühl, und
I hob net koa Gäid ist nicht bairisch.
Die Sprecher des Bairischen und slawischer Sprachen haben es also bestimmt nicht leicht, denn ganz sicher brauchen auch sie manchmal bewußt eine doppelte Negation, die sich aufhebt.

Wie sonst hätte Karl Valentin jemals auf Bairisch erklären können, was für ein Brunnen ein Springbrunnen ist, "wenn er net springen würde". Etwa "gar keiner"?
"Nein! Gar keiner nicht, es wär halt dann ein Brunnen, der nicht springt." Oder ist etwa nur die logische doppelte Verneinung schuld daran, daß ausgerechnet dieser Dialog in Hochdeutsch geschrieben ist?

Na ja, wie auch immer, aber die Frage, ob man die Verneinung mit mehreren Negationskennzeichen auch im Hochdeutschen braucht bzw. schon in den Sprachstandard aufnehmen sollte, ist vielleicht noch etwas unklar.

 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 20.05.2007 um 22.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8605

Wenn in einem Satz die Anzahl der Verneinungen beliebig ist und sie sich nicht paarweise aufheben, möchte ich sie Mehrfachverneinungen nennen. Ludwig Thoma hat über seine bairische Sprache geschrieben: "Was verneint werden soll, kann gar nicht oft genug verneint werden."
 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 20.05.2007 um 18.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8602

Wenn also manche Burgruinen ganz glatte Mauern haben, dann wurden sie geschliffen und nicht geschleift wie sonst üblich.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.05.2007 um 21.32 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8600

Endlich decouvriert sich der Duden als "konservativer Sprachpfleger"!
Jedenfalls heißt es in der Dudensprachberatung in gewohnt apodiktischer Art:
"Heißt es Ende diesen oder dieses Jahres?
Standardsprachlich richtig ist Ende dieses Jahres."
In der Tat! Als treuer Bewahrer des Geistes von 1996 hat sich der Duden ja wirklich schon mehr als genug hervorgetan.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2007 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8599

Wie wenig plausibel die obligatorisch verfügte Zusammenschreibung von hocherfreut ist, zeigen unzählige Belege, z. B.. diese:

Hoch erfreut nahm er wenigstens diesen Gedanken wieder auf, setzte sich hin und schrieb eine Warnung vor dem Fließenlassen der Gedanken, die nicht gerade das war, was die Welt noch nicht gelesen hatte, zumindest aber Goethe wieder einmal bestätigte. (SZ 28.1.1995)

Über den großen Andrang im Palmengarten waren die Gastgeber hoch erfreut. (SZ 10.3.1995)

In der heutigen SZ sagt Gregor Gysi über die Rechtsanwälte der DDR: „Kein Einziger von uns saß in der Volkskammer.“
Die Großschreibung scheint den neuen Regeln zu entsprechen, ist aber unplausibel. Hieße es: ... die Rechtsanwälte der DDR. Kein einziger von ihnen ..., so wäre Kleinschreibung angebracht, weil man (zur Not) Rechtsanwälte ergänzen kann. Darauf kommt es aber nicht an, sondern auf das partitive Verhältnis. Nach der bisherigen Auslegung müßte man schreiben: der einzige von uns Rechtsanwälten, aber: der Einzige von uns.

Ebenfalls aus der heutigen SZ: Man muss nur mal an das Elend denken, dass in vielen Politikerfamilien herrscht. (SZ 19.5.07)

Und in der FAZ liest man folgendes:

„Ein verbindliches Rechtssystem, dass (sic!) zudem noch einsehbar und überprüfbar ist ...“ (Hervorhebung vom zitierenden Kardinal Schönborn in der FAZ vom 19.5.07) Der Kardinal selbst schreibt aber: Die Bordelle sollen sämtlich geschliffen werden. (ebd.)

Außerdem in derselben Ausgabe: [i]dass interessiert niemanden[/i] und mehrmals [i]am Freitag nachmittag[/i].
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 19.05.2007 um 12.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8598

Der Name "doppelte Verneinung" ist in der Logik sinnvoll.

In der Grammatik sollte er aber nur für eine solche -- im britischen Englisch beliebten -- stehen (Ich kann nicht sagen, ich sei nicht zufrieden).

In allen anderen Fällen sollte von (einfacher Negation mit) mehreren Negationskennzeichen die Rede sein (Nikt z nas mial nigdy niczego z tym wspólnego -- Niemand von uns hatte je etwas damit gemein). Solange in Fällen wie ihn das polnische Beispiel zeigt, von Mehrfachnegation und anderem Abstrusen die Rede ist, gerät die Grammatik unweigerlich in jedes Verständnis blockierende Benennungsabwegigkeiten.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 18.05.2007 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8597

Zum doppelten und dreifachen Negativ (#8596), der also eine Verstärkung der Negation beinhaltet und sonst nichts: Die mathematische Negation zur Darstellung von einem Postiven ist sprachlich ganz anders strukturiert, nämlich sowohl durch Betonung als auch durch Wortstellung: "Ich habe *nicht* gesagt, daß ich *kein* Geld mehr hätte." Das klingt doch ganz anders als "I ain't got no money no more." Wenn Karlchen sagt: "I didn't do no homework", dann sollte die Lehrerin nicht scheinheilig fragen: "Oh good. Show it to me." Das ist völlig falsche Sprachlehre! Da würde auch jeder Mathematiker bei uns zustimmen, nicht nur die slawischen.

 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 18.05.2007 um 18.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8596

Der archaisierenden Sprachrückbildung der Reformer ist es zuzutrauen, daß sie die Zurückdrängung der doppelten Verneinung durch den lat. Einfluß im 16. bis 18. Jh. wieder rückgängig machen möchten.
Das Mittelhochdeutsche hatte sie wie heute noch das Bairische und die slawischen Sprachen. Anscheinend haben slawischsprachige Mathematiker damit keine Probleme.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 18.05.2007 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8595

Eine weitere wenig drollige Blüte grassierender Umgangssprachlichkeit ist das immer häufiger auftretende ...meines Wissens nach....
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.05.2007 um 15.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8594

"Unter ehe steht die viel zu rigide Regel, daß ein nachstehender (temporaler) Bedingungssatz mit ehe nicht zusätzlich noch die Negation enthalten darf: Man darf die Wagentür nie öffnen, ehe man sich nicht umgesehen hat."

Da weiß wohl beim Duden keiner mehr, was der andere macht? Gerade eben (am 20.4.07) hieß es doch im Duden-Newsletter noch:

"Wenn diese Nebensätze dann von einem verneinten Hauptsatz abhängen, kann der durch bevor, bis oder ehe eingeleitete Nebensatz zur Not auch selbst noch verneint werden: „Die Forschungsabteilung rührt sich nicht, ehe die Unternehmensleitung den Vertrag nicht unter Dach und Fach hat.”"

Dieses Chaos beim Duden, mal so, mal so, ist natürlich bezeichnend. Aber mal grundsätzlich dazu:
Prof. Ickler schreibt, was "seit langem üblich [ist] ... kann nicht logisierend kritisiert werden". Das muß ich mir wohl merken, denn ich neige als Mathematiker auch etwas zum Logisieren. Mir ist zwar klar, daß in der Umgangssprache solche Sätze vorkommen, aber ich hätte die bisher immer als falsch oder als ein Versehen bezeichnet. Zumindest im Deutschen hob sich eine doppelte Verneinung doch bisher immer auf. Als Logiker fände ich es nicht schlecht, wenn es dabei bliebe ...


 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 18.05.2007 um 15.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8593

Falscher Freund: Die neue französische Rechtschreibung erlaubt die Zusammenschreibung (la soudure) einiger häufiger Zusammensetzungen wie z.B. weekend, portemonnaie, aber in der Wörterliste habe ich fauxami nicht gefunden. Aber daß sie beim Duden schon angekommen sein soll, ist unglaubwürdig. Einige PONS-Wörterbücher Französisch/Deutsch (Standard-, Pocket-, Universelles) werden jetzt "mit neuer und alter Rechtschreibung" angeboten. Beide sind ja weiter erlaubt.
 
 

Kommentar von Faux ami, verfaßt am 18.05.2007 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8592

Ist das ein deutsches Wort?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2007 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8591

Etwas überraschend finde ich, daß Duden nur noch "Fauxami" kennt, weiß auch nicht recht, aus welcher Regel die Zusammenschreibung sich herleitet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2007 um 09.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8590

Wie schon in der Kommentierung zum revidierten amtlichen Regelwerk nebst zugehöriger nichtamtlicher Handreichung gezeigt, treibt die Eisenberg-Gruppe einen enormen Aufwand an Rabulistik, um die Getrenntschreibung von "sich satt essen" oder die Ungleichbehandlung von "eislaufen" und "Maschine schreiben" herzuleiten, gelangt aber trotzdem nicht zum Ziel, denn die Begründungen sind falsch. Am Ende kommt es zu schlichter Setzuung: so und nicht anders wird geschrieben, basta! Im neuen Dudenband kann man das Voluntaristische deutlicher erkennen, das ist ein gewisses Verdienst. Klarer wird aber auch das Debakel der gesamten Reform. Die Ratsmitglieder, die aus finanziellen Gründen am Status quo interessiert sind (ganz massiv ist ja nun auch Eisenberg am Geschäft mit der Reform beteiligt), werden zu verhindern wissen, daß die Sache noch einmal in Bewegung gesetzt wird.
 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 18.05.2007 um 09.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8589

Muß man nicht "Schwarze Kassen" schreiben, weil die schwarzen Registrierkassen noch nicht offiziell verboten sind? Dank Siemens sind "Schwarze Kassen" ein fester Begriff geworden, der lexikalisiert gehört.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 18.05.2007 um 07.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8588

Die neue Rechtschreibung ist nicht intuitiv und daher unlernbar, das ist der wichtigste Grund dagegen. Der zweite Grund ist, daß sie, regelkonform angewendet, zu sinnfalschen Aussagen führen kann.
So viel zu Frau Ka., aber noch eine andere Frage:
Kann man mit Hilfe des Dudens feststellen, ob Beamtinnen zu den Beamten zählen? Weiters, was ist von der Schreibweise BeamtInnen aus Rechtschreibsicht zu halten? Und gilt eigentlich das Beamtendienstrecht auch für Beamtinnen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.05.2007 um 22.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8587

Zunächst einmal sollte man besagte Dame darauf hinweisen, daß sie ja selbst die „derzeit gültige" Rechtschreibung ignoriert.
 
 

Kommentar von Falk Borutta, verfaßt am 17.05.2007 um 21.36 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8586

Mir kommt das Zustandekommen der "Rechtschreibreform" etwa so vor, als hätten eine gute Anzahl von Köchen viele Jahre Zeit um ein neues Nationalgericht zu kreieren, das niemand bestellt hat.
Hintergrund dieser Aktion ist nur die Herausgabe neuer Kochbücher.
Um sich dann auf die Zutaten zu einigen, geht jeder Koch einen Kompromiss ein.
Was dabei heraus kommt ,ist einfach ungenießbar.
Doch alle machen gute Mine zu bösem Spiel und loben das fertige Gericht über alle Maßen.
Auf Kritik wird nur reagiert indem man sagt:" na gut, ich füge noch etwas Salz hinzu usw.
Keiner sagt das die Sache mißlungen ist und das Gericht ungenießbar wurde.


 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 17.05.2007 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8585

Zu #8584:
Liebe Frau K.,
Sie schreiben, es gäbe "keinen grund, die derzeit gültige rechtschreibung zu ignorieren", und dazu muß ich dann leider sagen, daß Sie in dieser Frage nicht hinreichend mitdenken. Die einzigen Gründe, die Sie zugunsten der reformierten Schreibung anführen, sind a. daß sie neu sei, b. daß sie gültig sei, und c. daß heute auch die Kinder sie in der Schule lernten. Als ob alles, was neu ist, auch gleich besser wäre. Als ob "gültig" für jeden so fraglos wäre, wie es das offenbar für Sie ist. Als ob alles, was regierungsverordnet in der Schule gelehrt wird, wirklich vernünftig wäre. (Was wurde nicht alles im Nazi-Deutschland und in der DDR in den Schulen gelehrt! Sagen Sie nicht gleich, das ließe sich nicht vergleichen. War Ihres Erachtens die Reform der Rechtschreibung für den deutschen Sprachbereich nötig? Haben Sie Wolfgang Denks *10 Jahre Rechtschreibreform — Überlegungen zu einer Kosten-Nutzen-Analyse* gelesen? Wer hat denn hier ideologisch verleitet dem deutschen Kulturraum Milliarden an Kosten verursacht, die uns nicht das geringste gebracht haben?) Auch Sie sollten spüren, daß z. B. Ihre persönliche Kleinschreibung zwar interessant ist, aber eben nicht einer aus guten Gründen anders schreibenden Bevölkerung aufgezwungen werden sollte. Auch Sie sollten sehen, daß zwar geschäftstüchtige Leute da geschäftstüchtig mit "gültig" und "verbindlich" und "jetzt richtig" und "neu" wirbeln ("Werbung", das wissen Sie ja, hat mit "wirbeln" zu tun!), daß aber jede dieser Bezeichnungen echt in Frage steht, wenn auch vielleicht nicht für Leute mit einem sehr engen Gesichtskreis; — aber die, die Präzision und Kürze vor allem anderen Pipapo beim schriftlichen Ausdruck suchen, weil sie dem Leser unnötige Raterei ersparen wollen, und die bei der öffentlichen Sache sachgerecht mitdenken, die sehen offenbar genügend Gründe, das zu ignorieren, was Sie da so geschäftig oder grüngehörnt einfach mitzumachen raten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Horst Ludwig


 
 

Kommentar von A. G., verfaßt am 17.05.2007 um 19.49 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8584

Eine Kundin, Werbegraphikerin, schrieb mir heute:

Hallo ...,

Der XXX (Titel) ist die eine sache - auf alt gemacht und daher auch glaubwürdig in der alten rechtschreibung.

Alle anderen werbemittel sind heutig und daher sollte die gültige rechtschreibung, die auch die kinder in der schule lernen, verwendet werden.

Man kann sich nicht auf ewig davor verschließen, es gibt keinen grund, die derzeit gültige rechtschreibung zu ignorieren.

Also daher gilt: XXX (Titel) alte, alles andere neue rechtschreibung

Schönen feiertag

...

N. B. -- Wer gescheite Gründe weiß, "die derzeit gültige rechtschreibung zu ignorieren", kann sie gerne an o. g. Mailadresse und mit der Anrede "Liebe Frau K.!" gründlich darlegen. Ich leite alles gerne weiter, will aber hier nicht die Mailadresse meiner Auftraggeberin preisgeben.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 17.05.2007 um 19.44 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8582

Es ist schon ein Kreuz, wenn die Regulatores meinen, Resultatives käme nur durch verursachte Prozesse zustande, d.h. durch mit "transitiven" Verben beschriebene.

"... und läuft und läuft und läuft ...".
Sicher, bis er sich warmgelaufen hat, dieser Motor.
Mancher ißt halt, bis er sich ... Naja.

Einen Dieb kann man z.B. kalt ("cool") stellen. Die Regulatores indessen sollte man umgehend kaltstellen wie jeden Nachtisch. Dieses "kalt" ist übrigens im Falle des Nachtisches keineswegs "resultativ", sondern eher qualitativ für den Ort, wo man ihn zum Zwecke hinstellt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2007 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8581

Ich hatte vergessen, den Titel meines Tagebucheintrages zu erklären: Auf dem Buch klebt eine Wapperl: "NEU Nach der verbindlichen Rechtschreibregelung". Das ist die übliche Täuschung des Verbrauchers. Wenn man nicht sagt, für wen die Neuregelung verbindlich ist, entsteht der Eindruck, jedermann müsse jetzt so schreiben (und den Duden kaufen). Wer ist bereit, etwas dagegen zu unternehmen?
 
 

Kommentar von SZ Online, verfaßt am 17.05.2007 um 18.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8580

Aktuelles Beispiel für richtiges und gutes Deutsch aus der Süddeutschen Online:
"Die Stadt Mannheim vermisst seinen berühmtesten Automobilerfinder im neuen Konzernnamen "Daimler AG"."

Die Stadt Mannheim ist bekanntlich auch die Heimat "seines berühmtesten" Rechtschreibwörterbuchverlags. Richtiges und gutes Deutsch vermisst dort leider niemand mehr.

http://www.sueddeutsche.de/,tt7m3/wirtschaft/artikel/678/114564/
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 17.05.2007 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8567

Wenn ich richtig informiert bin, wird das Wort "Jude" von den Juden als Selbstbezeichnung verwendet.

~~

Hier noch etwas im Zusammenhang mit dem fortwährenden Unsinn aus Mannheim:

"Er sagte: In Berlin rechnen alle mit baldigem Zusammenbruch. Ich nicht. Die Masse läßt sich alles einreden. Wenn man drei Monate lang alle Zeitungen zwingt zu behaupten, es habe keinen Weltkrieg gegeben, dann glaubt die Masse, es habe ihn wirklich nicht gegeben. Das ist längst meine Meinung."

(Victor Klemperer über den Volkskundler Adolf Spamer, 1934)
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 17.05.2007 um 00.25 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8561

Erneut ist f a s s u n g s l o s zur Kenntnis zu nehmen, daß gestandene G r a m m a t i k e r die Schreibung eines Wortes und somit auch seine Klassenzugehörigkeit von einer syntaktischen Nebensächlichkeit abhängig machen, d.h. davon, ob das gegebene "Wort" (gemeint: Nomen) attribuiert ist. Das müßte einem Grammatiker wahrlich gewaltig gegen den Strich gehen, auf diese Weise morphologische Zuordnungen zu drechseln. Eisenberg scheint hier mit sehr dünnem Wasser zu kochen. Darf man den Meister nun füglich auch fragen, ob in "ganze Abende lang" das Wörtchen "ganze" ihn auch Attribut i.e.S. oder vielleicht doch Quantifikator deucht. Und falls er zu differenzieren geruht, ist dann der Abend nach "ganz" auch ein souveräner Abend oder nur ein untertaner abend...?

"... der Leser kriegt kalten Schweiß in die Hände,
wie führt der Dichter das Ding wohl zu Ende."
 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 16.05.2007 um 23.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=841#8560

In der "Feuerzangenbowle" wird es in "denn ich bin eher dagewesen" als ein Wort gesprochen, mit Betonung nur auf "da". In einer heutigen Verfilmung müßte das wohl anders gesprochen werden: "da gewesen", mit Zusatzbetonung auf "gewesen".
 
 

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