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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.07.2006
 

Die Zwischenstaatliche Kommission
Nicht gedacht soll ihrer werden

Aus allen neuen Texten der Kultusministerien und ihrer Zuarbeiter wird die Erwähnung der Zwischenstatlichen Kommission getilgt. Das kann kein Zufall sein.
Dabei war sie ein wesentlicher Bestandteil der Gründungsurkunde und lange Zeit die Instanz, an die jeder Ratsuchende verwiesen wurde, ja geradezu das Zentralgestirn, um das alle Reformangelegenheiten kreisten. Schrieb man zum zehnten Male an Ministerialrat Krimm, teilte er einem zum zehnten Male die Anschrift der Kommission mit.
Die Verabschiedung geschah allerdings schon in der schnödesten Weise – ganz im Gegensatz zur feierlichen Einsetzung, bei der leibhaftige Minister aufgetreten waren. Den Mitgliedern wurde formlos mitgeteilt, sie könnten zu Hause bleiben. Das wurmte die Österreicher und Schweizer so sehr, daß sie einfach sitzenblieben, nun als Mitglieder des Rates, so daß die Absicht der KMK, durch einen Personalwechsel den Schein zu wahren und die Reform doch noch zu retten, sich zerschlug.



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Kommentare zu »Die Zwischenstaatliche Kommission«
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Kommentar von Das deutsche Volk, verfaßt am 07.07.2006 um 20.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4623

Er selbst nennt es "Versöhnung des deutschen Volkes mit seiner Rechtschreibung".

Nein, Herr Z., Exminister und Schreibschrat vor Wahrigs Gnaden, dies ist unsere Rechtschreibung nicht. Es ist Ihre Rechtschreibung.
 
 

Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 07.07.2006 um 16.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4617

Ich denke, die Rettung für die deutsche Sprache kann nur daher kommen, daß alle, die sie noch kennen und können, konsequent nach ihrem Sprachgefühl schreiben und sich von den neuen Wörterbüchern, die nur der Verwirrung desselben dienen, fernhalten.

Immerhin ist die Schreibung nach der "Semantik" ja bei der GZS wieder "erlaubt", und was die GKS betrifft, muß man sich da eben auch danach richten, was man nun jeweils sagen möchte (in der Hoffnung, noch verstanden zu werden). Bei den Grammatikfehlern werde ich nicht mitmachen, ganz gleich, was im neuen Duden steht (den ich mir auch nicht kaufen werde, da ich "Wichtigeres" zu tun habe).

Gestern war in einem anderen Strang hier eine "Handreichung" für Lehrer in Bayern herunterzuladen, wo diese Ärmsten der Armen darauf hingewiesen wurden, insbesondere das Nachschlagen in Wörterbüchern zu üben.
In meiner Schulzeit wurde geübt, die Sprache so weit zu beherrschen, daß man notfalls auch ohne Wörterbuch auskommt. Bei Prüfungen durften wir keine Wörterbücher benutzen. Ich halte es immer noch für wesentlich bequemer, meinen Wortschatz mit mir im Kopf herumzutragen, als ständig mit dem Duden unter dem Arm herumzulaufen.

Irgendwie erinnert das auch daran, daß man heutzutage das kleine Einmaleins nicht mehr zu beherrschen braucht, sondern statt dessen einen Taschenrechner mit in die Schule nehmen darf. Was soll nur aus den armen Schülern werden, wenn der Strom ausfällt, die Batterien leer sind oder der nächste Duden durch alle neuen Einträge a la "Erbsenzählerin" so schwer wird, daß man ihn nicht mehr herumtragen kann?
 
 

Kommentar von Noggel, verfaßt am 07.07.2006 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4613

Man muß ernsthaft befürchten, daß das Bemühen um die bewährte Rechtschreibung erfolglos bleibt. Es ist hierbei nicht die Eitelkeit mancher Politiker, die dem im Wege steht, sondern die pure Gleichgültigkeit der meisten Leute im deutschsprachigen Raum. Es interessiert sich einfach nur eine kleine Gruppe für eine gelungene Orthographie. Die große Mehrheit ist fest davon überzeugt, daß die deutsche Sprache ohnehin viel zu schwierig sei, um richtig schreiben zu können, und daß es Wichtigeres gebe. Argumente oder inhaltliche Überlegungen kümmern niemanden. Viele Menschen können alte und neue Rechtschreibung gar nicht unterscheiden.
Hinauslaufen wird es somit auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die eine schreibt bar jeder Vernunft drauflos und macht Fehler, ohne es zu merken. Die andere einigt sich durch mediale und persönliche Kommunikation auf ein halbwegs einheitliches Gebilde, in dem Unsinn in der GZS, der Groß-/ Kleinschreibung und der Interpunktion weitgehend abgetragen wurde und die S-Regel (um ein paar populäre Irrtümer erweitert) Neuschrieb folgt. Nimmt man dann noch den Mist der SMS-Kürzel und -Ausdrücke hinzu, sieht wohl jeder für eine sinnvolle und einheitliche deutsche Schriftsprache schwarz.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 07.07.2006 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4611

Hans-Hermann Hoppe
Jedem, der noch hofft, irgendein Mächtiger in unserem Lande werde dafür sorgen, daß das Zerstörungswerk namens Rechtschreibreform gestoppt wird, möchte ich eine Lektüre empfehlen.
Hans-Hermann Hoppe: Demokratie. Der Gott, der keiner ist. Edition Sonderwege bei Manuscriptum.
Ich war vor einiger Zeit in Berlin bei einem Vortrag Herrn Prof. Hoppes und von seiner persönlichen Ausstrahlung beeindruckt.

Der Fehler liegt nicht bei der Dummheit oder Geltungssucht der Politiker, Funktionäre oder Medienschaffenden, sondern er liegt im System, das es erlaubt, ja fördert, daß die verantwortungslose Seite menschlichen Handelns - die ja zweifellos in jedem von uns auch vorhanden ist – sich ungehemmt entfalten kann. Es ist keinem einzigen Politiker möglich, die Reformkutsche zu stoppen. Es liegt nicht in ihrem persönlichen Interesse. Und jeder, der es versucht, wird wahrscheinlich sein Amt verlieren. Das System hat sich festgezurrt.
Auch auf die träge, uninformierte und uninteressierte Masse darf man nicht hoffen. Sie folgt ihren Verführern, egal aus welcher Ecke sie stammen. Hauptsache, der Ball ist rund.

Und doch gibt es Hoffnung: die Sezession. Eine geistige und verantwortungsvoll handelnde Elite muß sich zusammenschließen. Veränderungen sind stets nur von wenigen angestoßen worden – siehe auch die Rechtschreibreform!

Was die sog. Rechtschreibreform betrifft, gibt es zwei Hoffnungen, auf die ich mich stütze: die erste ist, daß die Reformschreibung sich von innen her auflöst und zerstört, weil sie gegen die natürlich gewachsenen Sprachgesetze verstößt und somit auch gegen das in jedem Schreibenden vorhandene „Gefühl“ für richtig oder falsch.
Die zweite Hoffnung begründet sich auf den Widerstand derjenigen, die schließlich erkennen mußten, daß die Reform nur ein Vehikel zur Durchsetzung von Machtgelüsten und wirtschaftlichen Vorteilen mißbraucht worden ist und weiter mißbraucht wird. Jenen, die heute auf der Bühne stehen und Volkes Meinung mit ihrer Propaganda formen, ging es niemals um die Sprache selbst. Daher ist auch jedes inhaltliche Diskutieren folgenlos gewesen.

Unser Augenmerk muß sich jetzt auf die Zeit „danach“ richten: dieses Netzwerk kann die Zelle für einen Neubeginn sein!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2006 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4608

„Verantwortung ist das hohlste Wort im deutschen Staatsleben. Nie ist ein Schwerschuldiger, ein Staatsverbrecher zur Verantwortung gezogen worden. Alle Verantwortliche in Deutschland wissen, daß man sie niemals zur Verantwortung ziehen wird. Weichensteller und Blockwärter werden zur Verantwortung gezogen, - ein Minister, z. B. ein nachlässiger Eisenbahnminister, niemals. Die mathematische Formel hierfür lautet: Je höher das Gehalt, desto geringer die Verantwortung, und umgekehrt." (Eduard Engel: Menschen und Dinge. Leipzig 1929, S. 231f.)

Kein Minister ist für den Schaden zur Verantwortung gezogen worden, den er mit der Rechtschreibreform angerichtet hat. Zehetmair wurde nicht nur nicht zur Verantwortung gezogen, sondern man übertrug ihm Jahre später sogar noch den Vorsitz im Rechtschreibrat, wo er sein Zerstörungswerk fortsetzen kann. Er selbst nennt es "Versöhnung des deutschen Volkes mit seiner Rechtschreibung".
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 07.07.2006 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=546#4607

Später wird in der offiziellen Geschichtsschreibung auch vom Rechtschreibrat nicht mehr die Rede sein. Dann wird man die Reform als höhere Gewalt, vielleicht als Naturereignis, ansehen müssen. Oder auch als urplötzlich gewandelten Sprachgebrauch.

Napoléon Bonaparte:

Geschichte ist Lüge, auf die man sich geeinigt hat.

Bertolt Brecht:

Immer noch schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten.
Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge.
Aus der Welt geht der Schwächere
Und zurück bleibt die Lüge.
 
 

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