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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.06.2006
 

Zehetmair in Diensten von Bertelsmann
Der Konzern hat einen dicken Fisch an Land gezogen

Das Vorwort zum neuen Wahrig hat kein Geringerer als Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair selbst verfaßt. Ich versichere, daß der folgende Text eine wortgetreue Abschrift ist.

Am 1. August 2006 tritt die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung mit den vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagenen Änderungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in allen deutschsprachigen Teilen Europas in Kraft. Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der von der Kultusministerkonferenz in Abstimmung mit den staatlichen Stellen in der Schweiz und in Österreich im Dezember 2004 eingesetzt wurde, hat innerhalb eines Jahres in schwierigen und arbeitsintensiven Beratungen auf der Basis des Regelwerks 2004 Änderungsvorschläge in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion, Worttrennung und Groß- und Kleinschreibung erarbeitet, um evidente Unebenheiten in der bestehenden Reform zu glätten und wieder zu einer einheitlichen und verbindlichen Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum zu kommen. Die vom Rat erarbeiteten Vorschläge orientieren sich am Sprach- und Schreibgebrauch und bilden eine wichtige Voraussetzung dafür, die Lesenden und Schreibenden mit der Rechtschreibreform zu versöhnen.

Sprache ist ein hohes Gut. Sie ist die wichtigste Kommunikation des Menschen, um Kultur zu schaffen und zu leben. Sprache und Rechtschreibung haben eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung und kulturelle Leitfunktion. Das in den Schulen vermittelte Wissen muss über die Schule hinaus Bestand haben. Insofern darf es keine unterschiedlich verbindliche Schreibweise geben. Daher ist es eine primäre Aufgabe des Rats, dem renommierte Sprachwissenschaftler, Didaktiker und Praktiker aus dem gesamten deutschsprachigen Raum angehören, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung zu bewahren und das orthographische Regelwerk weiterzuentwickeln. Dies ist eine langfristige und behutsame Aufgabe. Gerade im Interesse der Schulen ist es notwendig, dass mit dem jetzt vorliegenden Regelwerk ein Status bei der Rechtschreibung erreicht wird, der Sicherheit und Verlässlichkeit bietet.

Ich beglückwünsche die WAHRIG-Redaktion, die eine konstruktive, wichtige und engagierte Rolle bei der Neufassung des Regelwerks im Rat für deutsche Rechtschreibung gespielt hat, sehr herzlich zur Neuausgabe von „Wahrig Die neue Rechtschreibung“. Neben Lernenden und Lehrenden bietet dieses Werk allen, die mit Sprache und Schrift zu tun haben, eine verlässliche Orientierungshilfe.

Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair
Staatminister a. D.
Vorsitzender des Rats für deutsche Rechtschreibung



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Kommentare zu »Zehetmair in Diensten von Bertelsmann«
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Kommentar von GL, verfaßt am 18.06.2006 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4347

Mittelland-Zeitung / 2. Juni 2006 / Hans Fahrländer

Am 1. August 2006 soll die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung mit den vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagenen Änderungen auch in der Schweiz in Kraft treten.

Die Nöte mit der Reform der deutschen Rechtschreibung sind noch nicht ausgestanden. Klar ist bloss: Besonders sinnlose Änderungen sollen rückgängig gemacht werden. Doch wer garantiert Verbindlichkeit?
1996 wurde, erstmals in der Geschichte, ein revidiertes Sprachregelwerk von oben diktiert, von den deutschen Kultusministern sozusagen politisch verordnet, und es ist, wie man weiss, nicht gut herausgekommen. Neben sinnvollen Anpassungen standen nicht nachvollziehbare Zurechtbiegungen - und überfällige Vereinfachungen fehlten. Trotzdem, es war nun mal so und auch Schweizer Schulen und Verwaltungen übernahmen auf Weisung der Erziehungsdirektorenkonferenz und der Bundeskanzlei die meisten Änderungen. Auf Distanz gingen grosse deutsche Zeitungsverlage und in der Schweiz die NZZ-Gruppe: Sie führten ihre eigenen «Hausorthografien» ein oder verweigerten sich der Reform zum Teil ganz.


Was hat man als Leser oder Leserin unter der Aussage "konstruktive Rolle der vorgeschlagenen Änderungen" zu verstehen und wie kann behauptet werden, diese würden gleichzeitig auch in der Schweiz in Kraft treten?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.06.2006 um 22.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4346

Die Behauptung des Herrn Zehetmair (Bertelsmann), "die vom Rat erarbeiteten Vorschläge orientieren sich am Sprach- und Schreibgebrauch" wird vom Duden nicht bestätigt. Bei "Orientierung am Schreibgebrauch" wäre die ganze Reform überflüssig gewesen. Aber mit dieser neuen Vorgabe kann die Worthülse "reformierte Rechtschreibung" inhaltlich auf den vorherigen Zustand zurückgedreht werden. Außer (riesigen) Spesen nichts gewesen.
 
 

Kommentar von borella ;-), verfaßt am 17.06.2006 um 21.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4345

Zehetmair spricht sich gegen unterschiedlich verbindliche Schreibweise aus.
Meint er damit, daß die GZS genauso verbindlich sein muß wie die s-Schreibung und die GKS genauso verbindlich wie die Volksetymologien?
Oder versucht er hier einseitig, die Verbindlichkeit der Reform über die Schulen hinaus auszudehnen?
Oder sind ihm die vielen Varianten, die jetzt eingeführt wurden, ein Dorn im Auge?
Was es auch sein mag, die Lösung bekommt der Leser vermutlich erst in der nächsten Auflage ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2006 um 18.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4343

Solche Texte entstehen, wenn aus dem jahrelangen Phrasendrusch gewisse Reste übriggebleiben und durcheinandergerührt werden. Das Versöhnungsgewäsch kennen wir ja schon, die Korrektur schwerer Fehler wird zum Glätten evidenter Unebenheiten, und der Gipfel ist die "behutsame Aufgabe" - eine Kombination, die noch nie über die Lippen eines menschlichen Wesens gekommen ist. Oder gebührt die Palme doch eher der erhebenden Aussage, die Sprache sei "die wichtigste Kommunikation des Menschen, um Kultur zu schaffen und zu leben"?
Wörterbuchredaktionen machen Wörterbücher, darunter die bescheidenste Form, das Rechtschreibwörterbuch. Warum muß ein Politiker sie dazu "beglückwünschen"? Das scheint mir doch recht unverhältnismäßig.
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 17.06.2006 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4342

Herr Zehetmair meint also, der neue Wahrig könne die "Lesenden und Schreibenden" mit der Rechtschreibreform versöhnen. Der Mann hat Nerven. Das ist so, als wenn man sich mit einem Stalker abfinden würde. Ein Wörterbuch, das Wortstrolche wie "Flussschifffahrt" und "Brennnessel" weiterhin ermuntert, ihr Unwesen zu treiben, ist dazu nicht imstande.
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 17.06.2006 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4341

Da kann man nur staunen, 2004 Änderungsvorschläge wurden erarbeitet. Dr. Zehetmair hat offenbar persönlich mitgezählt und sich die Weitergabe dieser Insiderinformation für das Wahrig Vorwort aufgespart ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2006 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=530#4340

Wenn Sie sich nach der Lektüre von Zehetmairs Galimathias lange genug die Augen gerieben haben, kann ich ja allmählich zur Sache selbst kommen. Also mit den Empfehlungen der Wahrig-Redaktion ist es nicht weit her. Sie sind sehr selten und haben gewöhnlich diese bescheidene Form:
"! In der Fügung der Runde Tisch (= der Verhandlungstisch) empfiehlt es sich, das Adjektiv rund großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben."
Übrigens scheint mir, daß die Zusammenschreibung von großschreiben aus den neugefaßten Regeln nicht mehr herleitbar ist. Es handelt sich ja nicht um einen Ergebniszusatz. Hat jemand eine andere Lösung?
Bei hängenlassen wird Getrenntschreibung bei konkreter Bedeutung empfohlen; als Beispiel wird angeführt die Ohren hängen lassen 'den Mut verlieren'. Aber gerade das ist doch übertragener Gebrauch!
Die Getrenntschreibung wird durch blaue Farbe als neu gekennzeichnet - gegenüber 1991! Daß sie zwischendurch zehn lange Jahre hindurch die einzig erlaubte war, geht aus der Wahrig-Markierungspraxis nicht hervor.
 
 

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