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27.06.2007
Wie geschmiert
Die Verlage kosten ihren Sieg aus
Der Brockhaus-Konzern hat einen Umsatzsprung gemacht, den er auf die gewaltsame Beendigung der Arbeit des Rechtschreibrates zurückführt. Zehetmair hat diesen Beitrag zur Marktberuhigung geleistet und verdient den Dank der Verlage.
Damit der Erfolg von Dauer ist, müssen die Verlage darauf bestehen, daß vorläufig keine Veränderungen der Rechtschreibung mehr beschlossen werden, und auch dazu ist Zehetmair bereit, wie er ausdrücklich erklärt hat.
Wir gratulieren ihm und allen Ratsmitgliedern!
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2007 um 17.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9223
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Ich habe geschrieben "vorläufig", und es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie lange das wohl gelten wird. Im Jahre 2007 läßt sich der Umsatzsprung von 2006 gewiß nicht wiederholen, aber bis 2008 oder gar 2009 sieht die Sache schon wieder besser aus. Es ist ja viel Geld im Lande, und die Leute haben ein kurzes, durchs Fernsehen noch weiter verkürztes Gedächtnis. Also muß die Verlagslobby daran interessiert sein, daß der Rat weiterbesteht und vielleicht in zwei Jahren eine neue Rechtschreibung verordnet, damit es wieder einen Umsatzsprung geben kann. Ohne Rat blieb ja nur die lahme Ersatzbeschaffung.
Brockhaus und Bertelsmann sind nicht ohne Grund ins Schulbuchgeschäft eingestiegen. Dort wird bald die Lernmittelfreiheit endgültig fallen, die Elternverbände hat man jahrelang eingewickelt, so daß sie nun schon fast geschlossen für ihre eigene Bestrafung durch flächendeckenden "Elternkauf" eintreten. Für die Schulen wird es auch viel einfacher (keine Ausleihe mehr, kein Eintreiben von Büchergeld usw.). Die Schulbücher müssen aber ständig ein wenig geändert werden, damit keine Weitergabe an die nächsten Jahrgänge möglich ist. Auch die Schulbuchflohmärkte müssen verhindert werden. Man arbeitet dran.
Eine gigantische Geschäftemacherei.
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Kommentar von Ad-hoc-News, verfaßt am 27.06.2007 um 17.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9224
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Brockhaus-Verlag profitiert vom Ende der Rechtschreibdebatte
Das Ende der Rechtsschreibdebatte hat dem Brockhaus-Verlag im vergangenen Jahr eine deutliche Gewinnsteigerung beschert. Wie der Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG am Mittwoch in Mannheim mitteilte, konnte der Jahresüberschuss auf 5,68 Millionen Euro deutlich verbessert werden. Im Jahr 2005 war der Gewinn noch aufgrund der damaligen Diskussion um die Rechtschreibreform und hoher Investitionen auf 83 000 Euro eingebrochen.
Mannheim (ddp). Das Ende der Rechtsschreibdebatte hat dem Brockhaus-Verlag im vergangenen Jahr eine deutliche Gewinnsteigerung beschert. Wie der Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG am Mittwoch in Mannheim mitteilte, konnte der Jahresüberschuss auf 5,68 Millionen Euro deutlich verbessert werden. Im Jahr 2005 war der Gewinn noch aufgrund der damaligen Diskussion um die Rechtschreibreform und hoher Investitionen auf 83 000 Euro eingebrochen. Wichtigste Faktoren für das gute Ergebnis im vergangenen Jahr seien der «große Erfolg» der Neuauflage des Standardwerks «Duden - Die deutsche Rechtschreibung» und der Marktdurchbruch des «Duden Korrektors» gewesen. Das Korrekturprogramm für den PC habe wie alle Duden-Produkte stark vom Ende der Rechtschreibdiskussion profitiert. Für den Mannheimer Verlag gab es 2006 einen «Umsatzsprung» auf rund 108 Millionen Euro. Das sei ein Plus von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als der Umsatz bei 82 Millionen Euro lag. Die AG selbst steigerte ihren Umsatz um 15 Prozent von 69,8 Millionen Euro auf 80,3 Millionen Euro. Zum Umsatzanstieg habe auch die «Brockhaus Enzyklopädie» beigetragen, die seit der Buchmesse 2006 vollständig vorliegt. Eine positive Entwicklung erwartet der Verlag nun im Schulbuchgeschäft. Gearbeitet werde zudem am Ausbau des Internetangebotes, das «noch breiter und attraktiver» werden soll.
ddp/dmu/han
http://www.ad-hoc-news.de/Marktberichte//12278654/B
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 27.06.2007 um 19.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9225
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Zentral ist für mich folgende Stelle in der Nachricht: Wichtigste Faktoren für das gute Ergebnis im vergangenen Jahr seien ... und der Marktdurchbruch des «Duden Korrektors» gewesen. Das Korrekturprogramm für den PC habe wie alle Duden-Produkte stark vom Ende der Rechtschreibdiskussion profitiert.
Ich denke, die langfristigen Gewinnerwartungen gründen sich auf die flächendeckende Verbreitung der elektronischen Rechtschreibhilfen. Wer will schon noch nachschlagen, wenn man sich die Auskunft per Mausklick gleich am Monitor anzeigen lassen kann? Und wenn dann in fast jedem PC so ein Korrektor installiert ist, schlucken die Leute auch einen Update-Service alle paar Jahre für 20 oder 30 Euro. Bei Software ist das ja üblich. Dazu paßt ideal eine stets etwas mißlungene amtliche Rechtschreibung, deren Korrektur man auf fünf oder mehr Durchgänge strecken kann. Goldene Aussichten!
Noch treffender und zeitlos gültig ist die Nachricht mit einem veränderten Schluß: Das Korrekturprogramm für den PC wird stark von der Rechtschreibreform profitieren.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2007 um 20.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9226
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Man sollte Zehetmair den Börsenblatt-Artikel schicken mit einem herzlichen Glückwunsch zur Marktberuhigung – weiter nichts.
Es ist schade, daß das Manuskript meines Droemer-Buchs schon im November 2005 abgeschlossen werden mußte, so daß ich die schmutzigen Vorgänge der nächsten Monate nicht mehr dokumentieren konnte. Im Augenblick sehe ich nicht, wer diese ganze Affäre noch publizieren könnte.
Schade auch, daß sich unsere investigativen Journalisten nicht für das Thema interessieren oder daß es ihnen entzogen worden ist. Was gäbe da alles aufzudecken, von Zehetmair-Durner 1996ff. bis Zehetmair-Duden/Wahrig 2005 usw.
Über der Tür zum Rechtschreibrat könnte stehen „Volenti non fit iniuria“. Insofern ist alles in Ordnung. Aber von außen gesehen: welch ein Schauspiel!
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 28.06.2007 um 11.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9229
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Die Korrekturprogramme können nicht von der RSR profitieren, wie einige Profitorientierte meinen mögen, denn bereits für die "Silben"-trennung läßt sich nach dieser Deform kein greifender Algorithmus entwickeln, ebenso wie nach der Augstung der Schreibung mit Varianten zu jedem zwanzigsten Wort. Nach der Verordnung der brutalen Getrenntschreibung (bis auf wenige dümmlich oktroyierte Zusammenschreibungen) und der ebenso brutalen Großschreibung von allem und jedem sind Tausende von Lexemen nicht mehr im Lexikon oder gar in dem, was Microsoft "Thesaurus" nennt. Die RSR hat eine Entropie nach sich gezogen, an der auch ausgebaute Hardware mit komplexer Software scheitern muß. Ein den Mathematik-Leistungskurs eines Gymnasiums bewältigender Schüler könnte dies auf etwa einer A-4-Seite belegen.
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Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 28.06.2007 um 11.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9231
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Zur Zeit der Entwicklung der ’96er Reform war nennenswerte Korrektursoftware noch kaum vorhanden. Man hätte sonst über vieles schon damals mehr nachgedacht. 1996 waren dann PCs mit Word schon recht verbreitet, und alsbald kam eine Version, die angeblich Neuschrieb konnte. Die Umsetzung hätte sonst kaum gelingen können. Wie Herr Schatte bemerkt, ist Neuschrieb aber algorithmisch schwerer beherrschbar, nur ahnen viele Anwender das nicht. Man wird ihnen leicht plausibel machen können, daß sie nun die abgesicherte neue Version brauchen. Was dann rund läuft, ist aber nur der Rubel.
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 28.06.2007 um 12.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9232
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@Eversberg
Das war etwas anders:
Seit spätestens 1988 gab es z.B. das in "Chip" heftig angepriesene Programm des Schweizer Mathematikers Hannes Keller ("Tippfehleren Sie jetzt"), welches zu WORD for DOS im Hintergrund lief und beim oder nach dem Schreiben dies und jenes ausmerzte (nach Augst: "ausmärzte") . Es paßte ganz bescheiden auf zwei 3,5-Zoll-HD-Disketten.
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Kommentar von Phililp Köster, verfaßt am 28.06.2007 um 12.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9233
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Ich finde es sehr beunruhigend und eine Situation fast schon Orwellschen Ausmaßes, daß wir, wenn wir Texte in Büchern, Zeitungen oder im Internet lesen, in so sinnentscheidenden Bereichen wie der Getrennt- und Zusammen- sowie der Groß- und Kleinschreibung (was für ein Bandwurm!) heute kaum noch zwischen automatisierten Korrekturprozessen und menschlichen Abwägungen unterscheiden können. Wo es um Silbentrennung, Buchstabierfehler und grobe grammatische Klöpse geht, ist jede elektronische Hilfe willkommen, doch Dinge, über die nur der Mensch entscheiden kann, dürfen wir nicht einer wie auch immer gearteten Software überlassen.
Für mich ist es eine Frage der Ehre und des Trainings, beim Schreiben ganz auf jede Korrekturfunktion zu verzichten. Das kann nicht von jedem verlangt werden. Doch wie arglos manche Journalisten ihre Texte den Maschinen zum Fraß vorwerfen, erfüllt mich mit Sorge.
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 30.06.2007 um 13.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#9256
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Beim ASta Literaturwettbewerb an der FernUniversität Hagen haben 4 der 6 Preisträger ihren Beitrag reformiert verfaßt, einer der prämierten Beiträge ist klassisch geschrieben, ein weiterer in Mischschreibung (dass, daß, bisschen, muß,...).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.11.2019 um 06.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=861#42365
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Einen besonderen Triumph feierten die Schulbuchverleger, als sie die „Schülervertretungen“ auf ihre Seite ziehen konnten. Die Schülervertreter baten die Kultusminister um unnachsichtige Durchsetzung der Rechtschreibreform, um mehr Fehler zu machen und schlechtere Noten zu bekommen!
Ich habe weder während meiner eigenen Schulzeit noch zu der meiner Töchter mitbekommen, daß die Schüler ihre „Vertreter“ (über den Klassensprecher hinaus) kannten oder auch nur wußten, daß es Landes- und Bundesschülervertretungen gab. Ähnlich werden ja auch die „Studierendenvertretungen“ fast von niemandem gewählt, ohne Quorum wohlgemerkt (sonst könnten sie gar nicht zusammentreten), sprechen aber sehr vernehmlich im Namen aller. Kritik am Verfahren wird mit dem Argument gekontert: Selbst schuld! Ihr könntet ja an der Wahl teilnehmen. – Wenn aber jemand gar keine Vertretung will?
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