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07.03.2008
dtv und die Rechtschreibreform
Ein Rückblick aus aktuellem Anlaß
Bei Jokers wird gerade das "dtv Wahrig Universalwörterbuch Rechtschreibung" von 2002 verramscht, für 2.95 Euro (statt 15) – 1316 Seiten! Billiger heizen geht nicht!
Anfang Juli 1997 war ich auf Einladung von Verlagsleiter Wolfgang Balk in München und besprach mit Lektorin Katharina Festner und Renate Wahrig-Burfeind die Möglichkeiten eines Rechtschreibwörterbuchs. Der Verlag entschied sich dann gegen mein Konzept und für die Reformschreibung. Mitentscheidend war die Haltung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Dort sollen sich, wie mir zwei Präsidiumsmitglieder mitteilten, vor allem Harald Weinrich und Hartmut v. Hentig gegen einen Alleingang ausgesprochen haben. Wie dem auch sei, der weitere Hergang ist ja bekannt und, was die DASD betrifft, in meinem Buch "Rechtschreibreform in der Sackgasse" ausführlich dokumentiert.
Ich glaube, daß der folgende Text, den ich vor vielen, vielen Jahren geschrieben habe, hier noch nicht zu lesen war:
Die Rechtschreibreform und der Deutsche Taschenbuch Verlag
Welche Qualitätseinbußen deutsche Verlagsprodukte durch die sogenannte Rechtschreibreform erlitten haben, läßt sich am Deutschen Taschenbuch Verlag studieren. Er hat eine nähere Betrachtung auch deshalb verdient, weil Verlagsleiter Dr. Wolfgang Balk zu den frühesten und schärfsten Kritikern der Rechtschreibreform gehörte1. Die Öffentlichkeit konnte daher erwarten, in ihrem Widerstand gegen diese Sprachverhunzung durch den Deutschen TaschenbuchVerlag unterstützt zu werden. Das Gegenteil trat ein.
Kinder- und Jugendbücher
Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat, wie andere Verlage, die orthographische Umstellung zunächst bei Kinder- und Jugendbüchern durchgeführt. Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich, auch was die „Korrektheit“ der Umsetzung betrifft. (Von „Korrektheit“ kann hier nur in Anführungszeichen die Rede sein, da gerade die „korrekte“ Umsetzung der mißratenen Reform oft grammatisch falsch oder in anderer Weise sprachwidrig ist.)
In vielen Büchern wurden vor allem Kommas gestrichen, die nach der Neuregelung nicht mehr unbedingt stehen müssen. Eigentlich sollte diese Neuerung dazu dienen, daß den Schülern keine Fehler mehr angestrichen werden, wenn sie Kommas bei erweiterten Infinitivgefügen vergessen; in professionell gedruckten Texten ist das Komma fast immer eine willkommene Lesehilfe, und die Reformer selbst lassen es so gut wie nie weg. Bei den umgestellten Kinder- und Schulbüchern fällt die Inkonsequenz auf, wenn unter genau gleichen Bedingungen das Komma einmal steht und einmal nicht. Eine sichere Intuition über die sinnvolle Verwendung von Satzzeichen kann sich bei der Lektüre derartiger Texte natürlich nicht herausbilden.
Die geänderten Texte sehen also nun so aus:
Er nahm sich vor nach dem Abwasch ein paar Stunden einzuplanen um mit ihr für die Naturkundearbeit zu üben (Cynthia Voigt: Der Schatten des Vaters. dtv 1998, S. 50)
Einige baten mich in ihr Haus zu kommen um nach einer kranken Alten, einem Kind oder einem Knecht zu schauen (Hans-Dieter Stöver: Die Akte Varus. dtv 1997, S. 288)
Wir treffen uns gegen fünf Uhr bei ihr um alles wegen heute Nacht zu besprechen. (Andreas Steinhöfel: Beschützer der Diebe. dtv 1998, S. 156)
Am liebsten hätte ich mir eine Decke über den Kopf gezogen nur um das alles nicht mehr zu hören. (Irina Korschunow: Die Sache mit Christoph. dtv 2001, S. 23)
Leider ist vielen Lektoren nicht bewußt, daß die Neuregelung auch neue obligatorische Kommas vorsieht, nämlich nicht nur als drittes Satzzeichen nach wörtlicher Rede, die mit Ausrufe- oder Fragezeichen schließt, sondern auch vor Infinitiven nach gewissen Korrelaten, insbesondere nach dem „Vorgreifer-es“ (vgl. § 77 [5] der Neuregelung). Das hat sich als unerhörte Komplizierung herausgestellt, und alle umgestellten Bücher sind in dieser Hinsicht mehr oder weniger fehlerhaft:
Es war idiotisch gewesen überhaupt mitzukommen. (Steinhöfel S. 106)
weil es scheinbar unmöglich war ihm irgendwelche Informationen zu entlocken (ebd. S. 118)
Es war sonst nicht seine Art so hastig zu trinken. (Otto Steiger: Lornac ist überall. dtv 1997, S. 9)
Es hat keinen Sinn mit dem Katz und Maus zu spielen. (ebd. S. 42)
Der Junge ist weit davon entfernt erwachsen zu sein. (Maria Jacques: Mein weißer Fuß. dtv 1999, S. 114)
Das letztgenannte Buch enthält Hunderte von Fehlern dieser Art. Dabei sind gleich auch noch viele weitere Kommas geopfert worden, die weiterhin stehen müssen, etwa nach diesem Muster:
Er hoffte sie würde zu ihm herüberblicken (ebd. S. 75)
So seltsam, dass die Mädchen vermuteten er hätte irgendwas mit der Geschichte zu tun. (Wolfgang Pauls: Kommissar Spaghetti und die steinharten Pausenbrote. dtv 2000, S. 57)
Zu den bekanntesten Verstößen gegen die deutsche Grammatik führt die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung. In den Kinder- und Jugendbüchern des Deutschen Taschenbuch Verlags wird all dies getreulich ausgeführt:
Es tut mir sehr Leid, dass ich Sie in der Nacht habe stören müssen. (Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich. dtv 2002, S. 114)
Sie hatte ihm so Leid getan (Cynthia Voigt: Der Schatten des Vaters. dtv 1998, S. 38)
Er hat mir so Leid getan. (Korschunow, S. 58)
Deine Mutter hat vollkommen Recht (Andreas Steinhöfel: Paul Vier und die Schröders. dtv 1998, S. 62)
Auch die neue Getrenntschreibung ist oft grammatisch falsch, in den meisten Fällen sinnstörend und stilistisch bedenklich:
Der Gedanke war mehr als Furcht erregend. (Steinhöfel: Beschützer der Diebe. dtv 1998, S. 175)
Herr Döller schüttelte viel sagend den Kopf (Andreas Steinhöfel: Paul Vier und die Schröders. dtv 1998, S. 48)
warf sie Hausmeister Giacomo Pomeriggi einen Hilfe suchenden Blick zu (Wolfgang Pauls: Kommissar Spaghetti und die steinharten Pausenbrote. dtv 2000, S. 8)
eine Hand voll Schulkinder (ebd. S. 100)
eine Hand voll Versprengter (Stöver, S. 34)
Ein besonderes Kapitel ist die flächendeckende Fehldeutung des schlimmen Paragraphen 34 der Neuregelung, wobei es der Rechtschreibkommission bis heute nicht gelungen ist, für den Verbzusatz wieder eine konsistente Regelung zu erarbeiten. Gingen zunächst alle Wörterbuchredaktionen davon aus, Verbkomplexe wie wiedersehen seien nunmehr getrennt zu schreiben, so ergab sich nach diversen, aber unsystematischen Richtigstellungen ein ständiges Durcheinander. Das spiegeln auch die dtv-Jugendbücher wider:
dass der Glatzkopf sie wieder erkannte (Steinhöfel: Beschützer der Diebe. dtv 1998, S. 99)
Wir wussten, dass wir uns nicht mehr wieder sehen würden. (Steinhöfel: Paul Vier und die Schröders. dtv 1998, S. 125)
Wir haben Wien wieder gesehen. (Korschunow, S. 50)
Werden wir sie je wieder sehen? (Maria Jacques: Mein weißer Fuß. dtv 1999, S. 12)
Natürlich glaubt das Lektorat auch, jedes selbständig durch selbstständig ersetzen zu müssen, obwohl diese beiden Wörter gar nichts mit Rechtschreibung und Rechtschreibreform zu tun haben.
Sachbücher
Der Verlag hat sich dafür entschieden, die Rechtschreibreform auch durch die Herausgabe von reformierten Wörterbüchern voranzutreiben. Es handelt sich hauptsächlich um Werke von Renate Wahrig-Burfeind, die zum Teil Bearbeitungen der Werke ihres Vaters Gerhard Wahrig vornimmt, zum Teil auch neue Wörterbücher, u. a. für den Bertelsmann-Verlag, erarbeitet. Sie selbst steht der Rechtschreibreform zwar kritisch gegenüber und läßt das auch durchblicken, fügt sich jedoch in der Praxis kritiklos den Vorschriften der Rechtschreibkommission, mit der sie sich auch zu „Beratungsgesprächen“ trifft. Betrachten wir zwei repräsentative Wörterbücher aus dieser Werkstatt.
dtv-Wahrig („In neuer Rechtschreibung“)
Bei diesem Werk handelt es sich ungeachtet des bedeutenden Umfangs um ein eher kleines Wörterbuch, das weniger zum Nachschlagen geeignet als wegen der Kollokationen und grammatischen Angaben beachtenswert ist. Die Verfasserin schreibt im Vorwort: „Vor diesem turbulenten orthographischen Hintergrund ein Wörterbuch der deutschen Sprache zu bearbeiten, kehrt die lexikographische Tätigkeit, die sich üblicherweise mit der Vergangenheit und der Gegenwart des Sprachgebrauchs befasst, in ihr Gegenteil. Die heute alles beherrschende Frage lautet: Wie schreibt man in Zukunft?“ Gemessen an den Aufgaben einer seriösen Lexikographie ist dies nichts anderes als der Entschluß zur Fälschung des Vorgefundenen.
Aufgrund eines Streits mit dem konkurrierenden Dudenverlag bemüht sich das Wörterbuch ausdrücklich darum, alle aus der amtlichen Regelung ableitbaren Möglichkeiten der Silbentrennung auch tatsächlich anzugeben. Die Verfasserin bemerkt allerdings dazu: „Lesehemmende Trennungen wie 'Seeu-fer' sollten in der Praxis vermieden werden, da die Einzelvokalabtrennungen jedoch künftig als obligatorisch anzusehen sind, wurden alle Trennungsmöglichkeiten im Wörterbuch der deutschen Sprache angegeben, um dem Benutzer die eingetretenen Veränderungen in ihrer ganzen Vollständigkeit zu verdeutlichen.“ (S. 12)
Das Wörterbuch gibt dann aber (glücklicherweise) doch längst nicht alle Trennmöglichkeiten an. Zwar findet man, unsinnig genug, Buche-cker, komp-lett, Komp-lizin, Kont-rakt, Prog-nose, Reg-ress usw., aber es fehlen Renek-lode, sogar vol-lenden, obwohl dies ausdrücklich im amtlichen Regelwerk steht, sowie ganze Gruppen wie Konf-likt, Kont-rast, Kont-rolle, Prog-ramm usw. Warum stehen solche ungewollten Nebenfolgen einer Regelvereinfachung im Wörterbuch, wo doch in der gesamten Begleitliteratur davor gewarnt wird, sie anzuwenden? Immerhin ist hauptsächlich der Trenneifer dafür verantwortlich, daß zu den 20.000 Einträgen mehr als 3.000 unterstrichene Neuschreibungen kommen. Diese Proportion stimmt bemerkenswert überein mit Auszählungen des neuen Duden: 115.000 Einträge, über 18.000 Neuerungen, vor allem aufgrund der Trennungen.
Man liest mit Verblüffung:
„abend, Abend (Adv.) gestern, heute, morgen - (...)“
„mittag, Mittag (Adv.) zur Mittagszeit“
Die kommentarlose Zusammenstellung von „Adv.“ und Großschreibung ist ein Beispiel jenes Wörterbuchzynismus, der auch die neuen Dudenbände kennzeichnet. Was der Benutzer sich dabei denkt, ist den Bearbeitern offenbar völlig gleichgültig.
Um aus der selbstgeschaffenen Kalamität mit den drei gleichen Buchstaben herauszukommen, bietet das Wörterbuch tatsächlich Schiff-Fahrts-Kunde an!
Das jüngste lexikographische Produkt des Verlages ist:
WAHRIG Universalwörterbuch Rechtschreibung. Von Dr. Renate Wahrig-Burfeind. Mit einem kommentierten Regelteil von Professor Dr. Peter Eisenberg. 2002
Neu ist gegenüber den anderen Wörterbüchern, daß es die bisher üblichen, in der seriösen Literatur noch weitgehend verwendeten und bis 2005 auch amtlich gültigen Schreibweisen nicht mehr enthält. Geläufige Wörter wie sogenannt, Handvoll, allgemeinbildend, jedesmal wird man hier also nicht mehr finden. Zu den wenigen Ausnahmen wie Gemse, Stengel, rauh ist jeweils vermerkt: „künftig nicht mehr zulässige Schreibweise“. Daß die künftige Unzulässigkeit sich nur auf den staatlich normierbaren Bereich – Schule und Behörden – bezieht, wird lediglich im Vorwort angedeutet. Offenbar soll jede Erinnerung an die gewachsene, von der Bevölkerungsmehrheit gewünschte Einheitsorthographie getilgt werden.
Neuartig und bemerkenswert ist ferner, daß dem Wörterverzeichnis eine von Peter Eisenberg verfaßte kritische Darstellung der orthographischen Regeln vorangestellt ist.
Die amtlich für möglich erklärten Worttrennungen sind allesamt aufgenommen, auch wenn sie noch so unsinnig sind: alla-bendlich, beo-bachten und O-bacht, To-wer, Pla-yer, Tee-nager, Bi-omüll, vol-lenden, Sad-hu, Zo-ologe. Die Sache wird nicht besser durch Eisenbergs skurrilen Hinweis: „Lesehemmende Trennungen sollten in der Praxis vermieden werden.“ (Vgl. auch Wahrig-Burfeinds gleichlautende Äußerung oben.) Was wäre das ganze Rechtschreiben anderes als diese „Praxis“?
In den blau unterlegten Kommentar-Kästen schlägt Eisenberg vor, zahlreiche neuen Regeln zu streichen oder zu korrigieren. Obwohl er seine Vorschläge ganz im Stil der Reformpropaganda als „Präzisierung und Fortschreibung“ der neuen Regeln verharmlost, handelt es sich um tiefe Eingriffe, nämlich im einzelnen um die Zulassung
· der bisherigen Schreibweisen neben den (volks-)etymologischen Umlautschreibungen: Quentchen, Bendel, Gemse, belemmert, behende, Stengel, schneuzen
· der Getrenntschreibung mit irgend (über den Duden hinaus): irgend ein, irgend jemand usw.
· der Zusammenschreibung von kennenlernen, spazierengehen, gehenlassen, badengehen usw. zwecks semantischer Unterscheidung
· der Zusammenschreibung bei adjektivischen Verbzusätzen: vollmalen u. v. a. nach semantischen Gesichtspunkten
· der Zusammenschreibung bei substantivischen Verbzusätzen wie kopfstehen/steht kopf, eislaufen/läuft eis u. v. a.
· der Zusammenschreibung bei schwerbeschädigt, hochempfindlich, leuchtendgrün u. v. a.
· der Zusammenschreibung bei fleischfressend, eisenverarbeitend u. v. a.
· des Bindestrichs bei Happy-End u. v. a.
· der Höflichkeitsgroßschreibung Du in Briefen
· der Kleinschreibung bei im allgemeinen, im einzelnen, im wesentlichen usw.
· der Großschreibung bei mehrteiligen festen Begriffen (z. T. über den Duden hinaus): Erste Hilfe, Hohes Haus, Schneller Brüter u. v. a.
Ferner werden empfohlen:
· die Öffnung der Liste zusammenzuschreibender Verb-Partikeln (§ 34)
· die Vermeidung der neuen Zusammenschreibung bei Bigbusiness, Highsociety usw.
· die Vermeidung der bindestrichlosen Zusammenschreibung bei Desktoppublishing, Secondhandshop u. v. a.
· die Angleichung der Groß- und Kleinschreibung bei Substantivierung: der Eine und Einzige u. ä. (nicht ganz klar)
· weitere Trennmöglichkeiten (z. T. wie bisher): Ger-ste, Kar-pfen; nie-drig, Ge-gner u. a.
· die Vorzugstrennung mons-trös (nicht monst-rös), Em-blem (nicht Emb-lem) usw.
· die Wiederherstellung der apostrophlosen Unterscheidungsschreibung ohmscher Widerstand vs. Ohmsches Gesetz usw.
· Nichtzulassung des Apostrophs als Genitivkennzeichnung (außer in den bisher geltenden Fällen)
· die weitgehende Wiederherstellung der bisherigen Kommasetzung bei Infinitiven
Hinzu kommen die kritischen Bemerkungen, aus denen Eisenberg noch keine praktischen Folgerungen gezogen hat, also etwa seine Verwerfung der groß geschriebenen Tageszeiten (heute Abend). Außerdem muß die implizite Rücknahme der grammatisch falschen Großschreibung bei jdm. Feind sein usw. hinzugerechnet werden.
Das Wörterbuch verzeichnet getreulich auch die grammatisch falschen Neuschreibungen Leid tun, Recht haben, Pleite gehen und Not tun usw. - Eisenberg listet sie kommentarlos auf, obwohl auch der Laie sieht, daß sie objektiv nicht in Ordnung sind.
„Es gibt in der jetzigen Situation keine Möglichkeit mehr, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, ohne erneut eine Lawine von Kosten zu verursachen und eine ganze Schülergeneration zu verunsichern.“ (Vorwort) – Dieselbe Behauptung haben Eisenberg und die anderen Reformbetreiber schon zwei Jahre vor dem Inkrafttreten vorgetragen. Sie ist seither nicht plausibler geworden.
„Ob es sinnvoll war, diese Reform trotz der Proteste, die sie hervorrief, überhaupt umzusetzen, soll hier nicht debattiert werden.“ (Vorwort)
Auch dies rückt das Unternehmen Rechtschreibreform in ein falsches Licht. Nicht die Proteste, sondern deren Ursache, also die objektiv nachweisbaren, bald auch von den Reformern eingestandenen Fehler hätten die Politiker veranlassen sollen, von ihrem Eingriff in die deutsche Sprache Abstand zu nehmen. Der Verlag trägt dazu bei, die Verantwortlichkeiten zu verwischen, und macht sich zum Komplizen.
Bei dtv erscheinen auch Becksche Gesetzestexte. Sie werden nach und nach auf Anordnung des Justizministeriums orthographisch umgestellt. Wir betrachten exemplarisch das Bürgerliche Gesetzbuch. (BGB 52. Aufl. Beck-Texte im dtv, 2002). Wegen des begrenzten Wortschatzes ist außer der ss-Schreibung nicht viel zu bemerken. „Nicht korrekt“ sind: ein gleichlautendes Dokument (§ 126a), so gilt das letztere (§ 140), dem einzelnen (§ 320), aufeinanderfolgenden (§ 498). „Korrekt“ sind zum Beispiel: im Übrigen, das Gleiche, im Ganzen (durchgehend), im Voraus (§ 248, § 547 u. ö.; hier ist eine Verwechslung mit dem erbrechtlichen Begriff des „Voraus“ möglich), an Erfüllungs statt (§ 364), zu Eigen macht (§ 358), des nicht erfüllten Vertrags (§ 320; bisher zusammen).
Der Verlag hat auch ein „Lexikon der Nietzsche-Zitate“ herausgebracht. Es beruht auf der kritischen Ausgabe von Colli und Montinari, doch sind alle Textstellen im Sinne der Rechtschreibreform bearbeitet.
Bedenkt man, daß die schon vor Jahren von der Rechtschreibkommission als „unumgänglich notwendig“ erkannten Änderungen des Regelwerks spätestens bis 2005 durchgeführt werden müssen, dann wirkt die Entstellung der Texte besonders widersinnig. Wer bei ihrer Lektüre jetzt noch nicht den Kopf schüttelt, wird es spätestens nach der Revision der Neuregelung tun, wenn die schon wieder überholten Bücher entsorgt werden müssen.
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Das Universalwörterbuch habe ich damals auch gesondert und ausführlicher besprochen:
WAHRIG Universalwörterbuch Rechtschreibung. Von Dr. Renate Wahrig-Burfeind. Mit einem kommentierten Regelteil von Professor Dr. Peter Eisenberg. Deutscher Taschenbuch-Verlag 2002. 1316 S. EUR 15,00
Unter dem Namen „Wahrig“, den Bertelsmann gekauft hat und zu einem mit „Duden“ konkurrierenden Markenzeichen aufzubauen versucht, erscheint ein neuartiges Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung. Neu ist gegenüber den anderen Wörterbüchern, daß es die bisher üblichen, in der seriösen Literatur noch weitgehend verwendeten und bis 2005 auch amtlich gültigen Schreibweisen nicht mehr enthält. Geläufige Wörter wie sogenannt, Handvoll, allgemeinbildend, jedesmal wird man hier also nicht mehr finden. Zu den wenigen Ausnahmen wie Gemse, Stengel, rauh ist jeweils vermerkt: „künftig nicht mehr zulässige Schreibweise“. Daß die künftige Unzulässigkeit sich nur auf den staatlich normierbaren Bereich - Schule und Behörden - bezieht, wird lediglich im Vorwort angedeutet. Offenbar soll jede Erinnerung an die gewachsene, von der Bevölkerungsmehrheit gewünschte Einheitsorthographie getilgt werden. Daß der radikale Entschluß noch einen banaleren Grund haben könnte, lassen Einträge wie der folgende ahnen:
„mitleiderregend, Mitleid erregend; ein -er Mitleid erregender Anblick; sehr, äußerst mitleiderregend; noch mitleiderregender; der mitleiderregendste Anblick; großes Mitleid erregend“
Das ist, wie man sieht, in jeder Hinsicht wieder die bisher geltende Schreibweise. Die Rechtschreibkommission hat nämlich inzwischen erkannt, daß es aus grammatischen Gründen nicht angeht, solche Zusammensetzungen gänzlich aufzulösen. Da jedoch die amtlichen Regeln nicht geändert werden dürfen, glauben die anderen reformierten Wörterbücher hier etwas als „Neuschreibung“ kennzeichnen zu müssen, etwa so, als sei die Getrenntschreibung unter den angegebenen Bedingungen bisher ausgeschlossen gewesen. Dieser lästigen Pflicht zur Täuschung entzieht sich das vorliegende Werk, indem es das Verhältnis von herkömmlicher und reformierter Orthographie überhaupt nicht mehr thematisiert.
Wie problematisch nach Frau Wahrig-Burfeind die Situation ist, geht auch aus ihrer Vorbemerkung zu ihrem Deutschen Wörterbuch (dtv) hervor: „Vor diesem turbulenten orthographischen Hintergrund ein Wörterbuch der deutschen Sprache zu bearbeiten, kehrt die lexikographische Tätigkeit, die sich üblicherweise mit der Vergangenheit und der Gegenwart des Sprachgebrauchs befasst, in ihr Gegenteil. Die heute alles beherrschende Frage lautet: Wie schreibt man in Zukunft?“
Neuartig und bemerkenswert ist ferner, daß dem Wörterverzeichnis eine von Peter Eisenberg verfaßte kritische Darstellung der orthographischen Regeln vorangestellt ist. Eisenberg schreibt: „Das folgende Regelwerk möchte dem kompetenten Sprachteilhaber vor Augen führen, nach welchen Regeln er im Allgemeinen schreibt und liest.“ Ein deskriptiver Ansatz würde zu einem gleichfalls deskriptiven Wörterbuch passen. Dann müßte es allerdings die üblichen Schreibweisen vorführen und nicht die von staatlich beauftragten Reformern erdachten. Genauer besehen, verfolgt Eisenberg vier schwer vereinbare Ziele gleichzeitig: Beschreibung des bisherigen Schreibgebrauchs, Darstellung der Dudennorm, Vorstellung der Reform und persönliche Empfehlungen zu deren Korrektur. Oft weiß der Leser nicht recht, auf welcher dieser Ebenen er sich gerade befindet. Eisenberg behauptet zum Beispiel: „Beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben wird häufig ein Bindestrich gesetzt: (...) Brenn-Nessel.“ - Das gibt sich wie eine locker-statistische Beobachtung des gegenwärtigen Schreibgebrauchs und ist doch bloß die von den Reformern empfohlene Behelfsschreibung zur Entschärfung der neuen Dreibuchstabenregel. „Bei Verben mit substantivischem ersten Bestandteil besteht ein Zusammenhang zwischen Getrenntschreibung und Großschreibung. Ist in kopfstehen der erste Bestandteil ein Teil des Verbs, dann wird bei Kontaktstellung zusammengeschrieben und bei Distanzstellung klein: kopfstehen und Sie steht kopf. Fasst man jedoch den ersten Bestandteil als selbständiges Wort auf, dann kann dies nur ein Substantiv sein und man schreibt Kopf stehen sowie Sie steht Kopf.“ - Das ist eine korrekte Darstellung des herkömmlichen Schreibbrauchs, wenn auch nicht der Dudennorm, die nur die erste Möglichkeit gelten lassen wollte. Die Ausdrucksweise im Indikativ des Präsens legt nahe, daß es sich um einen gegenwärtig gültigen Zusammenhang handele. Es folgt jedoch der Nachsatz: „Die Neuregelung lässt nur diese zweite Schreibweise zu“ - sowie ein Verweis auf Eisenbergs eigenen Kommentar, in dem er, sehr zu Recht, entgegen der Neuregelung empfiehlt, die bisherige Schreibweise beizubehalten. Zur neuen Großschreibung bei im Allgemeinen, im Folgenden usw. schreibt Eisenberg mit berechtigter Kritik: „Auch im vorliegenden Wörterbuch sind solche Ausdrücke großgeschrieben. Ein echter Kern einer Nominalgruppe ist jedoch nicht vorhanden. Deshalb sollte man großzügig sein, wenn Kleinschreibung vorkommt.“ - Das ist offensichtlich gar keine orthographische Regel (Anweisung zum rechten Schreiben), sondern bestenfalls eine pädagogische Empfehlung an den notengebenden Lehrer. Ein vergleichbarer Bruch betrifft die neue Getrenntschreibung: „Es wird empfohlen, bei enger Verbindung der Bestandteile wie in kennenlernen oder spazierengehen Zusammenschreibung weiter zuzulassen.“ - Hier kommen als Adressaten nur die Kultusminister in Frage; der normale Benutzer hat nichts „zuzulassen“, sondern will wissen, wie er schreiben soll.
Widersprüche
Der Umschlagtext kündigt an: „Stichwortverzeichnis und Regelwerk sind inhaltlich sinnvoll verknüpft.“ Davon kann keine Rede sein. Zwar gibt es im Stichwortteil Verweise auf das Regelwerk, sie sind aber ganz äußerlich und unbestimmt. Bei Wörtern wie Eisen, Schmutz, Staub, Wasser steht beispielsweise jedesmal ein vager Hinweis auf Regel Z 29; man weiß aber nicht, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, zumal Schmutz abweisend nur getrennt geschrieben werden soll, Staub abweisend aber auch zusammen.
„In die Kritik geratene Neuregelungen sind gekennzeichnet und kommentiert.“ Auch das trifft nur sehr eingeschränkt zu. Im Wörterverzeichnis sind solche Neuschreibungen nicht gekennzeichnet, und der Kommentar in Eisenbergs Regelteil übergeht zahlreiche Fälle, die besonders stark kritisiert worden sind. Unzählige Male widersprechen sich Regelwerk und Stichwortverzeichnis. Bei Bigband sei, erklärt Eisenberg, „Zusammenschreibung selbstverständlich“. Das Wörterverzeichnis weiß es anders: Big Band. Eisenberg lehrt das Entweder-Oder. Das Wörterverzeichnis kennt wie die Neuregelung nur das Entweder-oder.
Aus der reformierten Consecutio Temporum des Wörterverzeichnisses wird im Kasten die herkömmliche Consecutio temporum. Warum soll eigentlich Magister philosophiae usw. geschrieben werden? Als Zitatwort müßte auch der erste Bestandteil klein geschrieben werden, sonst aber alle beide groß.
In das Wörterverzeichnis eingebaut sind zahlreiche blau unterlegte „Kästen“, die sprachwissenschaftliche Begriffe erläutern, darunter auch solche, die für das Deutsche keine Bedeutung haben („Ablativ“). Erwähnenswert ist, daß sie auch die Rechtschreibregeln noch einmal enthalten - die dritte Darstellung neben dem im Anhang abgedruckten amtlichen Regelwerk und der Eisenbergschen Fassung im ersten Teil.
„Varianten“
Jahrzehntelang strebten die Reformer eine „gezielte Variantenführung“ an, mit dem Ziel einer beschleunigten, aber nicht umstürzlerischen Fremdwortintegration. Die amtliche Neuregelung unterscheidet immer noch Haupt- und Nebenvarianten, allerdings sehr inkonsequent und ohne daß klar wäre, welchen Anspruch dieser Rest von „Variantenführung“ eigentlich erhebt. Nicht einmal die offiziellen und offiziösen Texte halten sich daran. Die Verfasser des vorliegenden Wörterbuchs schreiben im allgemeinen Teil stets Orthografie, orthografisch, verwenden also die Nebenvariante. Im Wörterverzeichnis benutzt die Erklärungssprache dann die Hauptvariante Orthographie, orthographisch (unter rechtschreiben usw.). Wie unter den Reformern üblich, werden auch die unterschiedlich gebildeten Wörter selbständig und selbstständig fälschlich als „orthografische Varianten“ bezeichnet. Eisenberg schreibt nur selbständig, das Wörterverzeichnis nur selbstständig (wie der Bertelsmannverlag allgemein bis zur Neuauflage des Bertelsmann-Rechtschreibwörterbuchs von 2002, das durchgehend zu selbständig zurückgekehrt ist). Vom Begriff der „orthografischen Variante“ wird auch sonst ein allzu großzügiger Gebrauch gemacht. So ist Gruyère gewiß keine „orthografische Variante“ von Greyerzer und Kriek keine solche von Krick. Eisenberg schreibt tendentiell, aber das Wörterverzeichnis kennt diese Schreibweise gar nicht mehr, nur noch tendenziell (aber immer noch existentiell, potentiell). Hinzu kommt natürlich, daß die Varianten, die jetzt als neugewonnene „Freiheiten“ des Schreibenden gepriesen werden, genau jene früher geschmähten „Unsicherheiten“ sind, deren Beseitigung ein Hauptmotiv der Reform war.
Silbentrennung
Die amtlich für möglich erklärten Worttrennungen sind allesamt aufgenommen, auch wenn sie noch so unsinnig sind: alla-bendlich, beo-bachten und O-bacht, To-wer, Pla-yer, Tee-nager, Bi-omüll, vol-lenden, Sad-hu, Zo-ologe, Palind-rom. Die Sache wird nicht besser durch Eisenbergs skurrilen Hinweis: „Lesehemmende Trennungen sollten in der Praxis vermieden werden.“ Was wäre das ganze Rechtschreiben anderes als diese Praxis?
Eisenberg selbst verwendet unkultivierte Trennungen wie Katast-rophe, inte-ressieren. Das paßt zu einer Neuregelung, die für deutsche Wörter entlegene Etymologien hervorkramt (behände, Stängel, schnäuzen), bei Fremdwörtern jedoch die offenkundigsten Bestandteile nicht erkennen will.
Revision
In den blau unterlegten Kommentar-Kästen schlägt Eisenberg vor, zahlreiche neuen Regeln zu streichen oder zu korrigieren. Obwohl er seine Vorschläge ganz im Stil der Reformpropaganda als „Präzisierung und Fortschreibung“ der neuen Regeln verharmlost, handelt es sich um tiefe Eingriffe, nämlich im einzelnen um die Zulassung
· der bisherigen Schreibweisen neben den (volks-)etymologischen Umlautschreibungen: Quentchen, Bendel, Gemse, belemmert, behende, Stengel, schneuzen
· der Getrenntschreibung mit irgend (über den Duden hinaus): irgend ein, irgend jemand usw.
· der Zusammenschreibung von kennenlernen, spazierengehen, gehenlassen, badengehen usw. zwecks semantischer Unterscheidung
· der Zusammenschreibung bei adjektivischen Verbzusätzen: vollmalen u. v. a. nach semantischen Gesichtspunkten
· der Zusammenschreibung bei substantivischen Verbzusätzen wie kopfstehen/steht kopf, eislaufen/läuft eis u. v. a.
· der Zusammenschreibung bei schwerbeschädigt, hochempfindlich, leuchtendgrün u. v. a.
· der Zusammenschreibung bei fleischfressend, eisenverarbeitend u. v. a.
· des Bindestrichs bei Happy-End u. v. a.
· der Höflichkeitsgroßschreibung Du in Briefen
· der Kleinschreibung bei im allgemeinen, im einzelnen, im wesentlichen usw.
· der Großschreibung bei mehrteiligen festen Begriffen (z. T. über den Duden hinaus): Erste Hilfe, Hohes Haus, Schneller Brüter u. v. a.
Ferner werden empfohlen:
· die Öffnung der Liste zusammenzuschreibender Verb-Partikeln (§ 34)
· die Vermeidung der neuen Zusammenschreibung bei Bigbusiness, Highsociety usw.
· die Vermeidung der bindestrichlosen Zusammenschreibung bei Desktoppublishing, Secondhandshop u. v. a.
· die Angleichung der Groß- und Kleinschreibung bei Substantivierung: der Eine und Einzige u. ä. (nicht ganz klar)
· weitere Trennmöglichkeiten (z. T. wie bisher): Ger-ste, Kar-pfen; nie-drig, Ge-gner u. a.
· die Vorzugstrennung mons-trös (nicht monst-rös), Em-blem (nicht Emb-lem) usw.
· die Wiederherstellung der apostrophlosen Unterscheidungsschreibung ohmscher Widerstand vs. Ohmsches Gesetz usw.
· Nichtzulassung des Apostrophs als Genitivkennzeichnung (außer in den bisher geltenden Fällen)
· die weitgehende Wiederherstellung der bisherigen Kommasetzung bei Infinitiven
Hinzu kommen die kritischen Bemerkungen, aus denen Eisenberg noch keine praktischen Folgerungen gezogen hat, also etwa seine Verwerfung der groß geschriebenen Tageszeiten (heute Abend). Außerdem muß die implizite Rücknahme der grammatisch falschen Großschreibung bei jdm. Feind sein usw. hinzugerechnet werden. Eine grundsätzliche Umorientierung besteht darin, daß Eisenberg die Orthographie wieder zur Bedeutungsunterscheidung nutzen will, während die Reformer sie auf rein formale Kriterien gründen wollten. - Was bleibt also, wenn es nach Eisenberg geht, von der Reform? Hauptsächlich die so überraschend wiedereingeführte Heysesche ss-Regelung, aber dafür hätte es keiner milliardenteuren Staatsaktion bedurft.
Das Wörterbuch verzeichnet getreulich auch die grammatisch falschen Neuschreibungen Leid tun, Recht haben, Pleite gehen und Not tun usw. - Eisenberg listet sie kommentarlos auf, obwohl auch der Laie sieht, daß sie objektiv nicht in Ordnung sind. Soll man tatsächlich schreiben: so Leid es mir tut; wie Recht du doch hast? In seinen eigenen Empfehlungen schlägt Eisenberg, über den alten Duden hinausgehend, sogar Zusammenschreibung vor: leidtun, nottun, rechthaben, pleitegehen, ganz im Sinne jener frühen Maxime der rabiaten Reformer: „Entweder groß und getrennt oder klein und zusammen.“
All jene wundersamen „Erleichterungen“, die uns die Neuregelung beschert hat, sind getreulich verzeichnet. Man soll also schreiben: der Hohe Priester, aber das hohe Haus (Parlament); die Olympischen Spiele, aber das olympische Feuer; der goldene Schnitt, aber das Goldene Buch usw.
Holzwege
Besonders im allgemeinen Teil ist einiges schiefgelaufen oder bewußt vernachlässigt. Eisenberg schreibt gleichlautend (so auch im Kasten S. 887); im Wörterbuchteil steht das neuerdings allein zulässige gleich lautend. Unrichtig im Sinne der Reform sind auch: das letztere, dem entsprechend, aufeinandertreffen. Unter fahren (und im Musterartikel S. 14) ist das neuerdings obligatorische Komma nach Vorgreifer-es nicht gesetzt: es macht Spaß Rad zu fahren.
Das Wörterbuch kennt nur das reflexive sich Bahn brechen und leitet daraus, ganz im Sinne des amtlichen Regelwerks, die Zusammenschreibung bahnbrechend ab. Eisenberg behauptet sogar ausdrücklich, eine syntaktische Konstruktion Bahn brechend sei ausgeschlossen. Das ist jedoch unrichtig, denn bahnbrechend ist gerade nicht das, was sich selbst Bahn bricht (also Erfolg hat), sondern was einem anderen Bahn bricht. So war die Erfindung des Ottomotors eine dem modernen Verkehr Bahn brechende Tat. - schwerbehindert, schwerbeschädigt usw., die Eisenberg anführt, widersprechen der amtlichen Regelung, die allerdings bei diesen Fällen ins Rutschen geraten ist.
Adjektive wie aufsehenerregend, erfolgversprechend usw. sind bekanntlich durch die Neuregelung beseitigt worden. Weil jedoch das amtliche Verzeichnis ohne nähere Begründung erratische Einträge wie die Ratsuchenden enthält, glaubt Eisenberg, auch ratsuchend, aufsehenerregend usw. retten zu können, indem er sie aus den analog konstruierten Substantiven Ratsuchende, Aufsehenerregende usw. rückbildet. Ein Hilfsdienst an der Reform, der den Grammatiker ungewöhnliche Selbstüberwindung gekostet haben muß.
Bei blutstillend und blutsaugend ist zwar - wie in anderen neuen Wörterbüchern, aber entgegen den amtlichen Vorschriften - in genau gleicher Weise jeweils auch die Zusammenschreibung wieder vorgesehen, nicht aber bei Kosten sparend und kostendeckend (wegen Kosten sparen, aber die Kosten decken). Es soll geschrieben werden Platz greifend, aber raumgreifend. Warum?
Ein im übertragenen Sinn kalter Krieg wird nach der Neuregelung keineswegs groß geschrieben, wie Eisenberg meint (S. 70), sondern dies gilt allein für den Eigennamen einer ganz bestimmten historischen Epoche. Eisenberg glaubt offenbar auch, der schnelle Brüter sei nach der Dudennorm bisher groß geschrieben worden (S. 71). - Folgt man den Angaben im blauen Kasten S. 439, so muß man annehmen, daß es Fingerbreit und meterlang gar nicht mehr gibt, weil „der erste Bestandteil erweitert oder gesteigert werden kann“. In Wirklichkeit ändert sich hier nichts. - Mehrteilige Äußerungen wie nein, nein! sind selbstverständlich keine „Aufzählungen“, wie im Kasten zum Ausrufezeichen behauptet wird.
Anders als in den übrigen neuen Wörterbüchern werden wohlriechend und wohlschmeckend endlich gleich behandelt. Als Beispiel für die Getrenntschreibung von wieder sehen wird angeführt: ich habe sie wieder in der Kneipe gesehen - was so trivial wie unpassend ist, denn hier liegt ja nicht einmal Kontaktstellung vor.
Unter dem Stichwort wieder heißt es:
„Getrenntschreibung in Verbindung mit Verb/Partizip, wenn wieder in der Bedeutung von nochmals, erneut (bes. nicht fig.) gebraucht wird - (...) wieder aufbereiten (...)
Zusammenschreibung in Verbindung mit Verb/Partizip, wenn wieder in der Bedeutung zurück gebraucht wird - wiederbekommen (...)
In zahlreichen Fällen ist sowohl Getrennt- als auch Zusammenschreibung möglich - wiederaufladbar / wieder aufladbar; wiederbekommen / wieder bekommen“
Kommentar: Der Zusatz „bes. nicht fig.“ hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk. Und aufladbar ist weder Verb noch Partizip. Die doppelte Möglichkeit kann nur besagen, daß eine Entscheidung zwischen den beiden Bedeutungen nicht getroffen werden kann. So steht beispielsweise bei wiederaufbereiten, das ja zunächst für die Bedeutungsvariante „nochmals, erneut“ und damit für Getrenntschreibung in Anspruch genommen wird, unter dem entsprechenden Stichwort die Zusammenschreibung als erste Option. Das ist zwar im Ergebnis richtig, aber die systemimmanente Begründung leuchtet nicht ein. wiederherstellen soll laut Wörterbuch zusammengeschrieben werden, weil es bedeutet „aufs Neue herstellen“ - was doch gerade viel näher an die Paraphrase „nochmals, erneut“ herankommt als an „zurück“. Folglich wäre gerade hier Getrenntschreibung zu erwarten. Die tritt jedoch bei dem nahezu bedeutungsgleichen wieder herrichten ein! Bei wiederlesen ist die Zusammenschreibung bisher besonders fest, nach den neuen Regeln aber nicht mehr zulässig, denn an der Bedeutung „nochmals, erneut“ ist gerade hier nicht zu zweifeln.
Kurzum: Die Entscheidung des Wörterbuchs für Getrennt- oder Zusammenschreibung oder beides sind in keinem Falle vorhersehbar. Irgendein Gewinn an Schreibsicherheit ist nicht zu erkennen, im Gegenteil, es tritt eine unbeherrschbare Verunsicherung ein, weil man durch die Reform ständig in der Gewißheit lebt, daß sich etwas verändert haben könnte, ohne daß man aber einen Hinweis bekäme, was es sein könnte.
Die Darstellung der Getrennt- und Zusammenschreibung wirkt unnötig zerrissen, weil ein übergeordneter Begriff des Verbzusatzes fehlt. Der Zusammenhang zwischen eingehen, kaputtgehen und badengehen wird daher nicht erkennbar. Auch sprechen die semantischen Argumente, die Eisenberg für Zusammenschreibung anführt, zunächst nur für Mehrwortlexeme, nicht für Univerbierung.
„Besteht zum Satz nach dem Doppelpunkt eine so enge inhaltlicheVerbindung, dass man an Stelle des Doppelpunktes auch einen Gedankenstrich setzen kann, dann darf das erste Wort nach dem Doppelpunkt kleingeschrieben werden.“ (64f.) - Diese Regel hat keine Entsprechung im amtlichen Text; auch ist die Setzung des Gedankenstrichs nicht so genau geregelt, daß sich daraus ein brauchbares Kriterium ableiten ließe.
Eisenberg behauptet, mit der Großschreibung des Anredepronomens Sie werde Höflichkeit signalisiert und gleichzeitig eine Verwechslung mit dem Pronomen der dritten Person vermieden. Das erste betrifft jedoch eher die (auch mündliche) Verwendung als die Schreibweise des Anredepronomens. Auch stimmt es nicht ganz, daß die Verwendung des du „soziale Nähe“ signalisiere. Vielmehr geht es um die Abwesenheit gesellschaftlich bedingter Förmlichkeit; daher werden so unvergleichbare „Partner“ wie Gott und Haustiere geduzt, obwohl hier von sozialer Nähe keine Rede sein kann. - In krassem Widerspruch zur Neuregelung und zum Wörterbuchteil des vorliegenden Werkes schreibt Eisenberg vor: sie ist ihm feind und kennzeichnet diese allerdings sehr notwendige Wiederherstellung nicht einmal als seine eigene Korrektur. Wenn er empfiehlt, die Schreibweise von das Meiste an die Kleinschreibung von vieles usw. vorzunehmen, so rennt er offene Türen ein, denn das meiste wird auch laut Neuregelung klein geschrieben.
Bei dem legendären schnee-erhellt, das sich seit Jahrzehnten durch die Dudenliteratur schleppt und auch von diesem Wörterbuch trotz offenkundiger Abseitigkeit nicht ausgespart wird, ist keineswegs sicher, ob der erste Teil bei Bindestrichschreibung nicht groß geschrieben werden muß. Jedenfalls haben nicht nur die Schweizer Reformer Sitta und Gallmann § 55 (2) („Die Großschreibung gilt auch für Substantive als Teile von Zusammensetzungen mit Bindestrich“) so interpretiert: Armee-eigen, See-erfahren, Genuss-süchtig (so auch das Österreichische Wörterbuch). Die Rechtschreibkommission hat dieses Problem in ihrem ersten Bericht diskutiert und die inoffizielle Empfehlung ausgesprochen, angesichts der unerwünschten Folgen doch lieber keinen Gebrauch von diesem Entzerrungsbindestrich zu machen.
Die ominöse neue Kommaregel laut § 77 (5) wird von Eisenberg nicht richtig dargestellt, da er als kommapflichtige „hinweisende“ Wörter nur Pronominaladverbien gelten läßt. Damit wird gerade das so ungemein folgenreiche Vorgreifer-es unterschlagen. Dies stellt Eisenberg in einen ganz anderen Zusammenhang:
„Herausstellungen werden stets durch Komma abgetrennt (...): Gerhard versteht es, zu imponieren.“
Der Begriff der „Herausstellung“ kommt im amtlichen Regelwerk nicht vor, statt dessen wird sehr unklar von hinweisenden Wörtern oder Wortgruppen geredet. Eisenberg versucht, dem Ganzen grammatisch auf die Sprünge zu helfen. Klar wird die Sache aber trotzdem nicht. Nach der weithin akzeptierten Theorie der Herausstellungen handelt es sich in folgenden Fällen um Extrapositionen, einen besonderen Typ von Herausstellung nach rechts:
1. Gerhard unternimmt einen Versuch zu imponieren.
2. Gerhard hat einen Versuch unternommen zu imponieren.
Ich habe traditionell interpungiert, also vor dem unerweiterten Infinitiv kein Komma gesetzt. Die amtliche Regelung läßt nicht erkennen, daß einen Versuch als kommapflichtige hinweisende Wortgruppe zu verstehen sei. Wird aber ein Pronominaladverb oder ein Vorgreifer-es eingefügt, so muß neuerdings ein Komma stehen. Das ist die allgemeine Auffassung von § 77 (5), der bisher auch kein Reformer widersprochen hat. (Die Mittelfeld-Klammer schließt, auch wenn zufällig kein schließendes Element vorhanden ist.) Der Duden hat eine Zeitlang versucht, die unmittelbare Kontaktstellung von Bezugsausdruck und Infinitivsatz zum Kriterium zu machen (Satz 1 ohne Komma, Satz 2 mit Komma), inzwischen aber - sicher im Sinne der Rechtschreibkommission – davon Abstand genommen. Eisenberg stellt also die Neuregelung in diesem Punkt nicht korrekt dar. Nicht die Herausstellung, sondern das Korrelat ruft das obligatorische Komma hervor.
Daß Stieglitz, Kiebitz, Antlitz Ausnahmen sein sollen, ist wegen der gebeugten Formen nicht einsehbar; sollten Silbengelenke nur bei Haupttonsilben vorkommen, müßte das deutlicher gesagt werden. Hertz kommt als Eigenname ohnehin nicht in Betracht.
Unter den Neuschreibungen wie Exposee hätten die immer noch bestehenden Ausnahmen Erwähnung verdient: Abbee, Attachee u. a. sollen ja weiterhin nicht zulässig sein.
weitgehend kann laut Wörterverzeichnis auch getrennt geschrieben werden, nicht aber als Adverb. Es ist unklar, woher diese im Ansatz vernünftige Regel stammt; im amtlichen Regelwerk hat sie keine Grundlage. Und warum gilt dasselbe nicht für tief gehend, tief greifend (nur getrennt)? vivipar wird als lebendgebärend definiert; dieses muß nach Ansicht der Reformer und des vorliegenden Wörterbuchs jedoch jetzt getrennt geschrieben werden.
Im amtlichen Regelwerk fiel bekanntlich auf, daß vornüber fallen getrennt, hintenüberfallen aber zusammengeschrieben werden sollte - ein offensichtliches Versehen, das die Reformkommission inzwischen eingestanden hat. Wahrig-Burfeind hält sich jedoch strikt an die amtliche Fassung von 1996 und lehrt folglich die Ungleichbehandlung von hintenüber und vornüber. Man muß das wohl im Sinne einer Reductio ad absurdum verstehen. So erklärt sich auch, daß weiterhin danebenhängen, aber darunter hängen (aber wiederum drunterhängen!) zu schreiben ist, dazwischenfahren, aber darüber fahren (aber drüberfahren!), wie es eben die Zufälligkeiten der lückenhaften Partikelliste aus § 34 vorsehen.
Zweckdefätismus
„Es gibt in der jetzigen Situation keine Möglichkeit mehr, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, ohne erneut eine Lawine von Kosten zu verursachen und eine ganze Schülergeneration zu verunsichern.“ (Vorwort) - Dieselbe Behauptung haben Eisenberg und die anderen Reformbetreiber schon zwei Jahre vor dem Inkrafttreten vorgetragen. Sie ist seither nicht plausibler geworden. Die Verunsicherung der Schüler kann nicht größer werden, als sie zur Zeit ist, und schuld daran sind weder die Reformkritiker noch jene Verlage und Medien, die bei der „alten“ Rechtschreibung geblieben oder zu ihr zurückgekehrt sind. Schuld sind vielmehr die Politiker, die eine mangelhafte Reform ins Werk setzten, ohne die als „unumgänglich notwendig“ erkannten Korrekturen zu genehmigen. Sie müssen nun Stück für Stück nachgeholt werden, und in spätestens drei Jahren muß eine Generalüberholung stattfinden – mit allen fatalen Folgen und Kosten. Schuld an der Verwirrung sind auch Verlage wie Duden und Bertelsmann, ohne deren Bereitwilligkeit die irregeleiteten Kultusminister ihr letztlich doch zum Scheitern verurteiltes Überrumpelungsmanöver nicht zum gegenwärtigen Scheinerfolg einer flächendeckenden Durchsetzung hätten führen können.
„Ob es sinnvoll war, diese Reform trotz der Proteste, die sie hervorrief, überhaupt umzusetzen, soll hier nicht debattiert werden.“ (Vorwort)
Auch dies rückt das Unternehmen Rechtschreibreform in ein falsches Licht. Nicht die Proteste, sondern deren Grund, also die objektiv nachweisbaren, bald auch von den Reformern eingestandenen Fehler hätten die Politiker veranlassen sollen, von ihrem Eingriff in die deutsche Sprache Abstand zu nehmen.
Indem der Regelteil wieder und wieder die bewährten Schreibweisen verteidigt und andererseits das Wörterverzeichnis die Neuregelung bis in ihre grotesken Auswüchse dokumentiert, gerät das Werk zu einem überzeugenden Plädoyer für die bisherige Norm. Anzukreiden ist ihm nur der allzu offenkundig kommerziell motivierte Zweckpessimismus, was die Wiederherstellbarkeit der gewachsenen Einheitsorthographie angeht. Man kann sie haben, und zwar kostenlos, wenn man sie nur ernsthaft will.
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Kommentare zu »dtv und die Rechtschreibreform« |
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 07.03.2008 um 15.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#11614
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Meines Erachtens kann man in dem Satz Gerhard unternimmt einen Versuch zu imponieren die rechte Satzklammer nicht nur nach Versuch, sondern auch nach imponieren ansetzen (vgl.: Gerhard hat einen Versuch zu imponieren unternommen). Es liegt eine ähnliche Doppeldeutigkeit vor wie in Gerhard glaubt(,) die Rechtschreibung reformieren zu sollen (vgl.: daß Gerhard die Rechtschreibung reformieren zu sollen glaubt vs. daß Gerhard glaubt, die Rechtschreibung reformieren zu sollen).
In Herrn Icklers ›Normaler deutscher Rechtschreibung‹ wird das Komma in Er hatte keine Gelegenheit, mich zu grüßen mit der Extraponiertheit der Infinitivgruppe erklärt (›Hauptregeln‹, § 19 [2], 2. Gliederungspunkt). Auch hier kann man jedoch die rechte Satzklammer nach Gelegenheit oder nach grüßen ansetzen (vgl.: Er hat keine Gelegenheit gehabt, mich zu grüßen vs. Er hat keine Gelegenheit, mich zu grüßen, gehabt), so daß die Infinitivgruppe als extraponiert oder als nichtextraponiert aufgefaßt werden kann. Dennoch setzt man in solchen Fällen stets ein Komma, sogar bei eindeutiger Nichtextraponiertheit wie in meinem letzten Beispielsatz. Meiner Meinung nach lautet die dieser Zeichensetzung zugrundeliegende Regel: Eine Infinitivgruppe, die Attribut eines Substantivs ist, ist satzwertig und wird daher, wenn sie erweitert ist, mit Komma(ta) abgegrenzt. Ihre etwaige Extraponiertheit spielt für die Kommasetzung keine Rolle.
Was meinen die anderen?
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 13.03.2008 um 22.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#11649
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Völlig richtig, Herr Konietzko, denn weitere Divagationen führen zwangsnotwendig zu klammeraffenartigen Widersprüchen, weil Satzgliedteile (Attribute) gleich welcher Gestalt per defintionem außerhalb aller Klammern der (deutschen) Linearsyntax liegen.
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Kommentar von Rob, verfaßt am 18.03.2008 um 04.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#11709
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Richtig, ich habe mir 1 Expl. gekauft für 3 Euro!! Werde es verschenken!
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 18.03.2008 um 21.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#11719
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Einmal möchte ich hier ganz explizit und klar meine Achtung kundtun, die ich Kritiken von Prof. Ickler zolle. Es ist für mich eine Freude, solch scharfsinnig fachkompetente und gleichzeitig allgemeinverständliche Kommentare zu lesen wie hier; leider ist das Konsumpublikum (nehme ich an) nur an wenigen Händen abzählbar.
Und wenn ich schon bei Lob bin, auch die mitunter verarschenden Kommentare von Prof. Schatte finde ich hochamüsant, wenngleich ich vermute, daß Leute, die in den Keller lachen gehen, über manches nicht ungehemmt schmunzeln können.
Wohl bekomms ...
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2008 um 11.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#11722
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Wir sollten den Zeitungen keine Ruhe lassen. Die Verschlechterung der orthographischen Qualität kann ja niemandem entgehen, auch nicht den Redakteuren. Wir müssen der Meinung entgegentreten, daß es bei genauerer Umsetzung der neuen Regeln besser würde. Es sind diese Regeln selbst, die zur Qualitätsminderung und zur täglichen Verärgerung führen.
Ein zumutbarer erster Schritt wäre der, den die FAZ bewußt gegangen ist und den die SZ intuitiv auch schon eingeschlagen hat: Weg mit den Etymogeleien! Diese Stängel usw. sind einfach lächerlich.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2014 um 11.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#25659
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Vor 12 Jahren (und vor den beiden offiziellen Revisionen der Neuregelung) hat C. H. Beck ja auch die Gesetzestexte auf Reformschreibung umgestellt, wenn auch damals schon fehlerhaft. Im BGB hieß es also nun: Ist eine von Natur Frucht tragende Sache dem Pfandgläubiger zum Alleinbesitz überlassen ... (BGB 52. Aufl. Beck-Texte im dtv, München 2002, § 1213)
Ich habe die neueste Auflage nicht zur Hand, halte es aber für wahrscheinlich, daß die Zusammenschreibung wiederhergestellt ist, nachdem die Zwischenstaatliche Kommission hier 2004 ein erlösendes, wenn auch unklares Wort gesprochen hat.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2024 um 08.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=981#53023
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Im Jahr 2002 übernahm der Verlag Wissenmedia die Nutzungsrechte an der Marke Wahrig neben den Nutzungsrechten für die Wahrig-Autorenwerken. Die bereits vorhandene Reihe von Bertelsmann Wörterbüchern (u. a. die Bertelsmann Rechtschreibung) wurden dann ebenfalls in dem neuen Wahrig-Programm veröffentlicht.
Nach Übernahme der Marke Brockhaus durch Wissenmedia 2009 erhielt das Wahrig-Programm den Zusatz „bei Brockhaus“.
Die Umsätze der Printwerke im Buchhandel waren durch die immer stärker werdende Präsenz der kostenfreien Nachschlagewerke im Internet, insbesondere Wikipedia, massiv zurückgegangen. Deshalb wurde im Juni 2013 von Verlagsseite die Entscheidung getroffen, das gesamte Buchhandelsgeschäft von Wissenmedia zu beenden – Anfang 2014 wurde der Vertrieb der Marken Brockhaus und Wahrig eingestellt.
Da es Wissenmedia nicht gelungen war, einen Verlag für die Übernahme des Wahrig-Programms zu finden, sind die Marken- und Nutzungsrechte 2017 an die Autorin Renate Wahrig-Burfeind zurückgefallen. Für sie tun sich neue lexikografische Betätigungsfelder auf, die zurzeit insbesondere die digitale Nutzung der Inhalte betreffen. (Weiteres hierzu unter dem Menupunkt "Wahrig aktuell").
(https://www.wahrig.de/historie.html)
Frau Wahrig-Burfeind ist vor zwei Jahren verstorben. Sie wurde nicht viel älter als ihr frühverstorbener Vater Gerhard Wahrig.
Dies zum Hintergrund der gegenwärtigen Wörterbuchsituation, die nicht nur für die Rechtschreibreform, sondern jetzt auch für das Gendern von einiger Bedeutung ist.
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