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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.07.2008
 

Entrückter Wolfram Weimer
„Bestehende Rechtsnormen“

Der CICERO-Chefredakteur hat auch nach zwölf Jahren nichts verstanden (oder alles wieder vergessen).
"Ob Mindestlöhne oder Gesundheitsreformen – die größte Angst ist hierzulande immer die vor dem Laisser-faire. Nicht einmal die zaghafte Rechtschreibreform war willkommen, denn auch da ging es vor allem um die Frage, wie viel Freiheit wir im Deutschen dulden wollen. Der größte Gewinn der Rechtschreibreform besteht just in dem, was die Reformgegner am meisten aufregt. Es ist die Liberalisierung der Schreibweisen. Die Zahl der Regeln wurde halbiert, vieles Strittige ins Belieben gestellt, die verzwickte Kommasetzung durch weitgehende Freigaben ersetzt." (Wolfram Weimer im Handelsblatt 19.7.08)

In seinem eigenen Blatt CICERO schreibt er: »Es ist schlichtweg unvernünftig zu einer alten Rechtschreibung zurückzukehren, deren Abschaffung vor Jahren beschlossen wurde, deren Umstellung Millionen gekostet hat, die keiner mehr richtig beherrscht, die zwölf Millionen Kinder nie gelernt haben, die noch inkonsistenter war als die neue.
Dass es überhaupt zum Streit darum kommt, hat nicht nur mit dem Geltungsdrang einiger und der konservativen Sehnsucht vieler nach kultureller Geborgenheit zu tun. Es geht vor allem um die Frage, wie viel Freiheit wir im Deutschen dulden wollen. Jens Jessen trifft in der Zeit den Kern der Sache: 'Der größte Gewinn der Rechtschreibreform besteht in dem, was die Reformgegner am meisten aufregt. Es ist die Liberalisierung der Schreibweisen. Die Zahl der Regeln wurde halbiert, vieles Strittige ins Belieben gestellt, die verzwickte Kommasetzung durch weitgehende Freigaben ersetzt.'«

Wir erinnern uns, was Weimer – damals noch WELT-Chefredakteur – nach der Rückumstellung der FAZ zum besten gab:

"Dem Entschluß der Frankfurter Allgemeinen Zeitung können wir uns nicht anschließen, da uns das Ignorieren bestehender Rechtsnormen (!) beim besten Willen und trotz des verlockenden Ergebnisses nicht als Königsweg erscheinen mag."

Es ist klar, daß man mit Leuten wie Weimer und Jessen kein vernünftiges Gespräch führen kann. Sie wollen einfach nichts wissen.

(Nachtrag: Als ich dies eintrug, hatte ich den Beitrag unter "Blüthen der Thorheit" noch nicht gesehen. Bitte dort den Anknüpfungspunkt ansehen!)



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Kommentare zu »Entrückter Wolfram Weimer«
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Kommentar von Michael Krutzke, verfaßt am 19.05.2009 um 08.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#14464

Im Mai 2009 (*) wird dem an der Einhaltung "bestehender Rechtsnormen" interessierten, vernunftbegabten und vor allem freiheitsliebenden Leser (m/w) auf cicero.de so etwas zugemutet:

Rauhreif, daß (mehrfach), gepraßt, läßt, wißbegierig ...

Der so schreibt in dem Blatt, dessen Rechtschreibung dank verantwortungsbewußter Medien 12 Millionen Kinder beherrschen, heißt Durs Grünbein. Darf er hier "Geltungsdrang" und "konservative Sehnsucht nach kultureller Geborgenheit" ausleben? Oder war für Herrn W. bei einem namhaften Autor plötzlich das verhandelbar, was er wiederholt als so fortschrittlich an der RSR gepriesen hat?

http://www.cicero.de/97.php?ress_id=7&item=3690

(*) Wahrscheinlich auch schon vorher, da es sich um eine monatliche Kolumne handelt.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 02.08.2008 um 21.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12827

Lieber Herr Markner,

wenn Sie nach wie vor so unverbraucht und unverzagt sind: ich bin es auch. Sollte es nötig sein, werde ich auch noch die nächsten vier Jahrzehnte lang gegen die Reform polemisieren, weil ich eben einfach weiß, daß sie der letzte Mumpitz ist. Besonders pikant daran: Die Reformer und Kultuspolitiker wissen es selbst, nur sind sie zu feige, das zuzugeben. Noch nie war es um die Schreibkompetenz der Deutschen so schlecht bestellt wie heute, kaum jemand weiß noch, was überhaupt ein Adjektiv und was ein Subjekt sei, und daran hat die Reform, wenn auch nicht den alleinigen, so doch einen sehr großen Anteil. Wer das nicht erkennen will, lebt in einem Land, in dem ich nicht aufgewachsen bin.

Kämpfen Sie also weiter an Ihrer Front, ich kämpfe weiter an meiner.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf eine der Lieblingsausflüchte der Reformer antworten: sie gestehen es ja zähneknirschend ein, daß die Schulabgänger heute nicht gerade berückend gut schreiben, machen dafür aber die Computerspiele, das Internet, die Wiedervereinigung, das Seveso-Unglück, den 11. September und die Olympischen Spiele in China verantwortlich. Ich will nicht bestreiten, daß die Möglichkeiten zur Ablenkung heute mannigfaltig sind, aber das waren sie in den siebziger Jahren auch schon, ohne daß wir deshalb gleich verlernt hätten, wie man einen guten deutschen Satz schreibt. Wenn man heutigen Abiturienten erklärt, daß es auch so etwas wie ein Semikolon gibt, staunen sie erst einmal ungläubig.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.08.2008 um 20.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12826

Ohne unsere Arbeit, insbesondere natürlich die kritischen Kommentare Theodor Icklers, wäre es sicherlich nicht einmal zur Reform der Reform gekommen. Daß wir damit allein nicht zufrieden sind, versteht sich.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 02.08.2008 um 20.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12825

Ich bin sicher kein Rhetoriktalent vom Schlage eines Markner oder Lachenmann, aber ich betreibe wenigstens Frontarbeit. Ich halte mich nicht da auf, wo ohnehin schon alle meiner Meinung sind, sondern da, wo neue und herkömmliche Rechtschreibung aufeinanderprallen. Im Wolkenkuckucksheim sitzen, das ist die einfachste Übung.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 02.08.2008 um 19.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12823

Lieber Herr Markner,

ich habe seit unserer letzten verbalen Begegnung viel über Sie nachgedacht, und das hauptsächlich im positiven Sinne.

Herr Markner,

ich lasse mich gern von Ihrer Wortgewalt, Ihrer Entschlossenheit und Ihrer umfassenden Bildung beeindrucken. Ich kann dagegen nicht anstinken, versuche es auch gar nicht erst. Ehre, wem Ehre gebührt. Doch bitte, erklären Sie mir eins, um einen Gedanken b. eversbergs aufzugreifen: Wie kann es sein, daß solche Geistesgrößen wie Sie sich schon seit Jahren auf diesen Seiten tummeln, ja sogar leitend tätig sind, ohne daß Sie auch nur einen einzigen zählbaren Erfolg gegen die Rechtschreibreform vorzuweisen hätten? Ist es Ihnen gelungen, wenigstens den "23-Jährigen" abzustellen? Ist es Ihnen gelungen, die Groß- und Kleinschreibung wieder in Ordnung zu bringen? Die Getrennt- und Zusammenschreibung? Was haben Sie vorzuweisen? Nichts. Das sollten Sie vielleicht noch einmal verinnerlichen, bevor Sie wie ein Löwe auf die Jungen einbeißen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.07.2008 um 00.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12771

Herr Gerlach verwendet Wittgensteins Satz "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" im Sinne von "Wovon jemand keine Ahnung hat, darüber sollte er nicht reden".

Wittgenstein in seiner Art hätte den Studenten, der ihn so deutete, sicherlich mit einer Kopfnuß aus der Vorlesung geworfen.

Ein paar Zeilen zuvor beschreibt er nämlich, was er mit dem meint, wovon man nicht sprechen kann: "Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische."
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.07.2008 um 17.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12743

Sehr geehrter Herr Gerlach,

ich picke mir aus Ihrem geballten Rundumschlag lediglich die Punkte heraus, die mich betreffen und beschränke mich zudem auf die Äußerungen, die in diesen Tagebuchstrang gehören. Unsere Auseinandersetzung, die meine vermeintliche Unfähigkeit, den Komparativ zu verstehen, betrifft, werde ich ins Diskussionsforum verlagern.

Sie sagen nun, die Regeln der formalen Logik hätten Sie außer acht gelassen – eben das bemängele ich ja. Sie haben sich nicht ungenau ausgedrückt, sondern das, was Sie meinen, ist falsch. Da hilft es auch nicht weiter, zu behaupten, im System des Gegners werde ebenfalls unsauber argumentiert.

Hier benötige ich Ihre Aufklärung. Was genau ist falsch, was ich meinte? Ich kann mich dann gerne noch dazu äußern. (Falls die Redaktion dieses ewige Hin und Her nicht löscht!)

Für Ihre Argumentation benötigen Sie das logische Gegenteil von keiner, und das muß – und kann auch umgangssprachlich - angemessen genau beschrieben werden. […] Ihr Argumentationsziel, Weimers habe indirekt gesagt, die Reformschreibung werde von allen beherrscht, erreichen Sie definitiv nicht.

Wenn ich doch gar nicht streng logisch argumentieren will, benötige ich auch gar nicht das „logische Gegenteil von keiner“. Herr Riemer hat sich dazu erneut geäußert. Weimer operiert hier mit ungenauen Größenangaben, auf die man eigentlich nicht so beckmesserisch eingehen sollte. Wie viele Millionen hat denn die Umstellung genau gekostet? Das ist in diesem Kontext eigentlich egal. Wichtig ist, daß es eine große Summe war. Eben die etwas umgangssprachlichen Millionen. Gegen diese Formulierung ist doch nichts einzuwenden, weshalb ich sie auch nicht aufspießen wollte. Ebenso verhält es sich mit Weimers „keiner“. Natürlich wird auch Weimer wissen, daß es sehr wohl noch genug Menschen gibt, die „eine alte Rechtschreibung“ richtig beherrschen. Er meint „keiner“ nicht als absolute Setzung, deshalb ist an dieser Stelle auch eine logische Argumentation nicht angebracht. Sie sehen also, ich nehme Weimers „keiner“ keineswegs wörtlich und muß deswegen auch nicht mit mathematischen Antonymen operieren

Ich bin also keineswegs der Meinung, daß sich Weimer in dem zitierten Satz dreimal ad absurdum führt. Im Gegenteil, das ist ein geschickt formulierter Satz. Man beachte Stilmittel wie die einleitende "Tatsache", den unbestimmten Artikel bei Rechtschreibung und das – eigentlich falsche – Imperfekt beim Komparativ.

Hier kommt, des besseren Verständnisses halber noch einmal der Zankapfel von Weimer/ Jessen:

Es ist schlichtweg unvernünftig zu einer alten Rechtschreibung zurückzukehren, deren Abschaffung vor Jahren beschlossen wurde, deren Umstellung Millionen gekostet hat, die keiner mehr richtig beherrscht, die zwölf Millionen Kinder nie gelernt haben, die noch inkonsistenter war als die neue.

Ehrlich gesagt glaube ich, daß Sie der angeblichen Stilmittel zu viele in diesen Satz hineingeheimnissen. Wir wissen ja inzwischen, daß der Stilkünstler Weimer sich zu dem Anlaß, daß die Reform nun doch wieder eine journalistische Meldung wert ist, nicht einmal einen neuen Text hat einfallen lassen, sondern einfach altes und z. T. auch fremdes Material durch den Fleischwolf drehte.
Aber da Sie unbedingt eine Analyse wollen, soll es mir recht sein. Weimers Satz (meine Güte, dieser Aufwand gilt wirklich nur einem einzigen Satz!) beginnt tatsächlich mit einer Behauptung.

–> [e]s ist unvernünftig, zu einer alten Rechtschreibung zurückzukehren

Und nun folgt eigentlich nur noch ein Beleg dieser angeblichen Tatsache und zwar gleich fünffach.

1. Beleg: die Abschaffung „einer alten Rechtschreibung“ wurde vor Jahren beschlossen

2. Beleg: die Umstellung „einer alten Rechtschreibung“ hat Millionen gekostet

3. Beleg: keiner beherrscht mehr besagte alte Rechtschreibung richtig

4. Beleg:12 Millionen Kinder haben besagte alte Rechtschreibung nicht gelernt

5. Beleg: besagte alte Rechtschreibung war noch inkonsistenter als die neue

So und mit dieser angeblichen stilistischen Meisterleistung soll Weimer mir also in Gegenwart des Publikums einige Schritte voraus sein. Neu ist mir zunächst, daß Weimer und ich uns öffentlich auf einen Wettstreit eingelassen hätten. Aber bitte, wenn es der Sache dient!
Er untermauert seine These, es sei unvernünftig zu einer alten Rechtschreibung zurückzukehren, nicht nur mit einem, sondern gleich mit fünf Belegen. Anscheinend soll dieser Aufmarsch die Wichtigkeit seiner These bestätigen. Aber schießt er hier nicht vielmehr mit allzu großem Kaliber auf eine Mücke? Wenn die Rückkehr zu einer alten Rechtschreibung unvernünftig ist, dann muß die neue Rechtschreibung somit vernünftig, oder zumindest vernünftiger als die alte sein. Aber nun der Reihe nach.
Warum ist diese Rückkehr unvernünftig? Weil die Abschaffung der alten Rechtschreibung vor Jahren beschlossen wurde. Nebenbei bemerkt, das ist eine bedenkenswerte Interpretation des Wortes „Reform“ (= Abschaffung des Bestehenden). Also ist das, was einmal beschlossen wurde, vernünftig. Nun gut, der ganze Spuk begann mit dem ersten Beschluß von 1996, der demnach hätte bleiben müssen. Die Subreformen von 2002, 2004 und 2006 sind also als genauso unvernünftig anzusehen wie eine unterstellte Rückkehr zu einer alten Rechtschreibung. Ist übrigens nicht jede Schreibweise, die nicht mehr der Fassung von 2006 entspricht, eine „alte“? Hier verheddert Weimer sich bereits in seiner eigenen (oder Jessens) Argumentation.
Unvernünftig ist auch, was zusätzliche Millionen kostet. Wahrscheinlich darf man an dieser Stelle nicht fragen, ob denn die Millionen wenigstens sinnvoll ausgegeben wurden. Wie vernünftig (im finanziellen Sinne) war übrigens die „Abschaffung“ einer „alten Rechtschreibung“, wenn sie derartige Kosten verursachte? Prinzipiell ist gegen so eine Kosten-Nutzen-Rechnung nichts einzuwenden. Nur führt sie jeder Verantwortliche in der Privatwirtschaft durch, bevor er irgend etwas Bestehendes abschafft. Deshalb geht es ja auch gar nicht darum, mehr Geld dafür auszugeben etwas Marodes künstlich am Leben zu halten, sondern etwas tatsächlich Lebensfähiges (wieder)herzustellen. Sicher verursacht das weitere Kosten, aber wohl vernünftige und einmalige.
Zum dritten Beleg muß ich mich wohl nicht äußern, denn ich halte die hier und woanders schreibenden Menschen (besagte 55 Prozent der Allensbach-Umfrage) nicht für „keiner“ (in welchem Sinne auch immer).
Nun kommt eine konkrete Zahl, nämlich die 12 Millionen Kinder, die besagte alte Rechtschreibung nicht gelernt haben. Wie viele dieser 12 Millionen (die Zahl müßte zudem überprüft werden) wurden aber mit Subreformen beglückt, mußten also noch mehrmals eine weitere, jeweils neue Rechtschreibung lernen? Auch hier kommt wenig Argumentation, sondern plakativ nur ein großes Geschütz.
Auch zum letzten Punkt muß ich mich nicht mehr äußern, denn das hat Herr Riemer bereits mehrfach getan. Noch dazu in sehr verständlicher und keineswegs sich sprachlich verhaspelnder Weise. Außerdem möchte ich den Komparativ ja noch ins Diskussionsforum stellen.
Bleibt abschließend also höchstens Weimers Oxymoron (Reform = Abschaffung) im ersten Beleg, das man als rhetorische Meisterleistung bezeichnen könnte. Wenn es denn mal so beabsichtigt war. Ich vermute, bei der Kompilation aus diversen Texten ist einfach diese sehr eigenartige (den Sachverhalt jedoch treffende) Interpretation der Rechtschreibreform entstanden. Inhaltlich führt er sich dadurch übrigens noch ein viertes Mal ad absurdum. Aber das wäre dem Sätzchen wie dem ganzen Text dann doch zuviel der Ehre.

Sehr kurios ist bei dieser Gelegenheit schließlich die Tatsache, daß Sie Wittgenstein auf englisch zitieren. Herr Riemer wies inzwischen ebenfalls darauf hin. Einem einmaligen englischen Zitat aus dem „Tractatus“ würde ich keine Beachtung schenken. Aber er kommt gleich zweimal so daher, gleichsam als argumentum cum auctoritate. Deshalb gehe ich kurz auf diese angeblich englische Autorität ein. Da es sich hierbei bekanntlich um das einzige Buch handelt, das Wittgenstein selbst publizierte, verdient es diese Richtigstellung. Das Manuskript war im August 1918 – auf deutsch – abgeschlossen. Der ebenfalls deutsche Erstdruck erfolgte erst drei Jahre später im letzten Band der von Wilhelm Ostwald herausgegebenen „Annalen der Naturphilosophie“ (Bd. 14, 1921, Heft 3/ 4). Der Titel dieses Erstdrucks ist „Logisch-philosophische Abhandlung“.
Sie haben nun sicher recht, sich auf die zweisprachige Ausgabe von 1922 zu beziehen, denn Wittgenstein war mit der Erstveröffentlichung sehr unzufrieden und sprach von ihr gerne geringschätzend als „Raubdruck“. Diese erwähnte deutsch-englische Ausgabe erschien 1922 in London im Verlag von Routledge & Kegan Paul Ltd. Die englische Fassung, die Sie nun so eifrig bemühen, stammt aber nicht etwa von Wittgenstein, der zu dieser Zeit als Volksschullehrer in der Nähe von Kirchberg in Niederösterreich arbeitete, sondern vielmehr von Frank P. Ramsey, einem jungen Mathematiker aus Cambridge. Wie groß freilich Wittgensteins Einfluß auf Ramseys Übersetzung ist, wurde von der Forschung noch nicht abschließend geklärt (vgl. Joachim Schulte: Wittgenstein. Eine Einführung, bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart: Reclam 2001, S. 16—17). Die deutsche Fassung wurde anläßlich dieser zweiten Ausgabe von Wittgenstein überarbeitet. Erst mit diesem Druck erhält das Werk übrigens auch seinen neuen – heute bekannteren – Titel: „Tractatus logico-philosophicus“. Aber dieser Titel stammt nicht von Wittgenstein, sondern von Bertrand Russells Kollegen George Edward Moore. Sehr viel ausführlicher können Sie das alles in den auch von mir konsultierten Werken nachlesen: Georg Henrik von Wright: Wittgenstein, aus dem Englischen von Joachim Schulte. Ffm.: Suhrkamp 1986, S. 77—116 („Die Entstehung des Tractatus“) sowie die Einleitung der Herausgeber in: Ludwig Wittgenstein: Logisch-philosophische Abhandlung/ Tractatus logico-philosophicus. Kritische Edition, hrsg. von Brian McGuinness und Joachim Schulte, Neuausgabe, Ffm.: Suhrkamp 2001.

Lassen Sie mich aber noch einmal zusammenfassen, daß wir inzwischen zu viert sehr wortreich um eine Sache streiten, die Weimer für einen aktuellen Anlaß aus der Klamottenkiste des Jahres 2004 hervorgekramt hat. War das denn wirklich den ganzen Aufwand (Logik, Stilanalyse, Popper und Wittgenstein auf englisch) wert?

Im Prinzip könnte die Redaktion meinen ganzen Sermon löschen und nur den letzten Absatz stehenlassen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.07.2008 um 13.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12742

Verehrter Herr Gerlach,

ich wundere mich (nebenbei), daß Sie in einem deutschen Beitrag einen deutschsprachigen Autor auf englisch zitieren, obwohl er doch seinen Traktat, aus dem die Zitate stammen, auch zuerst auf deutsch geschrieben hat. Ist englisch irgendwie feiner?

Übrigens habe ich tatsächlich nicht behauptet, man dürfe statt eines "benötigten" Begriffs auch einen der Umgangssprache benutzen. Ich habe vielmehr behauptet, daß der Begriff des logischen Gegenteils in der Argumentation von Herrn Höher nicht benötigt wird.

Herr Weimer meint "keiner" ja auch nicht wörtlich, im Sinne von null Menschen beherrschen noch die alte Rechtschreibung. Genauso bedeutet "alle" in diesem Zusammenhang nicht absolut glatte 100%. Warum reiten Sie, verehrter Herr Gerlach, also hier auf dem logischen Gegenteil herum?
 
 

Kommentar von Karl-Heinz Isleif, verfaßt am 28.07.2008 um 08.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12739

Zu Herrn Rolf E. Gerlachs 1032#12738

Schon wieder einer, der sich berufen fühlt, unaufgefordert Haltungsnoten zu verteilen. So einen hatten sie hier schon einmal; er legte regelmäßig fest, wer in der Diskussion erwarten dürfe, ernstgenommen zu werden. Dessen Deutsch war mir zwar zu süßlich – aber "abergläubig" und Erdbeertortenwitze hätte er wahrscheinlich nicht veröffentlicht.

Herr Höher braucht sicher keine Unterstützung – und meine schon gar nicht. Nur: Seine Beiträge hatten bis jetzt immer Hand und Fuß, und ich habe sie mit Interesse gelesen. Ich hoffe nicht, daß es jetzt einem notorischen Haarspalter gelingt, mich dieses Vergnügens zu berauben.
 
 

Kommentar von Rolf E. Gerlach, verfaßt am 28.07.2008 um 03.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12738

Sehr geehrter Herr Höher! (1032#12694)

Ich verfolge diese Seite schon recht lange, nicht ganz regelmäßig, aber weitgehend vollständig. Für eine Internetdiskussionsrunde ist das Niveau sehr hoch. Daran ändern auch gelegentliche Anfällen von Logorrhoe in vollmondnahen Wochenendnächten nur wenig, jedenfalls bislang. Ich hoffe, daß es auch eine größere Zahl von passiven Lesern gibt.

Gerade weil das Niveau recht hoch ist, stören mich allerdings allzu große Nachlässigkeiten. Einer behauptet, daß man den albernen Einbürgerungsfragebogen mit gut 2 Versuchen durch simples Raten richtig ausfüllen könne und vergißt mal eben einen Faktor von ca. 10^10.
Ein anderer vergleicht die Reformer mit Autobastlern, die nach einem Schnellkurs die Bremsbeläge geschmiert haben - damit sie nicht so quietschen. Und ein dritter findet dieses skizzierte Werkstattbild menschen- und naturnah. (Diese beiden Beiträge sind schon etwas älter, ich habe sie aber gerade kürzlich gelesen. Sie stehen unter "Kabarett, Satirisches …" und sind auch so richtig komisch, allerdings anders als manche meinen. Denn natürlich werden Bremsbeläge geschmiert, um das Quietschen zu verhindern (das ist die Naturnähe), die Menschennähe liegt darin, daß man über etwas lacht, was man überhaupt nicht verstanden hat.)
Derlei Dinge können dazu führen, daß etwas weiter Außenstehende auch sinnvolle Beiträge nicht mehr ernstnehmen.

Besonders ärgert mich aber eine fehlerhafte Schlußweise, deshalb habe ich mich zu Ihrem Beitrag geäußert. Etwas verwundert bin ich allerdings über Ihre Uneinsichtigkeit.

Sie sagen nun, die Regeln der formalen Logik hätten Sie außer acht gelassen – eben das bemängele ich ja. Sie haben sich nicht ungenau ausgedrückt, sondern das, was Sie meinen, ist falsch. Da hilft es auch nicht weiter, zu behaupten, im System des Gegners werde ebenfalls unsauber argumentiert.
Für Ihre Argumentation benötigen Sie das logische Gegenteil von keiner, und das muß – und kann auch umgangssprachlich - angemessen genau beschrieben werden. Die Bemerkungen von Riemer sind nicht ernstzunehmen, behauptet er doch tatsächlich, wenn man sich der Umgangssprache bediene, dürfe man statt des benötigten Gegenteils auch einen anderen Begriff verwenden, nur weil dieser umgangssprachlich zuweilen als Gegenteil bezeichnet wird. Vor lauter Angst als Fachidiot zu gelten, kann er offenbar die Relevanz seiner Fachkenntnisse nicht mehr einschätzen. Ihr Argumentationsziel, Weimers habe indirekt gesagt, die Reformschreibung werde von allen beherrscht, erreichen Sie definitiv nicht.

Ich fordere hier keine strenge Wissenschaftlichkeit und sage Ihnen nicht: What can be said at all, can be said clearly [Wittgenstein]. Vielmehr halte ich es [im Sinne von Popper] für sinnvoll, die Präzision nicht zum Selbstzweck zu machen, sondern bei Bedarf nachzupräzisieren. Das kann aber natürlich nur gelingen, wenn die hinter der Formulierung stehende Schlußkette richtig ist. Sollten Sie die Fehlerhaftigkeit Ihrer Schlußkette allerdings nicht einsehen, käme ich doch wieder auf Wittgenstein zurück: Whereof one cannot speak, thereof one must be silent.

Auf den Komparativ will ich hier nicht noch einmal eingehen, füge aber nun hinzu, daß auch Ihr Absatz 1 des Beitrags #12667 nicht überzeugt. Weimer schrieb, die Reformgegner störe die "Liberalisierung" der Schreibweisen. Das ist so ziemlich der einzige Punkt seines Geschwätzes nach Politikerart, bei dem er tatsächlich recht hat.

Ich bin also keineswegs der Meinung, daß sich Weimer in dem zitierten Satz dreimal ad absurdum führt. Im Gegenteil, das ist ein geschickt formulierter Satz. Man beachte Stilmittel wie die einleitende "Tatsache", den unbestimmten Artikel bei Rechtschreibung und das – eigentlich falsche – Imperfekt beim Komparativ.

Coram puplico wäre er Ihnen damit schon einige Schritte voraus. Nun kommen Sie mit Ihrem Gegenteil. Wenn das Publikum das hergibt, sagt er Ihnen möglicherweise – solche Leute sind oft nicht so dumm, wie sie sich geben –, daß Sie ja nichteinmal das Gegenteil von keiner kennen. Wahrscheinlicher ist, daß er Sie bittet, das noch mal zu wiederholen. Spätestens bei der zweiten Wiederholung – auch ohne, daß Sie sich wie Riemer sprachlich verhaspeln – kichert das Publikum, und für ihn "ist die Sache erledigt". Kann sein auch, Sie treffen ihn – ohne Publikum – in Ihrer Stammkonditorei, wo er gerade appetitvoll ein Stück Erdbeertorte ißt. Wütend sagen Sie zu ihm [nicht daß ich Ihnen tatsächlich diese Diktion unterstelle]: "Sie sind ein Schwein, wissen Sie das?" Und er antwortet: "Klar weiß ich das, es muß allerdings unter uns bleiben."

Sie sehen, daß Sie sich gegen Leute wie Weimer sowieso etwas mehr einfallen lassen müssen; natürlich ist das nicht so einfach [siehe z.B. Mahlmann, 1032#12691]. Pseudologische Hopplahopp-Beiträge allerdings sind der Sache wenig dienlich.

(Zum Satz: "Nachts ist es kälter als draußen" vielleicht demnächst. Ich erinnere daran, daß die Variante mit "hier" nur ein Wegweiser ist. Eine weitere Hilfe könnte das sein, was ich zum Komparativ gesagt habe.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.07.2008 um 23.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12723

Weimer (2008) zitiert sich selbst (2004) und plagiiert dabei Jessen (2004), indem er die Anführungszeichen einfach wegläßt.
 
 

Kommentar von Calva, verfaßt am 23.07.2008 um 20.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12722

Weimer feat. Weimer vs DJ Textbaustein. Die beiden identischen Artikel aus dem Handelsblatt und Cicero sind ein Remix von

Die Freiheits-Legasthenie (2004)
http://www.cicero.de/kol_print.php?ress_id=7&item=10049
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 23.07.2008 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12721

Lieber Herr Ludwig,

das Zitat "Ignorieren bestehender Rechtsnormen" ist so markant, da erzielen Sie mit jeder Internet-Suchmaschine Volltreffer (z. B. diesen: http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=702#702) – und auch auf diesen Seiten hier werden Sie dabei fündig.
 
 

Kommentar von I-H-S, verfaßt am 23.07.2008 um 10.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12719

Herr Strasser schrieb:

Journalisten möchten gelesen werden, daher versuchen sich viele von ihnen im sogenannten zeitgeistigen Stil und streuen ein wenig Provokation ein. Kaum einer fühlt sich einer faktenklärenden Recherche verpflichtet; wichtig ist nur, sich selbst aus der Masse des Pöbels herauszuheben und sich dann dabei wohl zu fühlen, den Finger auf vermeintliche Wunden legen zu können.

Ich aber sage euch:

Es gibt auch andere Journalisten, sie haben sich hier immer wieder gezeigt und wurden doch immer mit in den Pressetopf geworfen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.07.2008 um 00.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12715

Was weiß ich, lieber Herr Höher, warum da irgendein deutsches Fernsehprogramm was zur Rechtschreibreform am 14. Juli brachte. Ich versuche nur, Daten zu belegen. Die Red. mag das nicht so gern, aber ich würde es begrüßen, wenn ich auch in unseren Foren mehr Belege mitgeliefert bekäme, so daß ich hier in den USA mit so einigem, was den Nagel Deutsche Rechtschreibreform auf den Kopf trifft, auch selbst hausieren gehen kann ("Wir erinnern uns, was Weimer – damals noch WELT-Chefredakteur – nach der Rückumstellung der FAZ zum besten gab [...]": Wo und wann genau?).

Was den 1. August angeht: Seien Sie versichert, daß ich einen Viertel Erdball von Ihnen weg mein Glas mit Ihnen zusammen — wenn auch zeitverschoben (Inga promiller! Und hier komme ich aus und zu meiner Klause im Hinterland nur per Auto!) — hebe und auf das Weiterleben der Qualität unserer Diskussionen hier ein Bier aus Deutschland trinke. — Und damit Ihr und mein Brief hier nicht als irrelevant verschoben werden: Beide haben auch was mit Entrückung zu tun, aber mit verständlicher.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 22.07.2008 um 20.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12714

Lieber Herr Ludwig,

jetzt tun Sie mir das bitte nicht an! Ich möchte doch unbedingt nächste Woche Freitag, also am 1. August, meinen Sektkorken hüpfen lassen.

Der 14. Juli ist bei mir nun einmal belegt als Nationalfeiertag Frankreichs und der 1. August als Tag der staatlichen Zwangsdurchsetzung des Dummschriebs in Deutschland. So kann sich das mein armes Köpfchen doch auch viel besser merken. Sonst komme ich bestimmt noch mit dem Sturm auf die Bastille und dem Sturm auf die herkömmliche Rechtschreibung durcheinander und weiß schließlich gar nicht mehr, wann ich warum mein Bett(t)uch schwenken muß.

Also bitte, am 1. August 2008 gilt es, zehn Jahre gescheiterte (aber leider doch immer noch vor sich hinvegetierende) Rechtschreibreform zu feiern. Zumal ich ja auch noch den Sekt kaltstellen muß.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 22.07.2008 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12713

Zu #12703:
"Das einzig Neue in diesem Kontext seit August 2006 ist das Ergebnis der Allensbach-Umfrage, die der Reform katastrophale (Schul)noten nachweist." — Naja, da war halt auch noch ein Jahrestag, der wohl auch eine Rolle gespielt hat, und ein (leider unbelehrbarer) Freund schreibt mir, am 14. Juli "gab es zu der nun 10 Jahre alten deutschen Orthographie auch einen kurzen Kommentar im Fernsehen, bei dem dann wenige Fast-Kuriositäten aufgespießt wurden, so das dreifache -t bei Betttuch, das ja aber auch einer gewissen Logik nicht entbehrt; denn mit zwei -t könnte man meinen, es handelte sich da um ein Bet-Tuch. Interessant ist auch, dass der Sohn des ersten Herausgebers des Plattdeutschen Wörterbuches vor ein paar Jahren darauf bestanden hat, den Namen jetzt Sass zu schreiben, während sein Vater sich Saß schrieb. Der Sohn wollte nicht, dass man den Namen mit langem -a aussprach. So heißt also nun das Wörterbuch [...] 'der neue SASS'."
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 22.07.2008 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12711

Die Profis denken nicht so viel beim Schreiben - es ist einfach Mitläufertum:
- Der Verlag stellt auf amtliche Rechtschreibung um, weil man ihm sonst Schwierigkeiten bei der Auftragsvergabe macht.
- Die angeschlossene Zeitungsredaktion hat zu spuren.
- Der Journalist übernimmt die Weisung vom Chef-Redakteur. Deutschland ließe sich nach diesem Mechanismus problemlos auf Khmerschrift umstellen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 21.07.2008 um 15.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12704

Herr Höher, d'accord.
Ich glaube nur, daß von einer großen Zahl an Lesern die Aussagen nicht als "Pfeifen im Walde" aufgefaßt werden, sondern als wissenschaftlich fundierte fachkompetente Bewertung, die durch das Ansehen des Mediums, in dem sie erscheinen, noch an Gewicht und Glaubwürdigkeit gewinnen.

Daß etwas passiert sein muß, das Weimer veranlaßt, in der aktuellen Nummer zur Rechtschreibreform Stellung zu beziehen, leuchtet mir ein. Insofern kommt die Allensbach-Umfrage wieder in's Spiel.
Trotzdem glaube ich nicht, daß Weimer und Co. wider besseren Wissens für die Rechtschreibreform eintreten. Sie tun es kraft schlechteren Wissens.
Und dieser Glaube an die eigene "absolute Weisheit", wie Sie so schön schreiben, tut ein übriges.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 21.07.2008 um 15.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12703

Lieber Herr Mahlmann,

Sie schrieben:

Sie [= Weimer, Jessen und Co.] haben aufgehört, die Rechtschreibreform zu thematisieren, als sie nach ihrer Einführung als journalistisches Tagesthema nicht mehr aktuell war - so wie man eben die Zeitungsmeldung von gestern vergißt, sobald sich eine neue Nachricht in den Vordergrund stellt.

Irgendwie ist die Rechtschreibreform nun aber doch wieder journalistisches Tagesthema geworden, denn sonst würden diese Leute sich ja nicht so ereifern. Gab es eine weitere Subreform? Nein. Hat sich sonst etwas geändert? Das einzig Neue in diesem Kontext seit August 2006 ist das Ergebnis der Allensbach-Umfrage, die der Reform katastrophale (Schul)noten nachweist. Ob die beiden die Umfrage nun persönlich zur Kenntnis genommen haben, oder ihre jeweiligen Chefredaktionen, soll mir einerlei sein. Gerne pfeifen dann auch die versammelten Chefredaktionen im Walde.

Wir hatten doch hier auch kurz nachdem die Umfrage bei den Nachrichten eingestellt war, die Ausbrüche eines gewissen Kritikasters. Zufall? Ich denke nicht.

In puncto Ansehen und Wichtigkeit dieser Zeitung und Zeitschriften haben Sie ganz recht. Aber genau deshalb kommen doch jetzt diese Artikel zu einem Thema, das eigentlich die Zeitungsmeldung von gestern ist.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 21.07.2008 um 14.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12702

Lieber Herr Höher,
ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen, daß Geschwafel wie das der Herren Weimer und Jessen Pfeifen im Walde angesichts einer katastrophalen Lage sei.
Haben Weimer und Jessen tatsächlich die Allensbach-Umfrage registriert? Haben sie ein Bild von den Rechtschreibleistungen der Schüler? Machen sie sich Gedanken zur Rechtschreibsicherheit im allgemeinen? Zur Orthographiesituation in Redaktionen und Verlagshäusern?
Ich glaube, die beiden wissen es einfach nicht besser und interessieren sich auch nicht dafür. Sie haben aufgehört, die Rechtschreibreform zu thematisieren, als sie nach ihrer Einführung als journalistisches Tagesthema nicht mehr aktuell war - so wie man eben die Zeitungsmeldung von gestern vergißt, sobald sich eine neue Nachricht in den Vordergrund stellt. Und damals hatte die Rechtschreibreform eben noch einen guten Ruf.
Da die Herren danach nicht weiter darüber nachgedacht haben, haben sie auch keinen Anlaß, an dem guten Ruf und an der Berechtigung von dessen Begründung zu zweifeln.

Ich glaube vielmehr, daß Weimer und Jessen gerade auch durch die Häuser, für die sie arbeiten, als sehr renommiert und verläßlich gelten, so daß ihre Urteile wohlwollend und ungeprüft aufgenommen und geglaubt werden, so hanebüchen sie auch sein mögen.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 21.07.2008 um 13.48 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12701

Lieber Herr Konietzko,

das war im Jahre 2005! Und noch dazu ein Bekenntnis von Herrn Ickler, der sich doch gerade mit den Verästelungen der Rechtschreibung in ihren diversen Stadien auskennt, wie kaum jemand. Inzwischen sind aber noch die ganzen Duden-Empfehlungen und Varianten des Amtlichen Regelwerkes seit August 2006 hinzugekommen. Ich schließe mich daher Ihrer Vermutung an.

Die Zeitungen beherrschen ihre eigenen Hausorthographien nicht, die Verlage beherrschen die jeweils geltende Staatsorthographie nicht (bei Rowohlt seit 2002 meist nur der gleiche Hinweis "Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung") und die Ministerien in ihren diversen Verlautbarungen zeigen, daß sie fast gar nicht mehr ("amtlich korrekt") schreiben können.

Ich vermute in Artikeln wie denen von Weimer und Jessen wirklich nur das bekannte Pfeifen im Walde angesichts des allgemeinen Desasters und der Allensbach-Umfrage im Hintergrund.

Anmerkung zu Rowohlt:

Ich habe hier beispielsweise Paul Austers "Nacht des Orakels" (Deutsch von Werner Schmitz) aus dem Jahre 2004 im Regal. Wir erinnern uns: die 21. Auflage des Duden erschien 1996, die 22. 2002 und die 23. 2004. Welchen Regeln entspricht nun die Übersetzung? Ich habe keine rechte Lust, das zu überprüfen, da ich bereits auf Seite 19 mit der Lektüre aufgehört habe. Ich blättere jetzt geradewegs auf. Seite 134: ges-tern. Nein danke!
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 21.07.2008 um 13.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12700

Es ist gut möglich, daß kein einziger die derzeitige Staatsrechtschreibung völlig beherrscht. Herr Ickler hat bereits am 29.5.2005 in einem Tagebucheintrag unter der Überschrift Ich kenne mich nicht mehr aus (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=112) seine Verwirrtheit angesichts der vielen Versionen des Reformschriebs geschildert. Und daß auch die Reformer ihre selbstgebastelte Rechtschreibung nicht beherrschen, wurde meiner Erinnerung nach schon mehrmals gezeigt.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 21.07.2008 um 12.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12698

Zu Herrn Gerlach (1032#12693):

Der eigentlichen Sache ist mit einer scheinbar logischen Argumentation, die aber tatsächlich die Gesetze der formalen Logik grob verletzt, wenig gedient.

Ich bin an diesen einen Satz Weimers nun keineswegs nach den Gesetzen der formalen Logik (der Mathematik oder Philosophie) herangegangen. Die Regeln, mit deren Hilfe ich an einen Text herangehe, werden in solchen Fällen, wo es ja nicht um ein streng wissenschaftliches Arbeiten geht, stets vom Text (bzw. dessen Autor) selbst festgelegt. Weimer versuchte hier ‚logisch’ zu argumentieren (was immer er genau darunter verstehen mag) und innerhalb dieser Parameter bin ich weitgehend geblieben.

Zu meinem angeblich falsch verstandenen Komparativ hat Herr Riemer inzwischen dankenswerterweise das Nötigste gesagt, ebenso zu dem „falschen Gegenteil“.

Welchen Sinn hätte es wohl, wenn ich jemandem wie Weimer, der ja die absolute Weisheit gepachtet hat, damit käme, eine andere Maßeinheit anzulegen? Um ihn bloßzustellen, begebe ich mich daher auf die Ebene seines Systems und zeige ihm dort die Widersprüche seiner Aussagen mit seinen eigenen Mitteln. Denn schließlich sind es immer wieder diese Leute, die sich sonst lautstark beschweren, man täte ihnen unrecht. Dies freilich mit dem gesamten Text zu machen, fehlen mir Zeit und Lust. Auch hat Kratzbaum hierzu bereits richtige Hinweise gegeben (29#3631).

Mit dem Komparativ scheint Höher (nomen non est omen) ein grundsätzliches Problem zu haben. Dies zeigt auch die Fehlinterpretation seines vor ca. vier Monaten angeführten Beispielsatzes "Nachts ist es kälter als draußen". Worin liegt denn nun wirklich der empfundene Unsinn? Eine kleine Hilfe habe ich schon damals gegeben.

Sie haben damals meinen semantisch falschen Vergleich mit Hilfe des kleinen Wörtchens „hier“ ergänzt: Nachts ist es hier kälter als draußen. (92#3076)

Aber auch damit vergleichen Sie doch immer noch eine Temporalangabe (wann? nachts) mit einer Lokalangabe (wo? draußen). Also werden eigentlich immer noch meine Äpfel mit Birnen verglichen. Im übrigen verwende ich diesen Satz stets als Negativbeispiel. (92#3051) D. h. ich möchte von meinen Kursen wissen, warum der Satz „falsch“ ist, obwohl er doch grammatisch anscheinend korrekt gebildet ist.

Was bitte ist daran falsch, wenn ich behaupte, hier werde eine Temporalangabe mit einer Lokalangabe verglichen? Und warum zeige ich damit ein grundsätzliches Problem mit dem Komparativ? Um diesen Strang nicht zu überlasten, können wir hierzu gerne ins Diskussionsforum ausweichen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.07.2008 um 03.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12695

Herr Gerlach:
"Das Gegenteil von "keiner" ist nicht "alle", sondern "einige" (genauer: "mindestens einer")."

Ich bin zwar Mathematiker, trotzdem hoffe und glaube ich, mich noch nicht ganz zum Fachidioten entwickelt zu haben. So kann ich also sehr wohl das mathematische Gegenteil (die Negation) davon unterscheiden, wenn jemand umgangssprachlich z.B. sagt: nicht keiner, sondern, ganz im Gegenteil, alle sollten die Rechtschreibung beherrschen. Hier bedeutet das Gegenteil keine mathematische Negation, sondern etwas Gegensätzliches.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.07.2008 um 02.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12694

Herr Gerlach:
"Aus der Aussage "Haus A ist höher als Haus B", folgt aber nicht, daß auch nur eines der beiden Häuser "hoch" ist. Schon gar nicht wird der Komparativ eingesetzt, um derartiges auszusagen."

Aber aus der Aussage "Haus A ist noch höher als Haus B" (kein Komma) folgt sehr wohl, daß beide Häuser hoch sind. Der Komparativ mit "noch" wird üblicherweise eingesetzt, um derartiges auszusagen, siehe auch den Beitrag 1032#12667 von Oliver Höher.
 
 

Kommentar von Rolf E. Gerlach, verfaßt am 20.07.2008 um 20.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12693

Zum Beitrag 1032#12667 von Oliver Höher

Wenn nun gerade einer – ähnlich wie ein anderer vor genau vier Wochen (fast könnte man abergläubig werden) – "beim Sichlächerlichmachen ist", darf natürlich jeder mitmachen, ein scheinbar sachlicher Beitrag wirkt aber stilistisch deplaziert.

Der eigentlichen Sache ist mit einer scheinbar logischen Argumentation, die aber tatsächlich die Gesetze der formalen Logik grob verletzt, wenig gedient. Deshalb einige Bemerkungen:

Zu 2: Das Gegenteil von "keiner" ist nicht "alle", sondern "einige" (genauer: "mindestens einer").

Zu 3: Der Komparativ – jedenfalls der mit als – dient dem Vergleich zweier Größen. Er dient nicht dazu, Objekten die Eigenschaft des entsprechenden Positivs anzudichten.
Mit dem Komparativ höher werden beispielsweise zwei Höhen verglichen. Aus der Aussage "Haus A ist höher als Haus B", folgt aber nicht, daß auch nur eines der beiden Häuser "hoch" ist. Schon gar nicht wird der Komparativ eingesetzt, um derartiges auszusagen.

Mit dem Komparativ scheint Höher (nomen non est omen) ein grundsätzliches Problem zu haben. Dies zeigt auch die Fehlinterpretation seines vor ca. vier Monaten angeführten Beispielsatzes "Nachts ist es kälter als draußen". Worin liegt denn nun wirklich der empfundene Unsinn? Eine kleine Hilfe habe ich schon damals gegeben.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.07.2008 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12692

Aus den Sprüchen des CSU-Chefs Franz Josef Strauß: z.B. zur Gebietsreform in Bayern von 1978: "falsch angelegt, leichtfertig begonnen und stur durchgeführt". Paßt u. a. auch zur R-Reform.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 20.07.2008 um 14.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12691

Am meisten frustriert mich an den Äußerungen von Weimer und Jessen, daß sie unwidersprochen eine große Zahl an Lesern erreichen und dort wirken.
Abgesehen von der technischen Schwierigkeit, eine Widerrede frei von allem zu halten, was den Reformkritikern vorgeworfen wird (Besserwisserei, Ewiggestrigkeit, Halsstarrigkeit etc.), wird sich kaum jemand finden, der zum einen die publizistische Möglichkeit und zum anderen das sachliche Interesse hat, den Unsinn aufzudecken und den Sachverhalt richtigzustellen.
Wie Frau Pfeiffer-Stolz schon andeutete, halten sich die meisten Leute an das, was sie in den Medien vernehmen, und sind überzeugt davon, daß das richtig ist - insbesondere gilt das für die Glaubwürdigkeit der Journalisten. Die nutzen ihre Stellung aus, um in der Öffentlichkeit ihren Berufsstand und natürlich auch ihre Person als untadelig, integer, nur der Wahrheit verpflichtet und vielfach auch unfehlbar darzustellen.
Der Erfolg ist da. Die Leute glauben ihnen. Ein Umschwenken in der Frage der Rechtschreibung käme einem Eingeständnis gleich, sich geirrt zu haben. Das würde ihnen zwar niemand übelnehmen, die Journalisten selbst könnten es aber wohl nicht ertragen.

Zu Cicero: Ich habe vor Jahren einmal eine Nummer gekauft, weil mich der Untertitel "Magazin für politische Kultur" neugierig gemacht hat. Nach der Lektüre habe ich das Heft angewidert von dem affektierten, selbstgerechten Geschreibsel weggeworfen. Die jetzige Einlassung zur Rechtschreibreform bestätigt meinen Eindruck von damals voll und ganz.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.07.2008 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12689

Der CICERO-Mann ist halt Journalist.
Journalisten möchten gelesen werden, daher versuchen sich viele von ihnen im sogenannten zeitgeistigen Stil und streuen ein wenig Provokation ein. Kaum einer fühlt sich einer faktenklärenden Recherche verpflichtet; wichtig ist nur, sich selbst aus der Masse des Pöbels herauszuheben und sich dann dabei wohl zu fühlen, den Finger auf vermeintliche Wunden legen zu können.
Es darf angenommen werden, daß der Mann von anderen Dingen etwa die selbe Ahnung hat wie von der RSR. Journalisten haben halt im Mittel wenig wirkliche Ahnung von Dingen, es bleibt oberflächlich, und der Großteil der Leser merkt es auch nicht. Vermutlich hat jeder schon die Erfahrung gemacht, daß Journalisten, wenn sie über Dinge schreiben, bei denen man sich selbst auskennt, also selbst ein Fachmann ist, vollkommen daneben liegen mit ihrer Berichterstattung. So ist das eben, ein Großteil der Artikel hat hauptsächlich den Zweck, Zeitungspapier mit Halbwahrheiten einzufärben.
Um aber auf den CICERO-Mann zurückzukommen. Er selbst macht von der von ihm so gelobten Schreibfreiheit keinen Gebrauch. Sein Text enthält keine lächerlichen GKS-Beispiele und auch die GZS würde ich bei diesem Text genauso wählen. Ein Beistrich fehlt, scheint aber eher ein Versehen zu sein. Einzig die s-Schreibung ist reformiert; wo bitte, soll hier denn die große Freiheit liegen. Er selbst zeigt mit dieser Schreibweise doch, daß er gleich angepaßt ist wie jene, denen er Vorwürfe macht. Das kommt schon ein wenig peinlich.
Authentische Kritik gibt’s nur, wenn die Argumentationskette frei von Peinlichkeiten ist.

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.07.2008 um 11.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12688

Wirklich geholfen hätte schwachen Schülern eine "Liberalisierung" von Mathematik und Naturwissenschaften. Zu Rechenschieber-Zeiten war 2 mal 3 nur ungefähr 6, und wer den Rechenschieber zur Hand nahm, "wurde ungenau". (Spaß muß auch mal sein.)
 
 

Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 20.07.2008 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12687

Ist Jens Jessen so dumm wie die Masse? Partiell, fürchte ich, ja. Was die R-Reform betrifft, ist er in bester Gesellschaft, da haben die meisten einen blinden Fleck, den auch ein sonst scharf blitzender Verstand gar nicht wahrnimmt. Meine Kündigung der FAZ und der Lokalzeitung habe ich mit dem Vertrauensverlust begründet, den ich angesichts der naiven Haltung zur Reform erlitt: Was kann eine Zeitung wert sein, die einen Skandal dieser Kategorie durchgehen läßt und sich in einer für sie doch elementaren Sache Scharlatanen unterordnet. Das blieb natürlich ohne Reaktion - wegen des blinden Flecks - und auch Frau Pfeiffers Äußerungen würde man nur unter leichtem Heben einer Augenbraue als maßlose Übertreibungen abtun: wie kann man nur eine schöne Liberalisierung so gründlich verkennen? Der Stichtag 1. August wird wohl in einigen Jahren als ein Tag der Befreiung gelten. Ein vernünftiges Gespräch mit diesen Leuten ist, wie Herr Ickler schon gleich sagte, einfach nicht möglich, und das erregt Besorgnis.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 20.07.2008 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12686

Alles läßt sich nun einmal unter Mißachtung des eigentlichen öffentlichen Zwecks den privaten Bedürfnissen unterordnen, ob es nun ein Forum ist oder ein Begriff. Von den Begriffen will ich nun reden, angeregt durch Jessens „Liberalisierung“.

Wortkriege

Im demokratischen Ringen um Macht und Einfluß fließt kein Blut. Als Waffen dienen Begriffe. Wem es gelingt, positiv klingende Begriffe zum eigenen Nutzen neu zu definieren (Definitionshoheit) weitet seine Macht aus. Das gab es zu allen Zeiten. In der Massendemokratie heutiger Prägung entfaltet sich damit eine besondere Wirkung. Die Mehrheit der Wählenden (one man, one vote) wird sich nicht in allem kundig machen können –- bedenken wir, wer alles zur Urne schreitet! Der Durchschnittswähler verfügt weder über Zeit noch über die geistigen Interessen, sich in allen Fragen der Politik entsprechend zu bilden (wozu doch mehr gehört als die Lektüre der Tagespresse!). Somit sind seine Ansichten über die Politik eine hochemotionale Angelegenheit, dem gerade herrschenden Zeitgeist angeglichen. Worte sind die Munition, mit der die Meinungsmacher „Land besetzen“. Da das Beherrschtsein nicht angenehm ist, darf es den Leuten nicht zu Bewußtsein kommen. Zu diesem Zweck werden angenehme Begriffe in neuen, unangenehmen Zusammenhängen verwendet. Nicht mehr der Verständigung sollen sie dienen, sondern dem bewußt produzierten Mißverständnis. Die Fesseln, mit denen die neuen Machthaber regieren, nennen sie „Freiheit“. Und ist es nicht seltsam? Wir glauben mehr dem Wort als der Wirklichkeit und akzeptieren die „Freiheitsfesseln“.

Wer denkt denn schon in die Tiefe, wenn er das Wort „liberal“ im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform liest? Neben der Neugier ist nun eben auch die Trägheit ein Wesenszug des Menschen. So entstehen Mythen und Dogmen. Einmal in der Welt, werden sie mündlich und schriftlich perpetuiert und führen sozusagen ein ewiges Leben. Der größte Unsinn hat sich auf diese Weise über Jahrhunderte hinweg etabliert.

Die sogenannte Rechtschreibreform bietet für Studien dieser Art reichlich Stoff. „Liberalisierung“, dieses freundliche Wort, wurde vom Journalisten Jens Jessen gereadezu gemeuchelt. Verblieben ist die schmeichelnde Klanghülle, nichts sonst. Wenn Jessens Leser nachdächten, würden sie die Pervertierung des Begriffs erkennen: liberal kann nur eine Politik sein, die sich möglichst wenig einmischt; liberal wäre eine Rechtschreibreform gewesen, die als Angebot in den Raum gestellt worden wäre, nicht als Befehl; liberal hieße, die Freiwilligkeit der Teilnahme zu gewährleisten und gegensätzliche Meinungen zu tolerieren. Doch gerade dies war nicht der Fall.

Mit dem Begriff „liberal“ wird ebensoviel Schindluder getrieben wie mit dem Wörtchen „sozial“. Am Ende weiß niemand mehr, was sie bedeuten. Die sogenannte Rechtschreibreform war ein autoritärer, ja gewaltsamer Akt. Höchst undemokratisch durchgeführt, motiviert durch die Eigeninteressen einer kleinen Gruppe. Wir haben es mit einem Putsch von Sprachgenerälen zu tun, die das Traditionelle mit Hilfe der Staatsgewalt unerbittlich hinweggefegt haben. Jessen nennt das „Liberalisierung“, und gegen eine solche im ursprünglichen Sinne des Wortes kann nun tatsächlich nur eine elitär-autoritäre Schicht etwas haben. Die formale Aussage stimmt wie zwei plus drei gleich fünf: Wer gegen Liberalität ist, dient der guten Sache nicht und muß bekämpft werden. Nur daß Jessen mit dampfenden Pferdeäpfeln jongliert statt mit Ziffern.

Weshalb gibt sich ein etablierter Journalist für so etwas her? Zwei Möglichkeiten gilt es in Betracht zu ziehen. Die eine wäre sein Versuch, mittels Begriffsverdrehung die Herrschaft der Machtelite zu stützen, weil sie ihn trägt. Das ist ganz einfach nur die Skrupellosigkeit des Eigeninteresses. Die andere Möglichkeit mag man kaum in Betracht ziehen, weil es ganz und gar unwahrscheinlich klingt, und doch drängt sich die Frage auf: Ist Jens Jessen eventuell so „dumm“ wie die Masse, die so gut wie alle Verbaltorheiten für bare Münze nimmt?

Das Auseinanderdriften von Realität und verbaler Fiktion zeigt sich darin, daß einerseits das Versagen der Reformschreibung von jedermann bemerkt und auch heftig beklagt wird, andererseits dieselben Leute hartnäckig behaupten, die Reform sei ein Gewinn gewesen. Sobald sich der Mythos von der „guten Rechtschreibreform“ gebildet hat, kann man den Leuten nicht mehr mit Argumenten beikommen. Einem Gläubigen wird man den Glauben nicht ausreden können, Beweise hin, Beweise her. Dazu gesellt sich das außerordentlich kurze Gedächtnis der Menschheit, das ja all unseren lieben Politikern sosehr zugute kommt. Allmählich verbreitet sich unter der jungen Generation die durch nichts zu rechtfertigende und ungeprüfte Ansicht, die „alte“ Rechtschreibung sei noch viel schwieriger gewesen. Das Verbiegen und Neudefinieren von Worten und Begriffen ist und bleibt eines der wichtigsten Kampfmittel der Verteidigung eigener Machtpositionen, und kaum jemandem fallen die Unstimmigkeiten auf. Sollte einmal ein einzelner lauthals auf den nackten Kaiser aufmerksam machen, wird man mit diesem Miesmacher und Dummkopf schnell fertig werden. Dazu hat man Leute wie Jessen und Weimer, und man honoriert sie gut für ihre intellektuellen Unredlichkeiten, die sie im Interesse der Machtelite ausüben.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 19.07.2008 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12677

"Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb. Doch sie konnten zueinander nicht kommen, die Alster war viel zu tief." (Das geht auch an Sie, werte Frau Leljanowa.)
 
 

Kommentar von WL, verfaßt am 19.07.2008 um 23.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12676

Und Sie glauben tatsächlich, das würde irgendjemanden interessieren?

Schade – da hilft wohl gar nichts. Ich muß da an die während der letzten Regentage hier grassierenden Nacktschnecken denken. Die kriegt man auch nicht los, mit gutem Zureden schon gar nicht. Kaum hat man sie alle durchgeschnitten, weggetragen, im Bier ersäuft, mit Schneckenkorn in ihren Urschleim verwandelt oder mit Salz in Urschaum – schon sind die nächsten da und schleimen weiter

Schade um das gute Gemüse.

Hoffen wir halt auf trockenes, heißes Wetter.
 
 

Kommentar von Ph. K., verfaßt am 19.07.2008 um 22.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12675

Lieber Herr Lachenmann,

meinen Sie mich? Wenn ja, dann sagen Sie es doch ruhig. Das wäre besser, als mit einem Allgemeinplatz zu kommen. Ich will hier keine persönliche Auseinandersetzung wieder aufwärmen, schien mir doch hier die vorsichtige Friedenspfeife gekreist zu sein, aber ich zeige mich schon irritiert, wenn gehobene Schreiber sich auf das Niveau herablassen, zunächst einmal den Namen eines Mitdiskutanten durch die Mangel zu nehmen. Das kennt man ja sonst aus dem Internet zur Genüge, auf diesen Seiten hätte ich das eigentlich nicht erwartet.

Vielleicht ist meine Kritik auch zu wortreich ausgefallen. Aber wenn jemand versucht, meinen Namen und den meiner Ahnen zu verunglimpfen, reagiere ich nun einmal, verständlicherweise, wie ich hoffe, sehr ungnädig. Ich tue andern Familien das ja auch nicht an.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 19.07.2008 um 22.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12674

Forumsteilnehmer oder meinetwegen Diskutanten, die hier so oft ihre Beiträge oder an bestimmte Einzelpersonen gerichtete Botschaften mit Nachträgen ergänzen oder sich selbst kommentieren müssen, daß der Leser sowohl die beabsichtigte Aussage völlig aus den Augen verliert (ganz abgesehen von deren nicht unbedingt wissenswerten Informationsgehalt) als auch das Thema, um das es in dieser Rubrik überhaupt geht, empfehle ich dringend, ihre "Postings", wie es so schon heißt, zunächst ins Unreine in ein normales Word-Dokument zu schreiben, den Text in dieser Form zwei bis drei Stunden oder am besten über Nacht ziehen zu lassen, und ihn dann, mit ausgeruhtem Kopf nochmals kritisch zu lesen. Und dann nur solche Texte, nach sorgfältiger intellektueller und sprachlicher Überarbeitung wirklich in die Diskussion einzubringen, von denen er felsenfest überzeugt ist, daß sie für den hier versammelten Leserkreis von brennendem Interesse sind.

So könnte die Diskussion – und auch die Gedankenwelt des Autors – von Gerümpel freigehalten bzw. entrümpelt werden.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 19.07.2008 um 18.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12672

Enemy mine, Herr Markner,

[. . .] Bitte sehen Sie es mir nach: nach einem Satz wie "Die Zahl der Regeln wurde halbiert" kann ich einfach nicht weiterlesen, danach kann nur noch Sowjetpropaganda folgen. Das ist doch genau das, was man uns seit Jahr und Tag weismachen will. Erstens stimmt das nicht, und zweitens ist die geringstmögliche Anzahl an Regeln auch kein erstrebenswertes Ziel: es sollten eben so viele Regeln sein, wie wir sie brauchen. Nicht mehr, nicht weniger.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.07.2008 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12671

Wolfram Weimers "Liberalisierung der Schreibweisen" ist einerseits Orwellscher Neusprech, denn die Schüler werden jetzt zur reformierten Schreibweise gezwungen, und andererseits ein Euphemismus für die Abschaffung bedeutungsunterscheidender Schreibweisen, die trotz unterschiedlicher Bedeutungen nur Varianten sein sollen und deren Bedeutungsunterschiede aus den Wörterbüchern gelöscht wurden.

Wirklich liberal haben die Franzosen gehandelt, als sie lediglich die Lehrer dazu verpflichten, sowohl die bisherigen Schreibweisen als auch die der neuen "Empfohlenen Rechtschreibung" als richtig zu werten. Natürlich dauert es so etwas länger, bis sich zeigt, was angenommen wird.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 19.07.2008 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12670

Ist mit dem jetzigen Personal des RfdR, sofern der überhaupt noch für irgendetwas zuständig ist, eine sachliche Diskussion möglich? Nein. Hier wird immer das Ergebnis die Diskussion bestimmen, und das Ergebnis muß eben lauten: Die Rechtschreibreform war jetzt aber auch wieder nicht so schlecht, sie hat doch unseren armen Schülern Erleichterungen gebracht . . . Ach Gottchen, ja, die armen Schülerchen.

Pustekuchen. Gar nichts ist einfacher oder gar logischer geworden. Mit Ausnahme der GKS (und auch hier nur zu unzumutbaren Kosten zulasten der Lesbarkeit) ist wirklich absolut nichts einfacher geworden.

Insofern habe ich auch überhaupt kein Interesse daran, mich da mit ständig wechselndem Personal zu unterhalten. Ich will eine Rückkehr zur Vernunft, und die, also die Rückkehr, sollte nicht zuviel verlangt sein.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.07.2008 um 16.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12667

Es ist schlichtweg unvernünftig zu einer alten Rechtschreibung zurückzukehren, deren Abschaffung vor Jahren beschlossen wurde, deren Umstellung Millionen gekostet hat, die keiner mehr richtig beherrscht, die zwölf Millionen Kinder nie gelernt haben, die noch inkonsistenter war als die neue.

So Wolfram Weimer im CICERO. Das ist übrigens nur ein Satz!

1. Wo genau ist eigentlich in dieser Aussage seine vielbeschworene Liberalisierung? Unterordnung unter eine Rechtschreibung, die "vor Jahren beschlossen wurde" ist ja wohl nicht als liberal, sondern eher Marschieren im Takt der Obrigkeit anzusehen.

2. Die Rückkehr "zu einer alten Rechtschreibung [...], die keiner mehr richtig beherrscht" impliziert zugleich das gewichtige Argument, daß die neue Rechtschreibung von allen (–> Gegenteil von "keiner") beherrscht werde. Wie schön, daß es in allen Druckmedien täglich neue Beweise gibt, genau dieses Argument auszuhebeln.

3. Eine angeblich alte Rechtschreibung, "die noch inkonsistenter war als die neue" sagt wiederum einiges über die neue Rechtschreibung: nämlich, daß sie inkonsistent ist. Warum steht hier sonst der Komparativ?

Die Millionen Kinder haben schließlich die Reformer (Kultusminister) ganz allein auf dem Gewissen und die Kosten alle, die sich begeistert freiwillig unterjocht haben.

Damit führt sich Weimer bereits in einem einzigen Satz dreimal selbst ad absurdum. Na wenn das mal nicht "Geltungsdrang" ist, diese Widersprüche à tout prix (je vous rends salut, messieurs de l'académie) gedruckt sehen zu wollen.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.07.2008 um 16.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12663

Sie haben natürlich ganz recht, liebe Frau Pfeiffer-Stolz. Ich vergaß ganz, daß die hier vielgepriesene „Liberalisierung der Schreibweisen“ im Sinne meiner Meinungslosigkeit zugleich zu einem Dogma (Ihrer Zensur) mutiert. Alle müssen sich gleichgeschaltet meinungslos dieser allheilenden Liberalisierung anschließen. Und wer nicht für diese wunderbare Liberalisierung ist, der ist gegen sie und somit in ihrem Namen zu bekämpfen.

Aber um dann doch noch mal auf Frankreich zurückzukommen: Historisch liefert das Tribunal gegen Danton eine ganz interessante Parallele. Vor allem die Reden Robespierres gegen Danton und die Argumente, die dann schließlich nach dessen Exekution wieder gegen Robespierre vorgebracht wurden.
Unsere Reformbefürworter werden ja auch seit einiger Zeit die chaotischen Begleiter der Geister, die sie riefen, nicht mehr los. Ich warte eigentlich nur darauf, daß man uns Querköpfe neben dem Kennedy-Attentat auch noch für die ganze Rechtschreibreform selbst verantwortlich macht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.07.2008 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12659

Ganz recht. Lassen wir's damit ein Bewenden haben! Das eigentliche Thema hat ja Frau Pfeiffer-Stolz benannt.
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 19.07.2008 um 15.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12658

Lutz Mackensens Deutsches Wörterbuch (13. Auflage) führt nur Laissez-aller, Laissez-faire, Laissez-passer auf.

Ich kann zwar kein Französisch, dafür aber Latein (und Altgriechisch und Englisch). Könnte es sein, daß laisser der Infinitiv ist und laissez der Imperativ Plural?
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 19.07.2008 um 15.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12657

Zitat Jens Jessen: „Der größte Gewinn der Rechtschreibreform besteht in dem, was die Reformgegner am meisten aufregt. Es ist die Liberalisierung der Schreibweisen.“

Ach, wenn dies doch so wäre! Niemals hätte ich über die sogenannte Rechtschreibreform geklagt. Wissen Jens Jessen und Wolfram Weimer nicht, daß es genau anders herum ist? Daß die Abweichler umbarmherzig verfolgt werden, nach bester Antifa-Methode sogar mit Berufsverboten konfrontiert sind? Daß ihnen Sturheit, Dummheit, Besserwisserei, asoziales Verhalten, antidemokratische Gesinnung oder Schrulligkeit unterstellt werden? All das habe ich selbst erleben müssen.
Wissen Jessen und Weimer nicht, wie rasch ein „daß“ mit Eszett ein womöglich inhaltlich brillantes Druckwerk auf den Index gelangen läßt? Haben sie wirklich noch nie etwas von dieser Art Zensur gehört?

Dies also nennt man heute „Liberalisierung“.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.07.2008 um 15.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12656

«LAISSER-FAIRE, subst. masc. inv.
Attitude qui consiste à ne pas intervenir, à laisser agir les forces en présence (notamment en économie politique). Sans action consciente et délibérée, les inégalités meurtrières se seraient maintenues et se maintiendraient. [. . .]
REM. Laissez-faire, subst. masc. inv. a) Même sens. [. . .]»
(TLF)
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 19.07.2008 um 15.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12655

Sowohl nach dem Rechtschreibduden von 1991 als auch nach Herrn Icklers Wörterbuch Normale deutsche Rechtschreibung (4. Auflage, 2004) schreibt man Laisser-faire und Laisser-aller. Allerdings heißt es laut dem 91er Duden Laissez-passer (veraltet für Passierschein; Herr Ickler führt das Wort überhaupt nicht auf).
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 19.07.2008 um 15.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12654

Lieber Herr Markner,

es gefällt mir übrigens nicht, wenn Sie mich "Philippe Kœster" nennen. Weder bin ich ein Großschriftsteller noch ein Großromancier, einfach nur ein Sprachinteressierter. Ich verballhorne Ihren Namen auch nicht. Also bitte.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 19.07.2008 um 15.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12653

Lieber Herr Markner,

diese Spitze verstehe ich nun nicht: Ich bin sehr bemüht, bei meiner eigenen Muttersprache zu bleiben, und wenn ich Anleihen aus einer fremden Sprache nehme, dann hoffentlich richtig. Irrtümer will ich da gar nicht ausschließen, doch sobald ich mich unsicher fühle, wechsele ich auf mein eigenes Terrain zurück.

Nein, es ist peinlich für einen Journalisten, "laisser-faire" zu schreiben, das kann jeder Französischschüler nach zwei Semestern besser.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.07.2008 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12652

Ich war ein wenig unschlüssig, ob ein Beitrag nun hier oder in den Thorheitsblüthen einzutragen sei. Da Herr Köster nun hier begann, fahre ich an gleicher Stelle fort.

Was Weimar und Jessen wohl nicht kapieren werden (und wollen), ist, daß erstens die Regeln gar nicht halbiert, sondern tatsächlich vermehrt wurden. Man darf nämlich nicht die Anzahl der Regeln zählen, sondern die Seiten im Duden, die sie beanspruchen. Ich kann für 25 Regeln drei Seiten Platz benötigen und für drei Regeln 25 Seiten. Wenn diese drei Regeln nun aber klar, einleuchtend und sofort verständlich sind, warum braucht man dann 25 Seiten Papier dafür? Nach diesem bekannten Muster verfährt der Duden seit 1996.

Der zweite Punkt ist der, daß "Liberalisierung der Schreibweisen" offensichtlich mit Beliebigkeit verwechselt wird. Wenn mir bei der Rechtschreibung eh alles sch****egal ist, dann benötige ich folglich auch keine Regeln. Um aber ganz toll dazustehen, fordere ich lauthals die mir zustehende Liberalität ein. Das ist hier nur eine lahme Ausrede dafür, daß man keine eigene Meinung hat und nicht den Mut findet, genau das auch zuzugeben.

Eigenartig nur, daß solche Eiferer sich erst nach der Allensbach-Umfrage zu Wort melden. Da geht wohl einigen ach so liberalen Leuten der A**** mit Grundeis!

Und noch einmal zur Klarstellung: Wer hier will eigentlich tatsächlich wieder den überreglementierten Duden von 1991 zurückhaben? Der ist doch mit dem Icklerschen Wörterbuch schon längst überwunden und "ausgekämmt".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.07.2008 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12651

Das gilt nicht zuletzt auch für den Großromanisten Philippe Kœster.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 19.07.2008 um 14.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1032#12650

Wer "laissez-faire" nicht richtig schreiben kann, sollte es ganz lassen. Überhaupt verstehe ich die Fremdwortsucht mancher Schreiber nicht, sie setzen sich doch mit ihrem Pseudoirgendwas immer nur in die Brennesseln. Dazu fällt mir Herr Ickler ein: "Irgendwie leben alle über ihre Verhältnisse".
 
 

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