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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.03.2006
 

Ein Brief
Zum Abschied aus dem Rechtschreibrat

Den anderen Mitgliedern habe ich am 24.2.2006 folgenden Brief geschrieben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn man die amtliche Revision vom Jahre 2004 mit dem jetzt vorgelegten Kompromißpaket vergleicht, muß man leider sagen, daß das Ergebnis unserer Arbeit in keinem Verhältnis zum Aufwand steht. Der „A-bend“ und der „Malari-aerreger“ sind vom Tisch; dafür haben wir „pleitegehen“ anzubieten – aber sonst? Mit seiner Entschlossenheit, die Groß- und Kleinschreibung nur halb und die Laut-Buchstaben-Beziehung (mit Fremdwortschreibung, wie ursprünglich angekündigt) gar nicht mehr zu behandeln, fügt sich der Rat den Wünschen der KMK ebenso wie hinsichtlich der Terminplanung.

Die erste „Anhörung“ war mit ihren Selbstbegutachtungen gewiß eine Farce, und es ist folgerichtig, auf eine Wiederholung zu verzichten. Nicht hinzunehmen sind jedoch die beiden Anschreiben an die eingeladenen und dann wieder ausgeladenen Verbände. Im ersten heißt es beschwichtigend:
„Bereits jetzt dürfen wir Sie darauf hinweisen, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung auf seiner Februarsitzung über Vorschläge zum Bereich der Groß- und Kleinschreibung befinden wird. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Anpassungen, die sich aus den Änderungen im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung ergeben. Die Vorschläge zu diesem Bereich werden wir Ihnen zu gegebener Zeit mit der Bitte um kurzfristige Stellungnahme nachreichen.“
In Wirklichkeit umfaßte der Auftrag:
„(1) Schreibung des Anredepronomens du, (2) Schreibung fester Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv (z.B. gelbe/Gelbe Karte), (3) Schreibung von Einzelfällen insbesondere aus dem Überschneidungsbereich von Groß-Klein- und Getrennt-Zusammen-Schreibung (Pleite gehen, Recht haben), (4) Schreibungen im Randbereich (z.B. auf allen vieren (gehen)).“
Nur einer von vier Punkten berührt die Getrennt- und Zusammenschreibung, eigentlich sind nur drei Einzelfälle betroffen.
Die Ausladung derselben Verbände wird im zweiten Anschreiben so begründet:
„Zwei Punkte haben uns zu diesem Schritt bewogen: zum einen die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und zum anderen das klare Votum des Rats in diesem Bereich, der sich bei einer Gegenstimme für die Empfehlung ausgesprochen hat.“
Der Termindruck besteht nur im Drängen der KMK, und das Statut macht die Anhörungen nicht von Mehrheitsverhältnissen im Rat abhängig, sondern zielt im Gegenteil darauf ab, externe Kompetenz in das Verfahren einzubringen. Das beschönigende Gerede von den „Arrondierungen“ lasse ich auf sich beruhen. Beide Anschreiben sind nur auf Täuschung angelegt. Damit will ich nichts zu tun haben.
Der Vorsitzende hatte zunächst die Unabhängigkeit des Rates betont, was die Terminsetzung und Themenplanung betrifft. „Die klare und fachliche Verläßlichkeit sind ein höheres Ziel als das Datum 1. August,“ sagte er im Sommer 2005. Davon kann nun keine Rede mehr sein.
Kennen Sie das Wörterverzeichnis, das am kommenden Montag der KMK vorgelegt werden und die Antwort auf so viele offengelassene Fragen enthalten soll? Ich kenne es nicht, weiß also auch nicht, was ich über „Hand voll“, „jedes Mal“ usw. mitbeschlossen habe. Im März soll der neue Wahrig erscheinen. Schon vor zehn Jahren in Wien wurde die Absichtserklärung erst unterzeichnet, nachdem jemand die zögernden Politiker darauf hingewiesen hatte, daß „Bertelsmann schon gedruckt“ habe.
Wenn die Kultusminister die Empfehlungen des Rates für die Schulen verbindlich machen, wird es auf absehbare Zeit keine Korrekturen mehr geben; das hat auch die KMK-Präsidentin unmißverständlich klargemacht. Auf seiner Septembersitzung wird der Rat also nichts mehr zu besprechen haben. Er könnte sich sofort auflösen, denn er hat seine Schuldigkeit getan. Ich ziehe diese Folgerung schon jetzt.
Mit den besten Wünschen
Theodor Ickler



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