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25.04.2005
IDS für immer?
Warum müssen Rechtschreibaktivitäten eigentlich immer auf das Institut für deutsche Sprache hinauslaufen?
Dort hat man zwar niemals nennenswerte orthographische Forschung, dafür aber unter Direktor Stickel heftige Reformpropaganda betrieben. Zwischen der Auflösung des Internationalen Arbeitskreises und dem Zusammentreten der Zwischenstaatlichen Kommission hat das IDS ohne jedes Mandat offiziöse Erklärungen herausgegeben. Eine Zusammenstellung der arrogantesten findet man nur noch auf der Internetseite der trefflichen Heide Kuhlmann (http://www.heide-kuhlmann.de/ma_ids.html).
Kuhlmann zeigt auch, daß schon bei der Gründung des IDS gescheiterte Rechtschreibreformer federführend waren. Seither gibt es dort eine ununterbrochene Tätigkeit von reformwilligen Kommissionen.
Die Mannheimer Anhörung ist auf Band aufgenommen worden, aber es gibt kein schriftliches Protokoll, und das IDS hat in späteren Chroniken usw. diese peinliche Veranstaltung meist verschwiegen. Die Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht habe ich ausführlich kommentiert, sie ist kein Ruhmesblatt für die Kompetenz und wissenschaftliche Wahrhaftigkeit des Instituts.
In seiner Einladung zur 34. Jahrestagung schreibt das Institut für deutsche Sprache, am 15.10.1997: "Öffentliches Interesse an Sprache und öffentliche Meinung über Sprache sind nahe liegend." - Der grammatische Schnitzer ist kein Versehen. So tief kann man sinken.
Trotz vielfachen Versagens hat das IDS sogleich zwei Sitze im Rat zugebilligt bekommen - warum eigentlich?
Die Schweiz und Österreich haben schon oft ihr Mißfallen über diese Dominanz der zweifelhaften Mannheimer Einrichtung zum Ausdruck gebracht, konnten aber auch nichts anbieten.
Als die Zwischenstaatliche Kommission in Aussicht gestellt war, wollte das IDS ein wenig vom amtlichen Glanz dieser Einrichtung auf sich selbst lenken:
"Mit der Einrichtung der Kommission wird erneut die Bedeutung des IDS als zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung und Dokumentation der deutschen Sprache bestätigt." (IDS 3.7.96)
Später, aufgrund der wenig glanzvollen Vorstellungen der Kommission und ihres Geschäftsführers, distanzierte sich die IDS-Leitung von dieser mickrigen, in sich vollkommen zerstrittenen Truppe, die dann nur noch "unter dem Dach" des IDS tätig war und auch mit ihrer Website Gastrecht genoß. Auch nach Einschätzung von Ministerin Karin Wolff - sie spricht zugleich im Namen Schavans - hatte die Kommission "keine ausreichende Akzeptanz". Darum wurde ja der Rat gegründet, aber das IDS hat gleich wieder den Fuß in der Tüt.
Wenn es nach dem Ende der Reform einen Untersuchungsausschuß geben sollte - angesichts der Milliardenverschwendung eigentlich eine Selbstverständlichkeit -, wird das IDS eine gewichtige Rolle spielen müssen.
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Kommentar von axel Büdenbender, verfaßt am 25.04.2005 um 19.22 Uhr
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Wie wäre es, wenn man die Kultusminister und ihre alles abnickenden Vasallen, die Lehrer, schlicht und mit ergreifendem Recht des Wortverwenders aus dem neuen Rat für Rechtschreibung außenvorlassen würde? Denn es können nur Beamte sein, die sich gegen eine ERNEUTE Deregulierung der Rechtschreibung stellen. Ganz nach demn Motto: "Was ich jetzt so gerade mal begriffen habe, das werde ich NIEMALS mehr kampflos aufgeben."
In diesem Sinne und mit einem "Bonne Chance" in die nächste (hoffentlich nicht) Rechtschreibe-Rate-Runde!
Axel Büdenbender
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Kommentar von Yutaka Nakayama, verfaßt am 26.04.2005 um 03.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=73#134
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Vor einigen Jahren hielt Herr Stickel als Direktor des IDS vor japanischen Germanisten einen Vortrag im Goethe-Institut Tokio. Er brachte mit Nachdruck sein Desinteresse für die Rechtschreibung zum Ausdruck, indem er in einem Buch blätterte und sagte, man merke dabei kaum orthographische Veränderungen. Für ihn als Linguist sei Rechtschreibung kein zentrales Thema. Wenn das der Fall ist, hätte sich das IDS von der Reform heraushalten sollen.
Meine Frage, ob die Reform auch die Zerstörung des "Dudenmonopols" bezwecke, bejahte er.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.04.2005 um 09.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=73#135
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Duden für immer?
Reformer Blüml sagte ja sogar, der eigentliche Zweck der Reform seien gar nicht die Schreibweisen, sondern es gehe darum, die Rechtschreibung aus der Verfügungsgewalt eines privaten Unternehmens zu befreien. Wenn man mal von der irrigen Annahme Blümls absieht, die Rechtschreibung sei in der Verfügungsgewalt staatlicher Bürokraten besser aufgehoben – wäre das nicht die beste Lösung überhaupt, genau dieses eigentliche Ziel der Reform, von störenden Hilfsmaßnahmen im Bereich der Schreibweisen befreit, vollends durchzusetzen?
Also der Kompromiß: Die Schreibweisen überläßt der Staat wieder den Schreibenden, er hält sich da raus. Aber es bleibt insofern bei der Reform, daß dem Duden sein Monopol entzogen wird. Mit der Ernennung des Duden zum Scharfrichter in allen Zweifelsfällen hatten wir nämlich schon vor der offiziellen Reform indirekt eine staatlich verfügte Rechtschreibnorm: inhaltlich formuliert vom Duden, aber zur Norm erhoben von den Kultusministern. Das war der Kern des Übels.
Mit diesem Kompromiß könnten doch alle gut leben, jedenfalls besser als bisher. Die Kultusminister, weil sie nicht mehr für Schreibweisen verantwortlich sind und überhaupt die Bürde dieser ganzen Reform los sind. Der Duden, weil er nicht mehr auf ein unsachgemäßes Regelwerk festgenagelt ist. Er kann sich dann wieder dem Schreibgebrauch zuwenden und seine Archive und Datenbanken nutzen. Die Konkurrenz, nennen wir sie Bertelsmann, weil sie konkurrieren darf. Die Käufer der Wörterbücher, weil sie haltbare Produkte erwerben können. Die Schreibenden, weil sie wieder vom Wörterbuch ernst genommmen werden und sich in ihm wiederfinden können. Die Lesenden, weil die Voraussetzungen geschaffen sind, die Zersplitterung der Rechtschreibung zu beenden, so daß vertraute Schriftbilder vertraut bleiben. Die Reformgegner, weil sich dann die besten Schreibweisen schnell durchsetzen werden – und nicht mehr irgendwelche verordneten Schreibweisen, die uns gegen den Strich gehen. Und die Reformbefürworter, weil das eigentliche Ziel der Reform ja schließlich erfüllt ist: Entmachtung des Duden.
Darüber müssen die Reformfreunde, namentlich die Politiker, nur noch aufgeklärt werden. Und wer die neuen Schreibweisen tatsächlich mögen sollte, kann ebenfalls bedient werden. Man kann es ja dem freien Spiel der Konkurrenten überlassen, wie sie den Schreibgebrauch in einer Übergangszeit darstellen: alt und neu gleichberechtigt – oder doch gewichtet und gesichtet je nachdem, was tatsächlich praktiziert oder aber abgelehnt wird. So wird keine Errungenschaft der Reform untergehen müssen, wenn nur genügend Freunde des Kängurus ihre Liebe zu diesem Tier schriftlich bekunden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.04.2012 um 06.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=73#20557
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Daß Heide Kuhlmann jetzt Försterin wird (s. Diskussionsforum), finde ich bewundernswert. Sie hat schon als Historikerin die reformfreudigen Sprachwissenschaftler an die Wand gespielt und hätte damals mehr wahrgenommen werden müssen. Es ist immerhin gut, daß sie in unserem Kreis Anerkennung gefunden hat. Ich wünsche ihr weiterhin viel Glück.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2014 um 03.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=73#24834
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„Während sich die klügeren Köpfe wie Theodor Ickler aus der Kommission längst verabschiedet haben und deren Ziele energisch bekämpfen (...)“ (Werner Fuld: Die Bildungslüge. Berlin 2004:174)
Danke für die Blumen, aber hier stimmt etwas nicht. Das Buch ist 2004 erschienen, es kann also nicht der Rat für deutsche Rechtschreibung gemeint sein. So entsteht der Eindruck, ich hätte ursprünglich zu der Reformertruppe gehört und mich erst später von ihr distanziert. Wie ihr alle wißt, bin ich seit meiner Geburt gegen die Rechtschreibreform aufgetreten.
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