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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.04.2005
 

Sogar die Notbremse versagt

DUDEN: Wörterbuch neue Rechtschreibung – Was Duden empfiehlt. Mannheim 2005.

Schon 1998 versuchte der Dudenverlag, die Talfahrt der deutsche Orthographie durch ein „Praxiswörterbuch“ zu bremsen, das nicht die unzumutbare Masse der reformbedingten Varianten enthielt, sondern für jedes Wort nur eine einzige Schreibweise. Der Verlag gab die paradoxe Parole aus: "Das Praxiswörterbuch ist als Grundlage für Hausorthographien gedacht, es garantiert auf diese Weise Einheitlichkeit." Dasselbe beansprucht nun das vorliegende Wörterbuch, weist aber noch deutlicher darauf hin, daß es für die Fehlerkorrektur in der Schule nicht geeignet ist, weil es eben noch viele andere Schreibweisen gibt, die ebenfalls als "korrekt" anerkannt werden müssen. Im übrigen aber: "'Was Duden empfiehlt' ist die Hausorthografie der Dudenredaktion, die allen Nutzerinnen und Nutzern das oft mühsame Erstellen einer eigenen Hausorthografie erspart." Auch damit ist der Rechtschreibform das Urteil gesprochen: sie hat die deutsche Einheitsorthographie zerstört, so daß wir auf Hausorthographien zurückgeworfen sind wie im 19. Jahrhundert.

In einigen Fällen sind unsinnige Trennmöglichkeiten weggelassen, aber es findet sich noch genug des Sinnlosen: ano-nym, Apos-tel, Apos-tat, as-pirieren (aber Re-spiration), Di-alog, Di-agramm, Di-as-pora (usw.), Epis-kopat (aber Epi-skop), Epis-tyl, Inte-resse, Mo-narchie, Nos-talgie, Sy-nopse.
Das Element mono- wird immer korrekt abgetrennt, nur nicht in Monoph-thong.
Die Vorzugstrennungen hie-rüber, hie-runter usw. setzen voraus, daß die "Nutzerinnen und Nutzer" die Bestandteile dieser deutschen Wörter nicht mehr erkennen.

Einzelne Buchstaben werden nicht mehr abgetrennt, E-ivissa wird ein Druckfehler sein.

Das grammatisch falsche Leid tun wird nicht mehr angeführt, das bisher übliche leid tun aber auch nicht, sondern nur die jüngst eingeführte Variante leidtun. Hingegen bleibt es beim ungrammatischen Recht haben (wie Recht du hast). Da ein Allerweltswort wie wiedererkennen fehlt, muß man annehmen, daß Duden die Getrenntschreibung empfiehlt. Daß sogenannt neuerdings wieder zusammengeschrieben werden darf, will die Dudenredaktion nicht zur Kenntnis nehmen. Bei Handvoll und ähnlichen alten Wörtern wird die skurrile amtliche Getrenntschreibung weiterhin als verbindlich angesehen. Wie in den Anfangszeiten der Reform sind zu unterscheiden: Blut saugend, aber blutstillend.
Feste Begriffe wie Erste Hilfe, Schwarzer Peter sind allesamt klein geschrieben, obwohl seit langen feststeht, daß die übliche Großschreibung angemessener ist und auch bald wiedereingeführt werden wird. Ebenso rückwärtsgewandt ist die vom Duden empfohlene Großschreibung aufs Beste, von Neuem usw.; von solchen Auswüchsen war man bereits im 19. Jahrhundert abgekommen.
Duden empfiehlt sehr oft die ungeschicktere von zwei neuerdings eröffneten Möglichkeiten: sich Hilfe suchend umschauen, sich Rat suchend an jemanden wenden usw. Manche Einträge wie weit sind äußerst wirr; es geht daraus zum Beispiel nicht hervor, warum man schreiben soll: der Fall ist weitgehend gelöst (was sicher richtig ist) und nicht weit gehend. Ähnlich verhält es sich mit wohl und seinen Zusammensetzungen.

Als dieses Wörterbuch erschien, schickte sich der "Rat für deutsche Rechtschreibung" gerade an, das ganze amtliche Regelwerk vom Kopf auf die Füße zu stellen. "Hausorthographien" sind dann vielleicht nicht mehr nötig, die vorliegende hat ohnehin wenig Einnehmendes.

Druckfehler sind selten, der erste findet sich allerdings gleich im Inhaltsverzeichnis (Benuztung).



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