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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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01.06.2011
 

Dienstbar
Wem schadet eigentlich die herkömmliche Rechtschreibung?

Auf der Website von metaphorik.de wird von eingereichten Schriften schlicht verlangt:
"Für deutschsprachige Beiträge gilt die neue Rechtschreibung."
Man fragt sich, was in den Köpfen solcher Leute vorgeht. Die schlechte Qualität der "neuen Rechtschreibung" hat sich ja allgemein herumgesprochen. Trotzdem wird Unterwerfung unter die Wünsche der Kultusminister vorausgesetzt. Welchen Schaden würde es anrichten, wenn Aufsätze in der von manchen Verfassern gewünschten herkömmlichen Orthographie erschienen? Warum muß alles genau gleich aussehen wie die Vorgärten einer Reihenhaussiedlung? Schämen sich die Veranstalter denn gar nicht, sich freiwillig zum Büttel eines Haufens unfähiger Politiker zu machen?



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Kommentare zu »Dienstbar«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2021 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#47443

Friedrich Alexan: Im Schützengraben der Heimat. Editions meteor, Mannheim 2008 (Erstausgabe: Paris 1935).

Jetzt: Die Welt der kleinen Leute (von der Tochter herausgegeben und an Reformschreibung angepaßt „mit dem Ziel, die Lesbarkeit zu erleichtern“)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2021 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#47428

Rudolf Hermann Lotze: Medizinische Psychologie oder Physiologie der Seele. Leipzig 1852.

Dieses Werk des einst berühmten Philosophen ist elektronisch unter dem sinnlosen Titel „Medizinische Psychologie der Seele“ wiederveröffentlicht und anscheinend nach einer neueren Ausgabe orthographisch bearbeitet. Während das Original von 1852 gar kein ß hat, ist in der Neuausgabe lediglich daß durch dass ersetzt, aber Bewußtsein, muß, Abschluß usw. sind geblieben. Diese Fassung auch hier: www.projekt-gutenberg.org/lotze/medpsy/MedPsy28.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2019 um 08.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#42397

Die Abschaffung der durchaus verbreiteten Schreibweise Majonäse, die ja nur vermeintlich auf die Reform zurückging, ist wirklich ein tolles Stückchen. Bei Wikipedia liest man nun, geradezu komisch:

"Majonäse ist eine alte Schreibweise von Mayonnaise."

Natürlich muß auch die kindlich-vertraute Majo jetzt weichen. Das Ganze als Vereinfachung!

(Die Schwierigkeit bei Mayonnaise liegt bekanntlich im doppelten n.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2018 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#38143

Die Geiselnahme an den Schülern war der entscheidende Schachzug. Als die Rechtschreibreform hoch umstritten war und fast allgemein abgelehnt wurde, stellten die Zeitungen blitzartig um mit der Begründung, die Schulen schrieben schon nach den neuen Regeln. Danach stand die Kritik auf hoffnungslosem Posten. Der unvermeidliche innere Verfall der Neuschreibung sorgte zwar noch für kostspielige Revisionen, aber es ist ja üblich, schlechtem Geld gutes hinterherzuwerfen: „Ein Zurück kann es nicht geben.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2018 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#37593

Man hat bis zum Überdruß von der "normativen Kraft des Faktischen" geredet, aber es ist etwas dran. Die Formulierung "Man schreibt heute so: ..." löst im allgemeinen keine weiteren Fragen aus. Am wenigsten bei Lehrern, Sekretärinnen, Lektoren und Korrektoren. (Ausnahmen kennen und ehren wir...)

Es gibt auch eine faktische Kraft des Normativen. Schmachthagen und seinesgleichen folgern aus der Verpöntheit gewisser Ausdrucksweisen, daß sie nicht existieren. Für Sprachwissenschaftler ist dies der unangenehmere Teil: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1369

Eduard Engel (schon zitiert): "Was ich mir nicht erklären kann, seh ich als einen Fehler an."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2016 um 16.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#32939

Dazu gehören auch unzählige Mahnung aus der Wirtschaft, die ungefähr so lauten:

Rechtschreibfehler auf der Homepage, auf Produktflyern, in Newslettern oder anderen Schriftstücken wirken höchst unprofessionell. Einzig wenn Sie Ihre Rechtschreibung prüfen, können Sie diese Peinlichkeit verhindern. Dabei sind verschiedene Tools hilfreich.

Usw., dazu vielleicht noch ein Quiz. So sorgt die Wirtschaft dafür, daß die Reformschreibung lückenlos eingeführt wird. Dagegen kommt niemand an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2016 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#32778

Wie der zwanglose Zwang funktioniert, kann man am Deutschen Ärzteblatt studieren:

Rechtschreibung: Richtschnur Duden

Mit der Rechtschreibreform sollte eigentlich alles besser und einfacher werden. Dass dies nicht der Fall ist, ist inzwischen wohl nicht nur Lehrern, Schülern und Journalisten klar geworden. Dennoch konnte und wollte auch das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) sich den Neuerungen nicht verschließen. Und so wurde die Reform der deutschen Rechtschreibung vom 1. Januar 2000 an umgesetzt – allerdings mit einigen Ausnahmeregelungen.
Seit dem 1. August ist jetzt die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in überarbeiteter Form in Kraft getreten. Die Redaktion des Deutschen Ärzteblattes setzt diese „Reform der Reform“ mit Heft 37/2006 um. Das gilt auch für die Online-Redaktion, Deutsches Ärzteblatt für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PP), Praxis, das Reisemagazin, das Deutsche Ärzteblatt für Studieren.de und weitere redaktionelle Beilagen. Dabei soll es den Autoren und Lesern so leicht wie möglich gemacht werden. Deshalb richtet sich das DÄ künftig grundsätzlich nach den Empfehlungen des „Dudens – Die deutsche Rechtschreibung“.
In Zweifelsfällen bezog sich das Deutsche Ärzteblatt bisher auf die Empfehlungen des „Praxiswörterbuchs“. Da dies jedoch nicht wieder aufgelegt wurde, hat das DÄ beschlossen, sich an den von der Dudenredaktion gelb unterlegten Schreibempfehlungen zu orientieren. Bei der Zeichensetzung richtet sich die Redaktion nach der amtlichen Regelung, bei Schreibvarianten nach der bisherigen Auslegung. Für medizinische Fachausdrücke bleibt weiterhin der „Duden – Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke“ (7. Auflage) gültig.
Das Deutsche Ärzteblatt ist bisher bei den alten Trennregeln geblieben. Von Heft 37/2006 an wird die Redaktion nach den amtlichen Regeländerungen und den Interpretationen des Dudens (24. Auflage) verfahren. Bei Eigennamen orientiert sich das DÄ dann gleichfalls an der Auslegung der Duden-Redaktion, zum Beispiel Verdi statt ver.di.


Gisela Klinkhammer

(Deutsches Ärzteblatt 103/36, 2006)

Obwohl die Redaktion die Neuregelung für nicht gelungen hält, macht sie mit – ohne Begründung.

Dazu gab es zwei Leserbriefe, natürlich antwort- und folgenlos:

Traurig

Ich bin erschüttert von der Mitteilung, daß das DÄ beschlossen hat, die neue Rechtschreibung einzusetzen, und sich dabei auch noch obrigkeitshörig auf die „offizielle“ Neuregelung und die „amtlichen“ Regeländerungen beruft. Es ist traurig, daß Sie somit ohne Not einen bürokratischen und ideologischen Ungeist unterstützen und bei der Mißachtung der Sprache mitmachen. Maßgeblich sollte allein die lebendige Sprache selbst sein. Kein Amt kann, darf über die Sprache verfügen. Und fängt nicht vielleicht auch die Aufgabe des Heilberufs überhaupt, bestimmt aber die der Psychotherapie letztlich schon bei der Achtung der Sprache an? Warum sich nicht an den besten Schriftstellern und Sprachwissenschaftlern orientieren, und das heißt zur alten Rechtschreibung zurückkehren? Warum nicht Vernunft walten lassen, statt der zunehmenden Funktionalisierung und Technisierung Vorschub zu leisten? . . .
Dr. Wolfgang Giegerich, Kiebitzstraße 5, 82237 Wörthsee

Die Sprache leidet

„Im DÄ gelten weiterhin die neuen, nun veränderten Regeln. Wenn mehrere Varianten zulässig sind, richtet sich die Redaktion nach den Empfehlungen des Dudens (DÄ 36/2006: „Richtschnur Duden“ von Gisela Klinkhammer).“

Im oben genannten Beitrag geht das DÄ irrtümlich davon aus, die aktuelle Rechtschreibreform habe die Pflege der deutschen Sprache zum Ziel. Und daß die Redaktion sich den „Neuerungen“ nicht verschließen könne, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schlichtweg falsch. Am Anfang der Reform stand keineswegs der Wunsch der Kultusminister, die deutsche Sprache zu vereinfachen. Niemand hat hierzu die so genannte zwischenstaatliche Kommission beauftragt, sondern diese hat sich nach eigenen Aussagen selbst „den Auftrag geholt“, endlich ihre langgehegten Ziele verwirklichen zu können . . . Die Ablehnung der Reform durch den Deutschen Bundestag („Die Sprache gehört dem Volk“) wurde einfach ignoriert, wie auch die ablehnenden Haltungen bedeutender geisteswissenschaftlicher Akademien, vieler Schriftsteller (darunter zwei Nobelpreisträger) und der Forschungsgruppe Deutsche Sprache . . . Dabei sind die neuen Schreibregeln entgegen der ursprünglichen Absicht nicht einmal einfacher geworden. Stolz wird zwar verkündet, die Rechtschreibregeln seien von 212 auf 112 reduziert worden. Dafür sind aber 1 106 Ausnahmeregeln und 1 180 abweichend zu schreibende Worte zu beachten (H. Veith, Univ. Mainz). Die Unsicherheit wird noch größer durch die so genannten Varianten, die durch die Neuregelung der Reform inzwischen hinzugekommen sind. Danach sind nebeneinander Schreibweisen richtig wie das 8-Fache, das 8fache oder das Achtfache. Die größere Unsicherheit wird als größere Freiheit gepriesen. Wer braucht diese Freiheit? Unverständlich bleibt, daß nahezu alle Verlage (mit Ausnahme der FAZ und des Suhrkamp-Verlags) trotz besserer Einsicht und ohne juristische Notwendigkeit die neuen Rechtschreibregeln, welche die Gesellschaft verändern sollen, übernehmen . . . Nicht nur die Literatur, jede Wissenschaft ist von der Exaktheit und der Ausdruckskraft einer Sprache abhängig. Da hatte das Deutsche bisher manche Vorteile gegenüber anderen Sprachen. Man beachte nur, welche Schwierigkeiten es macht, manche Begriffe aus der Quantenphysik, der Psychiatrie oder Psychologie sinngemäß ins Englische zu übertragen. Ebenso ist im Deutschen eine Differentialdiagnose eben keine Differenzialdiagnose. Es handelt sich nämlich mitnichten um die Differenzierung einer einmal gestellten Diagnose, sondern um die Abwägung differenter Diagnosen, die zufällig in einzelnen Symptomen übereinstimmen, sonst aber nichts gemein haben . . . Die neue Rechtschreibung pervertiert die Sprachentwicklung vom Unmißverständlichen zum Mißverständlichen, vom Hochentwickelten zum Primitiven (Reiner Kunze), zum Schaden der gesamten geistigen Entwicklung in Deutschland (B. Rüthers). Dessen muß sich auch die Redaktion des DÄ bewußt sein.
Dr. med. Rolf Klimm, Bach 2, 83093 Bad Endorf


(Deutsches Ärzteblatt 103/47, November 2006)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2016 um 07.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#32557

Langenargen kann alles. Außer Schilder. Dem Gabler Wirtschaftslexikon zufolge sind Zolllandungsplätze „im Bundesanzeiger bekannt gegebene Plätze, an denen einfahrende Schiffe anlegen und von denen ausfahrende Schiffe ablegen dürfen. Die Schiffe dürfen auf Zollstraßen, also auf dem Wege zu oder von Zolllandungsplätzen, mit anderen Fahrzeugen oder dem Land nicht in Verbindung treten.“
Das gilt auch für Langenargen, zu sehen an der Mauer am Landungssteg des Hafens. Was für die Gemeinde beziehungsweise den Zoll am Ort offenbar aber nicht gilt, ist die Rechtschreibreform von 1996, seit der das Wort „Zolllandungsplatz“ mit drei l geschrieben wird. Sieht immer noch komisch aus, ist aber so.
(schwaebische.de 10.5.16)

So machen sich die Zeitungen freiwillig zum Büttel der Obrigkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2016 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#32103

„Die deutsche Rechtschreibung ist allerdings nur in zwei großen Domänen verbindlich: im gesamten Bildungs- und im behördlichen Bereich.“ (Paul Rössler in Gabriele Leupold/Eveline Passet, Hg.: Im Bergwerk der Sprache. Eine Geschichte des Deutschen in Episoden. Göttingen 2012:38)

Sie ist nur für die Schule verbindlich und kann anderswo dienstlich verordnet werden, aber das ist umstritten. Der Verfasser glaubt wahrscheinlich, sich auch als Universitätsprofessor daran halten zu müssen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2014 um 08.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#27108

Georg Simmel: Goethe. Paderborn (Antigonos) 2013
„Reproduktion des Originals in neuer Rechtschreibung.“
So verfährt der Verlag mit allen Nachdrucken, die er „Reproduktionen“ nennt, z. B. auch Rosa Luxemburgs Briefen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.03.2014 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#25379

Es bleibt richtig, daß die Schule von den Reformern als Hebel benutzt worden ist, um die ganze Bevölkerung mit der Neuregelung zu beglücken. Aber während in den Schulen eine gesunde Schlampigkeit und allgemeine Verwirrung den Zwang nicht allzu fühlbar werden läßt, herrscht er im sprachverarbeitenden Gewerbe, zum Beispiel in der gewerbsmäßigen Übersetzung, absolut und völlig fraglos. Darum kann Zehetmair auf der Website des Rechtschreibrates so auftreten, als sei der Rat selbstverständlich für die deutsche Orthographie und nicht für die deutsche Schulorthographie zuständig.
Das haben wahrscheinlich nicht einmal die Reformer vorausgesehen. In abgeschwächter Form kann man es an den Zeitungen beobachten. Eigentlich waren sie alle dagegen, aber mitgemacht haben sie doch. Sogar die Wiener Sprachblätter glaubten ja irgendwann fragen zu müssen: Wie lange wollen wir noch eigenbrötlerisch dem allgemeinen Brauch widerstehen? In den anderen, größeren Redaktionen, denen das Thema Sprache ziemlich egal ist, ließ man sich natürlich noch viel früher zum Nachgeben bewegen. Gerade die intelligenteren Blätter wie die FAZ kann man ja kaum noch lesen vor lauter Kopfschütteln über die dummen Neuschreibungen (heute Abend).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2013 um 17.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#22598

Andere haben eine bessere Lösung:

"Zitate müssen selbst bei orthographischen Besonderheiten oder merkwürdiger Interpunktion originalgetreu übernommen werden, man kann solche Feler (sic!) wie eben demonstriert aber kennzeichnen. Originalfehler in Zitaten dürfen daher nicht korrigiert werden, sondern sind durch einen Zusatz [!] oder [sic!] anzuzeigen - Ausnahme bei alter und neuer Rechtschreibung, die nicht gekennzeichnet werden muss."

(Arbeitsblätter von Werner Stangl)
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 10.02.2013 um 11.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#22596

Ihr Motiv ist zwar abscheulich und das Ergebnis scheußlich, dennoch ist die Anweisung pädagogisch wertvoll. Sie lehrt die Studenten, guter Orthographie generell mit Aufmerksamkeit zu begegnen und sie nicht einfach zu überlesen. Intelligentere Studenten merken vielleicht sogar, daß die Fehler, die zu markieren sie verpflichtet sind, in zwei Klassen zerfallen. Auf diese Weise bleibt die herkömmliche Rechtschreibung, wenngleich ex negativo, auch Leuten gegenwärtig, die sie nicht mehr gelernt haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2013 um 08.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#22592

In einem der vielen "Leitfäden zum wissenschaftlichen Schreiben" finde ich folgendes:

Offensichtliche Fehler im Original, auch die originale Schreibweise (z.B. alte Rechtschreibung) werden übernommen und mit einem „sic!“ oder „so!“ in eckigen Klammern hinter dem entsprechenden Wort markiert.
(http://www.uni-flensburg.de/uploads/media/Leitfaden_wissenschaftliches_Schreiben.pdf)

Daher kommt es also. Studentische Texte, die hinter jedes Adelungsche ß ihr besserwisserisches sic! setzen, nerven sehr, nicht nur wegen der Leseerschwernis, sondern wegen der bornierten Beteuerung der Linientreue. Nur die verordnete, erkennbar minderwertige Schulorthographie für korrekt zu halten hat etwas untilgbar Subalternes. (In diesem Falle stammt es von der Carl-von-Ossietzky-Universität, was den Hautgout noch verstärkt.)

 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 02.11.2012 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#21838

In einem Land wie Deutschland kann es aus Sicht der Regelungsgewalt nicht sein, daß es mehrere offiziell gleichwertige Rechtschreibungen gibt. Schon gar nicht dann, wenn man mit der Neuregelung doch angetreten ist, „Inkonsistenzen und überkommene Absonderlichkeiten“ der alten zu eliminieren. Daher muß man sich für eine entscheiden. Und das kann in diesem Fall nur die neue sein.

Daß diese neue minderwertig, weil sinnverwässernd ist, wußten zu Beginn nur wenige Leute, die sich wirklich intensiv damit beschäftigt hatten. Dem Volk wurde eine Euphorie-Propaganda geliefert, offensichtlich hatten sich die Reformbetreiber bereits vorab mit der Regelungsgewalt über die Einführung geeinigt. Und die Presseberichterstattung begnügte sich mit Banalitäten wie „Stängel statt Stengel“.

Erst nach und nach – und dieser Prozeß dauert durch die vielen Nachschläge noch immer an – wurde bzw. wird dem kleinen Mann bewußt, wie schwierig und inkonsistent die neue tatsächlich ist, doch nach so vielen Jahren ist der Zug einfach abgefahren. Heute regt sich niemand mehr öffentlich auf, daß eine überwiegend natürlich gewachsene Schreibung sehr teuer durch eine künstlich erfundene abgelöst wurde, die kein mir bekannter Mensch intuitiv regelgerecht (speziell GKS und GZS) anwenden kann.

Es wäre eine Frage an Lektoren, die täglich konformen Neuschrieb produzieren sollen, ob wenigstens sie den Neuschrieb mittlerweile intuitiv beherrschen, und wenn ja, wie es funktioniert hat?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.11.2012 um 05.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#21833

Wenn man wie die technischen Redakteure nicht hinreichend mit der deutschen Grammatik vertraut ist und zum Beispiel annimmt, die Normalstellung sei im Deutschen wie im Englischen Subjekt-Verb-Objekt und daher solle man nicht mit einem Vorfeld-es anfangen, hat das schwerwiegende Folgen. Im Deutschen ist es oft unnatürlich, mit dem Subjekt zu beginnen. Einleitung wie "Es kommen in Frage ..." usw. nehmen auf die natürlichen Verstehensbedingungen Rücksicht und erleichtern oft die Übersicht und die Einbettung in den Kontext. Nur die Mathematik kennt keine Gliederung nach Thema und Rhema. Man muß sich grundsätzlich überlegen, wie weit sich die Fachsprache von der natürlichen Menschenrede entfernen soll, bevor sie statt verständlicher wieder unverständllicher wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.11.2012 um 09.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#21830

Im sprachverarbeitenden Gewerbe wäre die Reformschreibung auch dann durchgedrungen, wenn 100 Prozent der Bevölkerung sie abgelehnt hätten und nicht nur 85 oder 95 Prozent. Das ist eigenartig und erklärungsbedürftig, denn es gab ja offiziell außerhalb der Schule keine Reformpflicht. Der Gedanke, daß etwa in Übersetzungsdiensten die Verwendung der herkömmlichen Rechtschreibung auch nur erwogen werden könnte, ist außerweltlich. Irgendwelche staatlichen Stellen – so hat es sich herumgesprochen – wünschen es nicht, folglich geschieht es nicht. Und man möchte unbedingt auf der sicheren Seite sein. Steuerhinterziehung ist schon okay, aber "alte" Rechtschreibung – nie!

„Die Rechtschreibung ist der in Deutschland geltenden reformierten Reform angepasst.“ (Andreas Baumert/Annette Verhein-Jarren: Texten für die Technik. Heidelberg 2012:X)

Das hat mit Skepsis gegenüber der Neuregelung nichts zu tun, vgl. etwa:

„Seit 1986 ist die deutsche Sprache auf dem Prüfstand. 1998 in Kraft getreten, wurde die Rechtschreibreform wieder und wieder gegenreformiert und nach jüngstem Feintuning im Juli 2011 abermals der Öffentlichkeit präsentiert. Statt der erwarteten Vereinfachung hat sich die Schreibsicherheit verringert. Häufiger als je zuvor hilft nur noch ein Blick ins Wörterbuch. Aber in welches?“ (Düpmann, Andreas (2012): Traditionell oder progressiv? Rechtschreibhilfen im Vergleich. In: technische kommunikation, H. 3, S. 45–51.)

Im Bereich der technischen Kommunikation arbeiten meistens linguistische Laien, die sich eben eingearbeitet haben. Das merkt man auf jeder Seite. Die tekom-Richtlinie "Regelbasiertes Schreiben" zum Beispiel verwechselt gleich auf einer Probeseite das Vorfeld-es mit dem Vorgreifer-es, hält es für einen Platzhalter für das Subjekt.

Aber es würde auch nichts ändern, wenn die Leute besser Bescheid wüßten.

Unsere Studenten sind inzwischen so imprägniert, daß sie hinter jedes zitierte Prozeß oder daß ein supergescheites "[sic!]" setzen.

All dies dürften die Reformer gewußt haben, deshalb waren sie auch so gelassen gegenüber unserer Kritik.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 08.09.2011 um 11.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19218

Durchgeknallte Autoren

Im Impressum des Buchs "Anton Günther. Freiheit zwischen Grenzen" von Manfred Günther und Lutz Walther, 1. Auflage, Friedrichsthal: Altis-Verl., 2011, steht:

"In Orthographie und Zeichensetzung folgen die Autoren im wesentlichen den Vorschriften der vom Altis-Verlag abgelehnten sog. Rechtschreibreform."

Sorum geht es also auch...
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.08.2011 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19197

Lieblingsbeschäftigung(en) - sechs oder sieben Silben, gegenüber Hobby (-ies) ein ziemlicher Bandwurm.
Wer kennt noch das gute alte Steckenpferd? Nur eine, im Plural zwei Silben länger.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 30.08.2011 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19196

"Fremdwörter aus dem Englischen, die auf -y enden und im Englischen den Plural -ies haben, erhalten im Plural ein -s." (Amtliches Regelwerk, § 21). Zu Genugtuung bestünde also eher Anlaß, hätte die Verfasserin (bzw. die Zeitung) Hobbies geschrieben.
 
 

Kommentar von Vollgasfahrer, verfaßt am 30.08.2011 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19195

Vorsicht mit "ss" und "ß", es handelt sich um eine Schweizer Zeitung.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 30.08.2011 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19194

Ob jemand Hobbys oder Hobbies schreibt, obliegt seiner Vorliebe; "schliesslich", wie im letzten Satz des Epper-Beitrags zu lesen, ist allerdings reformiert wie unreformiert falsch.
 
 

Kommentar von Ronald L, verfaßt am 30.08.2011 um 08.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19192

Mit einiger Genugtuung kann man dann im kursivgedruckten Info unter dem Beitrag der Frau Epper lesen:
"... sie hat diverse Hobbys und ist gerne kreativ."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2011 um 08.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#19191

Einen besonders törichten Beitrag veröffentlicht das Bieler Tagblatt (siehe hier).
Die Verfasserin tut so, als habe sie die amtlichen Regeln studiert, und empfiehlt dies nun sehr von oben herab auch ihren Mitbürgern, die sie offenbar für verpflichtet hält, der Schulorthographie zu gehorchen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 13.06.2011 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18857

Auch wenn es dem unterlegenen Autor nichts nutzt: In den Schulen, zumindest den weiterführenden (gewiß den Gymnasien), kräht kein Hahn nach Reform hin oder her. Ganz selbstverständlich werden Bücher und Schriften aller Art gelesen, wenn sie der Lehrer für sinnvoll hält. Niemand lehnt ein Buch ab, weil es in der bewährten Rechtschreibung gesetzt ist.
Die Geschichtslehrer haben sowieso immer in den Quellen die unreformierte Schreibung vor Augen, im Deutschunterricht werden Romane gelesen, wie sie kommen – die Rechtschreibung spielt überhaupt keine Rolle. Sachbücher werden nach Inhalt ausgesucht.
Vielen Entscheidungsträger (nicht nur Lehrern) in den Schulen fällt noch nicht einmal auf, ob ein Buch reformiert geschrieben ist oder nicht.

Natürlich gibt es Bibliotheken und Schulen, die unreformierte Bücher aussortiert haben und in diesem Forum zu Recht deshalb getadelt wurden, aber in aller Regel ist das – im besten Sinne – überhaupt kein Thema.

Verlage kneifen hier einfach. Es ist lächerlich, und würde man sie fragen, ob sie ihren wirtschaftlichen Erfolg von daß oder dass abhängig machen, erntete man Entrüstung, aber tatsächlich verhalten sie sich so.

Der Kampf um die Rechtschreibung ist verloren. Die Tyrannei der Idioten und Mitläufer hat gesiegt. Es hilft nur ein neuer Kampf: die Reformbetreiber müssen mit ihren eigenen Mitteln geschlagen werden. Verordnungen von oben, Direktiven an den Öffentlichen Dienst, Geiselnahme der Schüler und die Androhung, abgehängt zu werden. Wenn die Politik, die KMK oder so, die bewährte Rechtschreibung als die ganz neue herausgäbe und sie ebenso undemokratisch und zwangsweise durchdrückte, liefen ihr Journaille, Verlage und die anderen Dazugehörenwoller genauso nach wie jetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.06.2011 um 08.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18849

Wer sich nicht so eingehend mit der Rechtschreibreform befaßt hat wie wir hier, dem fällt es zunächst schon einmal schwer, die "Verbindlichkeit" richtig einzuschätzen. Wie viele Zeitungsnotizen haben wir nicht gelesen, die alle so anfangen wie gerade jetzt wieder diese: "Die neuen Regeln der Rechtschreibung sind seit August 2006 verbindlich. Aber Fehler sind – immer noch – weit verbreitet und die Unsicherheit ist groß. In einem eintägigen Kompaktseminar bei der Volkshochschule Koblenz ..." (siehe hier). Man muß nicht einmal den Leuten, die von solchen Kursen leben, besondere Dummheit oder gar Bosheit unterstellen. Sie machen einfach mit. So wird man auch in den Zeitungsverlagen gedacht haben, als man 1999 umstellte: Die Reform ist nun mal beschlossen, also machen wir doch lieber gleich mit. Zur Sprache haben diese Leute ja sowieso kein besonders inniges Verhältnis.

In den sprachverarbeitenden Unternehmen ist das Mitmachen selbstverständlich, da wird gar nicht groß nachgedacht. Eine meiner Töchter ist Fachübersetzerin, sie benutzt von morgens bis abends die reformierte Rechtschreibung nach Duden bzw. Wordkorrektor. In der Frühzeit der Reform habe ich mal berichtet, wie sie als neunjährige Schülerin wegen das tut mir leid mit einem grün geschriebenen Tadel bedacht wurde, und so ist sie in meinen Büchern verewigt (während dem "Leid tun" bekanntlich kein langes Leben beschieden war). Was soll's! Die Schlechtschreibung ist inzwischen ein Zeichen unserer Zeit; noch in hundert Jahren wird man sie daran erkennen. Auch an den Verlagen klebt der Schmutz für immer, da hilft kein Rubbeln, die Bücher stehen sehr lange in den Regalen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 11.06.2011 um 19.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18848

Daß der Mediengestalter sich dem unterlegenen Autor gegenüber aus bloßer Unkenntnis so ereifert hat, bezweifle ich. Derart irrige Ansichten über Legitimität und Geltung der Reform vertritt nur, wer sie vertreten will, jedenfalls soweit er beruflich mit Orthographie zu tun hat. Sie bilden die Legende, mit deren Hilfe sich diejenigen der Auseinandersetzung mit der Reform entziehen, die wissen, daß die Auseinandersetzung sie in einen Konflikt führen würde, und die annehmen, daß sie in diesem Konflikt unterliegen werden.
Die Legende ist jedoch gleichermaßen hilfreich für Leute, die nicht einfach eine Ohnmachtserfahrung vermeiden, sondern im Gegenteil die Reform als Chance nutzen wollen, sich anderen gegenüber ins Recht zu setzen – und damit als Machtchance. Der Mediengestalter gehört zur zweiten Gruppe. Der Verlagsangestellte hat sich nicht nur die Genugtuung verschafft, einmal einen Autor abzukanzeln, sondern auch die Gelegenheit genutzt, seinem Chef eine Nase zu drehen. Das ist zwar nicht ganz ungefährlich, aber konfliktscheu ist der Mann ja gerade nicht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.06.2011 um 11.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18847

Wie kann man ein gutes Verhältnis zu einem Mann haben, dessen Wort nichts gilt?
 
 

Kommentar von Erich, verfaßt am 11.06.2011 um 02.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18846

Zitat Prof. Ickler: "In letzter Zeit ist mir besonders bewußt geworden, daß gerade Gebildete und Akademiker ihre sprachliche Überlegenheit oft dazu benutzen, ihre Obrigkeitshörigkeit mit wunderschönen Worten zu bemänteln."

Das kann ich nur unterstreichen. Allerdings gilt diese Obrigkeitshörigkeit m.E. nicht nur für Akademiker und auch nicht nur für die deformierte Rechtschreibung. Vielmehr ist es doch so, daß Querdenker mit eigenen Meinungen, auch wenn sie noch so gut begründet sind, in Zeiten der politischen Korrektheit schlicht und ergreifend nicht mehr gefragt sind. Dadurch hat die vielbeschworene Meinungsfreiheit (wie auch das kreative Denken) leider einen erheblichen Dämpfer erlitten. Man landet für eine von der offiziellen Linie abweichende Meinung zwar nicht – wie weiland in der DDR – gleich im Gefängnis, aber man muß damit rechnen, auf subtile Weise mundtot gemacht zu werden; siehe auch den "unterlegenen Autor", dem ich hier ausdrücklich mein Mitgefühl zolle!
 
 

Kommentar von Teilzeit-Querulant, verfaßt am 10.06.2011 um 17.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18843

Als beruflicher Vielschreiber und (leider) Vielleser (leider, weil die Qualität der mir vorgelegten Schreiben immer weiter sinkt und auch nicht mit den Titeln der Verfasser korrespondiert) kann ich den Erfahrungsbericht des unterlegenen Autors gut nachvollziehen. Ich schreibe zwar keine Bücher, aber auch mein Arbeitgeber besteht auf "reformierte" Rechtschreibung. Hinweise auf die Mängel der Reform blieben erfolglos, "das wird jetzt umgesetzt".

Na gut, soll er sie haben. Für meinen Chef sieht es nach Reformschreibe aus, solange "muss" und "dass" zu lesen ist. Ich bemühe mich allerdings darum, Formulierungen zu finden, die ohne "dass" und "muss" auskommen, und mit etwas Übung gelingt dies auch. Auf allen anderen "Problemfeldern" kann man "veraltete" Schreibweisen immerhin wieder als "Varianten" verkaufen. Und so kommen dann Texte dabei heraus, bei denen man keine Unterschiede feststellen kann.
 
 

Kommentar von Ein unterlegener Autor, verfaßt am 10.06.2011 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18842

Danke für das Verständnis für die Wahrung der Anonymität in meinem Erfahrungsbericht. Hätte ich Roß und Reiter genannt, hätte das sicher das ansonsten sehr gute Verhältnis mit dem Verleger beeinträchtigt. Ich werde bei Gelegenheit die Problematik mit dem Verleger sicher noch einmal besprechen und ihm die Gründe für die ursprüngliche Beibehaltung der herkömmlichen Rechtschreibung darlegen, zumal ich mit ihm in ein bis zwei Jahren ein weiteres, umfangreicheres Buch geplant hatte. Daß der Mediengestalter der Meinung war, die neue Rechtschreibung sei für alle verpflichtend und das Ergebnis eines demokratischen Prozesses, ist mit Sicherheit seiner Unkenntnis des tatsächlichen Ablaufs geschuldet. Meine Erfahrung hier zu schildern war mir ein Anliegen, weil es zeigt, was einem Autor widerfährt, der aus voller Überzeugung der herkömmlichen Rechtschreibung treu bleiben will. Vielleicht gibt es in diesem Forum ja Leser, denen ähnliches widerfahren ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.06.2011 um 10.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18841

Ich hatte selber das Gefühl, daß Anonymität angezeigt ist, sei es aus persönlicher Höflichkeit und Rücksicht, sei es, um sich in der Branche nicht den Ruf eines nachtretenden Querulanten einzuhandeln und sich damit den Weg zu anderen Verlagshäusern zu verbauen. Es könnte aber auch ausnahmsweise Konstellationen geben, in denen solche Nachteile nicht ins Gewicht fallen. Ich wollte einfach hören, was der Verfasser oder andere Betroffene dazu meinen.

In diesem Fall käme bliebe die Kritik vor allem am Verleger hängen, obwohl gerade er zunächst guten Willen gezeigt hat, was für seine Höflichkeit und Kollegialität spricht. Der Mediengestalter hingegen, dessen autoritäres Auftreten ihn in ein schlechtes Bild rückt, könnte sich damit herausreden, daß er eine verantwortungsvolle Entscheidung zum Nutzen des Verlages getroffen habe, daß er für eine einheitliche Rechtschreibung des Verlagsprogramms sorge und daß seine Bewertung dem in der Branche Üblichen entspreche.

Da es sich um einen kleinen Verlag handelt, scheint eine Bloßstellung der Beteiligten unverhältnismäßig zu sein. Es kommt mir vorbildlich vor, Beziehungen auch dann nicht durch Kritik zu beschädigen, wenn die Phase der Zusammenarbeit abgeschlossen ist.

Mich wundert vor allem, daß der Verleger sich über das Thema noch so wenig Gedanken gemacht hat und von dem Protest seines Mitarbeiters selbst überrascht wurde.

Was die Üblichkeit der neuen Rechtschreibung angeht: Der Mediengestalter und der Verleger XXX (in dem vorangehenden Erfahrungsbericht) stehen sicherlich für die heute übliche Einstellung. Die neue Rechtschreibung dominiert bei Neuerscheinungen sehr deutlich. In meinem Bereich (Werbung) ist seit rund zehn Jahren ausschließlich neue Rechtschreibung anzuwenden, das gilt als absolut selbstverständlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2011 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18838

Auf dem Deutschen Bibliothekartag sprach auch Norbert Lammert, früher ein Gegner der Rechtschreibreform, heute ihr Durchsetzer im Bundestag.

Die Bibliothekare sprechen über lästige Einsparungen, aber nicht über die Büchervernichtung wg. Rechtschreibreform.

"Mit großer Mehrheit angenommen wurde der Antrag, im Satzungstext konsequent eine Gender-Formulierung zu verwenden."

Das ist ja auch viel wichtiger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2011 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18837

In diesen Fällen ist die Anonymität m. E. gerechtfertigt, und es steht uns auch nicht zu, gewissermaßen Märtyrertum zu erwarten, also daß jemand seine berufliche Existenz gefährdet, während Hunderttausende sich ins Fäustchen lachen. Nein, wir müssen die unsagbare Devotheit der Verantwortlichen auf andere Weise bloßstellen.

In letzter Zeit ist mir besonders bewußt geworden, daß gerade Gebildete und Akademiker ihre sprachliche Überlegenheit oft dazu benutzen, ihre Obrigkeitshörigkeit mit wunderschönen Worten zu bemänteln.

Und noch ein Eindruck: Die allergrößten Dummheiten haben uns vorgestern aufgeregt. Was mir heute fast noch mehr Pein verursacht, sind die harmlosen Kleinigkeiten. Heute bringt die Süddeutsche im Magazin ein Rezept "Zitronenhuhn". Ein Stängel Zitronengras gehört auch dazu. Was für eine doofe Zeitung! Diese Leute können schreiben, was sie wollen, ich werde sie nicht ernst nehmen.

Und wenn es nur die "Obrigkeit" wäre, also die paar häufig wechselnden Kultusminister. Aber es sind ja die mir nur allzu bekannten Kollegen wie Augst, deren Mediokrität das Ganze in die Welt gesetzt hat. Und nun bekommen ernste Autoren Schwierigkeiten, weil sie diesen Quatsch nicht mitmachen wollen! Das ist wirklich ein Jahrhundertskandal.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.06.2011 um 04.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18836

Das Argument des Mediengestalters, die Anwendung der Neuregelung sei aufgrund einer demokratischen Entscheidung zwingend, ist natürlich gegenstandslos. Erstens war die staatliche Durchsetzung der Neuregelung alles andere als demokratisch. Zweitens gilt diese eben nicht für erwachsene Schreiber, sondern nur für die Schule. Oder dort, wo jemand einem Angestellten oder einem Dienstleister die Rechtschreibung vorgeben kann; letzteres hat aber nichts mit einer staatlichen Weisungsbefugnis zu tun. Die Auskunft des Mediengestalters/Lektors klingt, als habe er noch nicht bemerkt, daß es nach wie vor viele Veröffentlichungen in traditioneller Rechtschreibung gibt. Das ist so kompetent wie ein Biologe, der behauptet, es dürfe nur Haustiere und Nutztiere geben; eventuell noch vorhandene Wildtiere seien Schädlinge.

Stichhaltig ist hingegen das Argument des Verlegers, "es bestünde die Gefahr, daß das neue Buch von Lehrern bzw. Schulbibliotheken nicht gekauft würde", wenn man bei der alten Rechtschreibung bleiben würde. Die Intoleranz von Schulen und Schulbibliotheken gegenüber unreformierten Texten ist irregeleitet; aber sie ist eine Tatsache, die ein Verleger mitbedenken muß, wenn er nicht gerade so vermögend ist, daß ihm die Verkaufszahlen und die Kundengruppe egal sind.

Das Ärgernis resultiert aus der vorschnellen, naiven Zusage des Verlegers. Der Verlauf könnte aber auch darauf hindeuten, daß in den letzten Jahren kein Verfasser mehr mit dem Wunsch an den Verlag herangetreten ist, nichtreformiert schreiben zu dürfen. Sonst wäre das hausinterne Meinungsbild doch vermutlich den Mitspielern bewußter gewesen. Anstatt zu spekulieren, müßte man wissen, um welchen Verlag es sich handelt.

Ich frage mich: Warum werden solche Erfahrungen hier anonym mitgeteilt? Was spricht dagegen, Verlag und Titel zu nennen, damit man sich ein genaueres Bild machen kann?
 
 

Kommentar von Ein unterlegener Autor, verfaßt am 09.06.2011 um 19.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18834

Zu der hier geschilderten Problematik und der Kommunikation zwischen XXX und YYY kann ich folgende, für mich leider sehr bittere und enttäuschende Erfahrung mitteilen:

Ich hatte vor wenigen Monaten bei einem kleineren Verlag ein Manuskript für ein Sachbuch eingereicht, das konsequent in alter Rechtschreibung verfaßt war. Der Verleger hatte mir bei einem ersten Besuch versichert, er würde mir in Sachen Rechtschreibung nicht hineinreden, da er selbst kein Freund der neuen Rechtschreibung sei, auch wenn Mitarbeiter in seinem Hause durchaus anderer Meinung seien. Schriftlich erhielt ich dies jedoch nicht. Der Internetauftritt des Verlags ist übrigens konsequent in neuer Rechtschreibung verfaßt, ebenso wie einige in jüngster Zeit erschienene Titel (Sachbücher).

Als ich das mit meinen eigenen Bildern (mehrere hundert) reich illustrierte Manuskript zusammen mit dem Mediengestalter, der sich auch als Lektor versteht, am Bildschirm durchsah, bemerkte er sofort die bewährte Rechtschreibung und stellte mir sehr erregt die Frage, was mich veranlaßt hätte, die veraltete Rechtschreibung zu verwenden. Als ich versuchte, ihm meine aus Überzeugung und nach intensiver Beschäftigung mit der RSR gewonnenen Einsichten zu schildern, nannte er mich einen Querulanten und daß ich schließlich in einer Demokratie leben würde, in der ich die Entscheidung für die neue Rechtschreibung zu akzeptieren hätte.

Erbost und verärgert verließ ich den Raum und schilderte den Vorfall dem Verleger, der sich für das Verhalten seines Mitarbeiters entschuldigte. Wenige Tage später wendete sich das Blatt allerdings in eine für mich ungünstige Richtung. Der Mediengestalter hatte den Verleger derart unter Druck gesetzt, daß dieser nun mir wiederum vorhielt, es bestünde die Gefahr, daß das neue Buch von Lehrern bzw. Schulbibliotheken nicht gekauft würde, wenn ich bei der alten Rechtschreibung bleiben würde.(Der Inhalt war durchaus auch dazu gedacht, in Schulen verwendet zu werden.) Er hielt mir außerdem vor, daß die Gefahr bestünde, daß Lehrer oder andere Rezensenten anstatt auf den Inhalt auf die Tatsache der Verwendung der "veralteten" Rechtschreibung verweisen und dadurch das Buch in ein ungünstiges Licht rücken würden.

Ich fühlte mich massiv bedrängt und mir war klar, daß an einem aus welchen Gründen auch immer resultierenden schleppenden Absatz die Verwendung der alten Rechtschreibung und damit ich schuld sein würde. Da ich bereits ein Jahr Arbeit in das Buch gesteckt hatte, aus Gründen der reichen Illustration nur eine beschränkte Zahl an Verlagen überhaupt in Frage kam und ich aus Gründen des Erscheinens eines konkurrierenden Titels eine rasche Veröffentlichung wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als nachzugeben und der "Korrektur" und Verwendung der neuen Rechtschreibung zuzustimmen, die ich dann allerdings nicht selbst vornahm, sondern der oben bereits erwähnte Mediengestalter, der mir schon bei einem früheren Termin als Verfechter der Rechtschreibreform aufgefallen war.

Gleichzeitig wurde auch meine im Vorwort enthaltene Entscheidung pro bewährter Rechtschreibung entfernt. Da das Buch mittlerweile erschienen ist, habe ich vor, an geeigneter Stelle auf diesen Verlauf hinzuweisen, zumal ich nicht an einer Stelle in aller Öffentlichkeit konsequent für die Beibehaltung der bewährten Rechtschreibung plädiere, an anderer Stelle aber nun die neue Rechtschreibung anwende. Natürlich fühle ich mich in dieser Sache nicht gut, weil ich entgegen meiner Überzeugung nach einigen schlaflosen Nächten nachgegeben habe, erfahre aber von Kollegen Verständnis, die meine Meinung teilen und die mir zu verstehen geben, es sei schließlich die Entscheidung des Verlags gewesen. Was bleibt, ist eine grenzenlose Verärgerung und Wut über die Reformer und den Schaden, den sie sprachlich wie menschlich ohne jede Not angerichtet haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2011 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18833

Die erwähnte Absage des Brockhaus-Projekts geschah durch einen Brief vom 28.1.98 an die Mitarbeiter der Reihe „Lebensläufe“:

„Sehr geehrter Herr ...,
im Sommer 1996 teilten wir Ihnen mit, dass wir das Erscheinen der geplanten sechsbändigen Reihe 'Lebensläufe' um etwa zwei Jahre verschieben wollten. Die Gründe für diese Entscheidung haben wir Ihnen genannt. Leider haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt. Weder die neue Rechtschreibung hat sich bisher etablieren können, noch haben sich die daraus resultierenden Unsicherheiten auf dem Markt der Nachschlagewerke geglättet. Wir haben deshalb den für die Autoren wie für die Redaktion sicherlich schmerzlichen, verlagspolitisch jedoch zwingenden Beschluss gefasst, von der Realisierung des Vorhabens in der geplanten Form gänzlich abzusehen. Gleichwohl möchten wir uns die Wahrnehmung der zwischen Ihnen und dem Verlag vertraglich geregelten Nutzung Ihrer Texte vorbehalten.
Wir danken Ihnen für Ihre Bereitschaft, an unserem Projekt mizuwirken, sowie für Ihre bereits geleistete Arbeit und bitten um Verständnis für unsere Entscheidung.
Mit freundlichen Grüßen
Bibliographisches Institut &
F. A. Brockhaus AG"

(Unterschriften: Dr. Michael Wegner, Dr. Karl-Josef Schmidt)

(Wegner trat im selben Jahr in den Ruhestand, Schmidt ist nach einigen Zwischenstationen heute Geschäftsführer am Nürburgring. Über die damaligen Entscheidungen des Verlags könnte vielleicht Matthias Wermke einmal Näheres sagen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2011 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18831

Darf man fragen, um welche Hörbuchverlage es sich handelt?

Mir fällt wieder ein, was ich in "Regelungsgewalt" berichtet habe: In den neunziger Jahren plante der Brockhaus-Verlag ein sechsbändiges Unternehmen "Lebensläufe", das auch schon mit Einzelheiten angekündigt war. Anfang 1998 teilte der Verlag den Beiträgern mit, daß das Werk wegen der Rechtschreibreform nicht erscheinen werde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2011 um 12.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18830

Besonders eindrucksvoll an dieser beschämenden Geschichte ist der Begriff "nicht kommunizierbar". An wen ist da wohl gedacht? Hat man je versucht, die Leser zu befragen, ob sie ein Buch in klassischer Rechtschreibung für annehmbar halten? (Und gleich zweimal "ehrlich gesagt"!)
 
 

Kommentar von Schneiders Shag, verfaßt am 09.06.2011 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18829

Inzwischen werben sogar schon zwei Hörbuchverlage damit, daß ihre Hörbücher (!) in neuer Rechtschreibung gelesen (!!) werden!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.06.2011 um 12.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18828

Lieber Herr YYY,
vielen Dank, daß Sie standhaft geblieben sind.
Ich werde dann gelegentlich nach einem Friedhofsbuch in guter alter Rechtschreibung Ausschau halten.
 
 

Kommentar von Aus den Niederungen des Tagesgeschäfts eines, verfaßt am 09.06.2011 um 10.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18827

Briefwechsel mit einem Verleger nach 18 Monaten vertragsfreier Konzeptarbeit. Der Verlag sitzt in einer blühenden Landschaft, die nach 47 Jahren Kaiserreich, 12 Jahren Hitler und 40 Jahren DDR in obrigkeitlichen Dingen hinreichend konditioniert ist.


Lieber Herr XXX,

danke für die Verträge. Soweit ich mich erinnere, hatten wir uns bei unserem Gespräch auf der Buchmesse bereits darauf verständigt, daß ich auch in unserer Zusammenarbeit der klassischen Rechtschreibung treubleiben kann.


Lieber Herr YYY,

da haben Sie jetzt ein Problem angesprochen, an das ich mich ehrlich gesagt nicht erinnere. Wir haben alle unsere Bücher in neuer Rechtschreibung und nur in der Belletristik ein oder zwei Ausnahmen.

Das ist bei einem populären Sach-Bildband ehrlich gesagt nicht kommunizierbar.


Lieber Herr XXX,

beide Projekte möchte ich sehr gerne realisieren. Ich habe mich aber in den vergangenen 15 Jahren als ganz entschiedener Gegner der völlig verkorksten und hochgradig unsinnigen Rechtschreibreform profiliert und mache mich geradezu lächerlich, wenn ich jetzt, wo die letzten Trümmer davon weggeräumt werden, mit Büchern in "neuer Rechtschreibung" anfange.

Meine strikte Ablehnung der NR hat einmal inhaltliche Gründe (Einschränkung der Ausdrucksmöglichkeiten und Präzision, falsche Etymologien, falsche Grammatik, keine Kohärenz: "Känguru", aber "Kuh"), einmal bürgerrechtliche (da der Staat den Menschen nicht vorschreiben darf, wie sie schreiben und sprechen) und nicht zuletzt den, daß es mir von ganzen Scharen irgendwelcher Minister garantiert ist, im Privatbereich schreiben zu dürfen wie unsere Nobelpreisträger, ohne berufliche Nachteile fürchten zu müssen.

Da Ihr Verlag weder eine Bundesbehörde noch eine Schule ist, obliegt die Einigung auf bestimmte Rechtschreibungen den Vertragspartnern, ich selbst sehe sie als Bestandteil des geistigen Werks als meine eigene Angelegenheit an. Wenn Sie unter den gegebenen Voraussetzungen von den beiden Projekten Abstand nehmen wollen, bedaure ich das sehr, insbesondere vor dem Hintergrund, daß bei dem Friedhofsbuch sowieso der Schwerpunkt auf den Bildern liegt und ich in Augenblick nicht davon ausgehe, daß ich Wörter wie Portemonnaie oder Mayonnaise besonders häufig verwenden werde.

Auch bei den bisherigen Büchern hat dieser Standpunkt keinerlei Rückfragen ausgelöst, vielmehr sind nicht wenige Leser ganz froh, daß sie endlich mal wieder gesunde Kost lesen können. Man kann dieses Surplus herausstellen, wenn man mag, oder einfach stillschweigend mitgeben.


Lieber Herr YYY,

über Sinn und Unsinn der Rechtschreibreform möchte ich nicht urteilen, wahrscheinlich bin ich da nicht weit weg von Ihrer Meinung.

Der M*** Verlag publiziert seine Bücher auf Grundlage des aktuellen DUDENS.

Gerne können wir uns u. a. bei Interpuktion und Getrenntschreibung auf die ebenfalls verzeichnete "alte Variante" festlegen, jedoch werden wir aus Gründen der Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit der nachwachsenden Generation nichts anderes machen.

Wenn das für Sie in Ordnung ist, freue ich mich, wenn Sie das nicht mitgehen können, müssen wir beide schöne Publikationsvorhaben begraben.


Lieber Herr XXX,

dann begraben wir. Ich hatte Ihre Verlagskultur so aufgefaßt, daß Sie an guten Inhalten mehr interessiert sind als an vorauseilendem Untertanentum – was Sie der deutlichen Mehrheit der Leser (die die Reform ablehnen) und der von Ihnen bemühten nachwachsenden Generation zumuten wollen, müssen Sie natürlich selbst entscheiden.

Falls Sie es sich nochmal anders überlegen, bin ich sofort dabei. Falls nicht, werden sich andere Verlage finden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2011 um 07.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18777

Ich bin damals aus allen Vereinen und Verbänden einschließlich einer kleinen Partei ausgetreten und habe den Vorständen auch den Grund mitgeteilt, kaufe auch fast gar keine Bücher mehr. Einziger Wermutstropfen: Ich habe erst dadurch gemerkt, wieviel Geld ich zuvor für gutgemeinten Unsinn aller Art ausgegeben hatte.
 
 

Kommentar von Erich, verfaßt am 02.06.2011 um 04.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18776

Liebe LeserInnen!

Heutzutage muß doch jeder Schriftsatz leider nicht nur geschlechtergerecht, sondern auch politisch korrekt sein. Ich fürchte, liebe Leserinnen bzw. Leser, daß diese politische Korrektheit hier (und leider nicht nur hier!) ihren Tribut fordert. :-(
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 01.06.2011 um 21.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1454#18774

Das ist ja fast noch harmlos. Vor einigen Jahren, während der "Einführungsphase", wurde auf einer Landesdelegiertenversammlung eines namhaften Umweltverbandes allen Ernstes der Antrag gestellt, die Satzung des Verbandes auf die neue Rechtschreibung umzustellen. Nicht etwa, gedruckte Ausgaben nur noch in Reformschreibung herauszugeben, die Satzung selber sollte die Salbung der neuen Rechtschreibung erhalten. Und das von Leuten, die mit ziemlicher Sicherheit, von der Heyseschen ss-Schreibung abgesehen, die unterschiedlichen Fassungen der Texte überhaupt nicht auseinanderhalten können und die sonst an der Satzung nur interessiert, ob sie irgendwelche Verfahrenstricks für Geschäftsordnungsanträge hergibt. Aber es scheint eine panikartige Angst zu geben, eine nicht obrigkeitskonforme Rechtschreibung zu benutzen, die den Ruch des Veralteten haben könnte. (Der Antrag wurde übrigens vom Vorstand und der Versammlungsleitung mit einem leisen "Das machen wir auch so" abgebügelt – selbstverständlich kennt der Verband auch ohne Anträge nur noch die Reformschreibung.)
Schon geradezu lustig wird es, wenn vermeintlich Ultralinke wie die Gruppe "GegenStandpunkt", die aus allen Geschützrohen gegen den Staat wettern und kein gutes Haar an ihm lassen, sich eilfertigst der Neuschreibung befleißigen. Wenn Revolution ist und man einen Bahnhof besetzen soll, kauft der Deutsche sich schließlich erst eine Bahnsteigkarte!
 
 

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