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Kulturschocks, Höflichkeitsformeln«
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 13.08.2012 um 15.13 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9285
Die FAZ/FAS (11./12.8.2012, Seite C4) schreibt über die Erfahrungen einer deutschen Studentin in China: "Der größte Kulturschock für mich war die Tatsache, dass man sich unter Chinesen nicht bedankt", ... "Ich wohnte in einer Gastfamilie, die sich rührend um mich kümmerte und viel mit mir unternahm. Für alles, was sie für mich taten, bedankte ich mich überschwänglich. Bis mir meine Gastschwester sagte, dass das in der Familie und unter Freunden nicht üblich sei und an Beleidigung grenze." ... Wieder zurück an der TU München, kümmert sie sich hin und wieder um chinesische Studierende und begleitet sie, etwa bei Behördengängen. "Dann muss ich immer schlucken, wenn sie hinterher gar nicht danke sagen", sagt sie. "Bis mir wieder einfällt, dass das ein Kompliment ist." Kulturschock? Ich will gar nicht bestreiten, daß es kulturelle Unterschiede gibt, aber sie werden meiner Ansicht nach oft übertrieben. Die Zeitungen suchen eben immer etwas Originelles. Wenn sich bei mir ein Gast alle Naselang für jede Kleinigkeit überschwenglich bedankt, dann irritiert mich das genauso. In meiner Firma gibt es öfters Besuch von Chinesen, früher meist aus Amerika, in letzter Zeit zunehmend direkt aus China. Einmal nach Feierabend, nach dem gemeinsamen Tischtennisspiel, für das sie sich wieder artig bedankten, wurde es mir endlich zu peinlich, und ich bat sie, nicht mehr danke zu sagen, sonst müßte ich mich ja auch ständig bei ihnen bedanken. So ähnlich ging es mir mehrmals, ich dachte, na gut, die Chinesen sind halt so. In Wirklichkeit ist es wohl egal, ob hier oder in China oder sonstwo, der Gastgeber versucht sich immer von der besten Seite zu zeigen, vieles betrachtet er als selbstverständlich und wehrt jeden Dank ab, und der Gast glaubt, dem Gastgeber etwas, zumindest Dank, zu schulden. Und man versucht gegenseitig, seine Achtung und die anfängliche Beklemmtheit irgendwie in Höflichkeiten zu kleiden. Je besser man sich kennt, umso mehr lassen solche Förmlichkeiten nach. Da muß man gar nicht großartige kulturelle Unterschiede erfinden. Die Chinesen, die ich kennengelernt habe, denken und fühlen im wesentlichen gerade so wie wir.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 13.08.2012 um 16.12 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9286
"Die Zeitungen suchen eben immer etwas Originelles." Eben. Und man muß zugeben, tatsächlich unterhält das viele Leser. Sie fühlen sich gebildeter. Brit.: "Thank you very much." – "Don't mention it." Am.: "Thank you very much" – "You are welcome." Horst Ludwig in Amerika: "Thank you very much." – "You are welcome." – Horst Ludwig: "To what?" – "What do you mean 'To what?'" "Thank you very much." – Horst Ludwig: "Don't mention it." — Eine junge Amerikanerin: "O.k., I won't."
Zu "Die Chinesen, die ich kennengelernt habe, denken und fühlen im wesentlichen gerade so wie wir": Jaja, im wesentlichen schon. Jedoch: Wo beginnt das wirklich Wesentliche? Am besten wohl, man redet mit denen von ihnen darüber, die dazu schon etwas Erfahrung haben. Und tatsächlich ist das ja auch unterhaltend, nicht wahr, auch weil's ja auch etwas zur eigenen Bildung beiträgt. Ein sehr guter Kollege hier hat das Kapitel "Punctuality" in seinem Buch für amerikanische Geschäftsleute in Deutschland mit diesem Satz eröffnet: "The myth of German punctuality is not a myth." Das kann ich aus tiefstem Bauchgefühl heraus auch nach einem halben Jahrhundert in Amerika noch mit ganzester Persönlichkeit nur unterschreiben! Von wegen "bloß sekundäre Tugend"! Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige! Und da kann ich Gott tausendmal für mir doch von Ihm so großzügig geschenkte Lebenszeit danken sollen!
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 16.08.2012 um 18.23 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9310
Noch ein Gedanke zum (Nicht-)Dankesagen. Ich verwende der Einfachheit halber mal die Pronomen sie und er in dieser Reihenfolge, natürlich wären auch andere Kombinationen möglich.
Mir erscheint es immer eigenartig, wenn sie sich dafür bedankt, daß er ihr ein Kompliment macht. Dafür, daß sie hübsch ist, sollte sie Gott oder ihren Eltern danken, aber doch nicht ihm, oder?
Indem sie nämlich danke sagt, gibt sie entweder zu erkennen, daß sie glaubt, er wolle ihr nur ein Kompliment machen, er sei aber in Wahrheit gar nicht aufrichtig, oder sie möchte sich damit von ihm distanzieren (indem sie es dadurch wie eine Höflichkeit aussehen läßt). Oder es klingt wie: Ach, das wußte ich gar nicht, aber danke, daß du es mir gesagt hast.
Ein ehrliches Kompliment, wenn sie es auch als solches annehmen möchte, sollte nur mit einem Lächeln beantwortet werden.
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande
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Dieser Beitrag wurde am 16.08.2012 um 20.48 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9311
Vielleicht dankt sie ihm dafür, daß er so freundlich (nicht: höflich) war, ihr das Kompliment zu machen, und nicht für das Kompliment selbst – Dank als Ausdruck der Freude über die erwiesene persönliche Zuwendung, nicht über die Anerkennung vermeintlicher Verdienste.
Und was, wenn sie nun ein vorzügliches Abendessen gezaubert und er sie daraufhin für ihre Kochkunst gelobt hätte? Wozu bedankt man sich überhaupt?
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 17.08.2012 um 10.38 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9316
Dank für persönliche Zuwendung – ja, natürlich, ich will das Danken ja nicht abschaffen. Ich meinte mehr die Art Komplimente, die eigentlich verklausulierte Liebeserklärungen sind. Bei diesen halte ich danke nicht unbedingt für die passende Antwort, es sei denn, sie möchte das Kompliment etwas neutralisieren und als ebensolche freundschaftliche persönliche Zuwendung hinstellen.
Für ein gutes Essen sollte er natürlich danken, auch ein Lob paßt gut dazu. Aber ob sie nun dafür ihrerseits wieder dankt oder es einfach mit einem Lächeln annimmt, na ja, ist vielleicht Geschmackssache.
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 17.08.2012 um 16.10 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9318
Mir fällt dazu dieser ein- bis zweimal pro Woche stattfindende, immer fast gleiche Dialog beim Bäcker ein:
Ich: Guten Tag. Verkäuferin: Guten Tag. I: Ein Gutsherrenbrot, bitte. V: Geschnitten? I: Nein, danke. (Es treibt mich innerlich immer auf die Palme, daß man auch noch jedesmal sagen muß, was man nicht möchte. Jeder kann doch sagen, was er haben möchte. So viele überflüssige Worte.) V: Bitte schön. I: Danke, das war alles. V: 2,85. I: Bitte schön. V. Danke. I: Wiederseh'n. V: Wiederseh'n. Schöner Tag noch. (Nominativ ist regional) I: Danke, gleichfalls. V: Danke schön.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 17.08.2012 um 16.49 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9319
"([...] So viele überflüssige Worte.)" — Nein, gar nicht! Natürlich wird hier nicht die großartige Möglichkeit der menschlichen Sprache, etwas Unerhörtes klar mitzuteilen, aufs vollste ausgenutzt. Aber zwischenmenschliche Mitteilung haben wir auch hier, nämlich: "Nichts hat sich in unserm Zusammenleben geändert. Und das ist gut so." Und Sie haben dazu Ihr Brot für die nächsten Tage, wie immer. Und dafür danken wir Gott und sagen Gott sei Dank, — und schreiben es nicht gottseidank, als sei's ein bloßes Adverb ohne tiefere Bedeutung. — Und: Auf welche Palme genau werden Sie denn "immer" getrieben, lieber Herr Riemer? Ich meine, daß man wegen des definiten Artikels da ja mal fragen kann...
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 17.08.2012 um 18.20 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9320
Auf welche Palme? Na ich meine, die Frage – Geschnitten? – und die Antwort, zu der ich regelmäßig genötigt werde, sind doch völlig überflüssig. Ich werde ja auch nicht gefragt, ob ich vielleicht noch ein paar Brötchen oder ein Schweinsohr oder ein Quarktäschchen oder ... kaufen möchte. Die Regale sind voll, ich könnte eine halbe Stunde lang alle Waren verneinen, bevor ich gehen dürfte. Aber das wäre unsinnig. Was ich haben möchte, das sage ich, und was ich nicht brauche, das brauche ich nicht zu erwähnen. Das spart Zeit. Nur um dieses eine Angebot – Geschnitten? – und die entsprechende Antwort kommt kein Brotkäufer herum, egal ob er "geschnitten" will oder nicht.
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Kratzbaum
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Dieser Beitrag wurde am 18.08.2012 um 08.08 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9321
Lieber Herr Riemer, seien Sie nicht so streng mit Menschen, die es auch nicht leicht haben. "Geschnitten?" geht so einer Verkäuferin eben gedankenlos über die Lippen, sie fragt es vielleicht hundertmal am Tage. Als Dauerkunde könnten Sie eventuell erwarten, daß sie Ihre Antwort bereits im voraus kennt. Ich selbst sage dann schon mal: "Danke, wir haben ein Brotmesser zuhause ..." Manchmal ergibt sich daraus sogar eine zustimmende Reaktion, daß es ja viel besser sei, seine Scheibe Brot jedesmal frisch abzuschneiden. Auf "Schönen Tag noch" reagiere ich nie, das ist mir dann doch zu aufgesetzt, obwohl der arme Lohnabhängige an der Kasse auch nur eine Anweisung von oben befolgt.
Man könnte sich den Herzog von Guermantes aus der "Recherche" zum Vorbild nehmen, der seine Dienerschaft, nicht aber seine Standesgenossen mit ausgesuchter, geradezu übertriebener Höflichkeit behandelt – was aber ja auch nur ein besonders perfider Ausdruck menschenverachtenden Dünkels wäre.
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Manfred Riemer
Mannheim
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Dieser Beitrag wurde am 18.08.2012 um 18.00 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#9324
Klar, lieber Kratzbaum, ich beklage mich auch nur hier. Mit der Dauerkundschaft ist es leider nicht so einfach, zum einen haben wir zwei Muschelknautze in der Nähe, da gehe ich, wo es gerade besser paßt, zum andern wechseln die Verkäuferinnen auch sehr häufig (Sie haben recht, "Geschnitten?" muß wohl Anweisung von oben sein), und weitere Unregelmäßigkeiten. Ich habe auch schon ab und zu versucht, die Frage zu umgehen: "Ein Gutsherrenbrot, ungeschnitten, bitte." Ich konnte daraufhin das Brot gerade noch mit einem Hilferuf vor den Messern bewahren: "Ich sagte doch UNgeschnitten!" – "Ach so, nicht geschnitten", war die Antwort. Sie hatte wohl "un' geschnitten" (und ...) verstanden. Seitdem sage ich manchmal "nicht geschnitten", aber das ist auch unbefriedigend, denn damit sage ich selbst ungefragt etwas Unnötiges.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 09.04.2016 um 23.38 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#11342
Weil's witzig ist, nicht weil's was mit Sprache zu tun hat, zitiere ich das hier mal: "Brüssel (dpa [heute]). Der als «Mann mit dem Hut» gesuchte dritte Terrorverdächtige des Brüsseler Flughafens [Mohamed Abrini] ist gefasst. [...] Auf Fahndungsfotos und -videos vom Flughafen war er stets mit einer hellen Jacke und einem dunklen Hut zu sehen gewesen. Diese Jacke hat Abrini laut Staatsanwaltschaft in einen Mülleimer geworfen, den Hut danach verkauft." Dieser Hut hätte Mohamed Abrini bei einer richtigen Auktion sicher mehr Geld bringen können als er da bei seinem eigentlich wohl doch recht maghrebinischen Handel dafür bekommen hat.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 04.06.2016 um 15.58 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#11380
Hochtrabender dernewsticker.de-Stil gestern: «Natürlich versuche Meuthen jetzt, mit seiner Stuttgarter Landtagsfraktion und seinem guten Wahlergebnis im Rücken seine Position zu stärken, sagte auch der Politikwissenschaftler Carsten Koschmieder von der Freien Universität zu Berlin.» Diese Institution heißt Freie Unversität Berlin, und sie ist in Berlin.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 19.07.2016 um 16.51 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#11445
Stilfragen DTS-Meldung vom 19.07.2016, 09:53 Uhr Polizei-Gewerkschaftschef Wendt wirft Künast "Klugscheißerei" vor [//] Nach der Axt-Attacke in einem Regionalzug bei Würzburg und dem Tod des Angreifers hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Grüne Renate Künast scharf kritisiert. [//] "Da brauchen wir die parlamentarischen Klugscheißer überhaupt nicht." DTS-Meldung vom 19.07.2016, 11:05 Uhr "Wendt wirft Künast nach Kritik Ahnungslosigkeit vor [//] Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hat die Grünen-Abgeordnete Renate Künast für ihre Kritik am Polizeieinsatz gegen den mutmaßlich islamistischen Axt-Angreifer in einem Regionalzug in Bayern scharf kritisiert. [//] "Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast hat von der Realität gefährlicher Polizeieinsätze überhaupt keine Ahnung."
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA
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Dieser Beitrag wurde am 28.10.2016 um 17.14 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=283#11541
Schnelle Redewendungen (www.dernewsticker.de/ 28.10): «"Maßstab der Integration müsse "die Leitkultur des Grundgesetzes" sein, "ausnahmslos, für jeden", sagte Haseloff und betonte, dass hierzu auch die Erinnerung an die Judenvernichtung in der Nazi-Zeit sowie das Bekenntnis zu Israel gehöre. "Als Deutsche müssen wir Verantwortung übernehmen: für die Erinnerung an den Holocaust. Für den Fortbestand Israels", sagte Haseloff. Der CDU-Politiker betonte: "Wer [als Flüchtling] zu uns kommt, der kann zum Beispiel nicht sagen, wo ich geboren bin, habe ich schlechte Erfahrungen mit Israelis gemacht."» - Na, sagen wird er das doch wohl noch dürfen. Denn das gehört doch wohl auch zur "Leitkultur des Grundgesetzes". Oder?
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