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»Sprache und Politik«


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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 17.05.2012 um 23.56 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#9098


Die Bundeskanzlerin schreibt selbst in einem handschriftlichen Entwurf „heute vormittag“, hält die Rechtschreibreform aber natürlich für alternativlos.
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Ruth Salber-Buchmüller
Mülheim-Ruhr

Dieser Beitrag wurde am 06.03.2009 um 11.53 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#4676


Lernstandserhebungen in NRW

WAZ heute

"Eine Aufgabe im Deutschtest wurde in alter Rechtschreibung ('daß' statt ‘dass') verfasst. Es sei 'völlig' unverständlich, wie das passieren konnte", betonte Sommer.

"Im Deutsch-Heft sorgt eine vor Jahren abgeschaffte Rechtschreibung für Verwirrung."

"Über die Verwendung der alten Rechtschreibung kann man nur den Kopf schütteln. Oder würden wir einen Bankkaufmann ernst nehmen, der Devisen immer noch in D-Mark umrechnet?"
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Jan-Martin Wagner
Halle (Saale)

Dieser Beitrag wurde am 24.02.2009 um 22.21 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#4634


Weil das österreichische BMBWK aufgelöst wurde (vgl. hier; das dort erwähnte Archiv gibt es auch schon nicht mehr), führen die Verweise am Ende der folgenden Seite natürlich ins Nichts:

www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/ba/Bildungsanliegen_Neue_Re1810.xml

Damit diese Seite nicht auch noch flöten geht, hier eine Kopie des Inhalts:

Neue Rechtschreibung - Zwei Jahre nach offizieller Inkraftsetzung

Zwei Jahre nach der offiziellen Inkraftsetzung der Rechtschreibreform am 1.8.1998 kann gesagt werden, dass im Schulbereich die Umsetzungsmaßnahmen sehr weit gediehen und an vielen Schulen bereits abgeschlossen sind.

Um den Schülerinnen und Schülern ein späteres Umlernen zu ersparen, wurden unmittelbar, nachdem eine Erklärung zur Neuregelung von politischen Vertretern aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein sowie einer Reihe von Ländern, in denen Deutsch Minderheitensprache ist, unterzeichnet wurde, alle Schulen über die Reform informiert und man hat es den Schulen freigestellt, bereits ab dem Schuljahr 1996/97 nach der neuen Schreibung zu unterrichten. Dies wurde dann auch im Interesse der Kinder wahrgenommen. Mit Schuljahr 1998/99 haben dann alle Schulen auf die neue Rechtschreibung umgestellt .

Um die zeitgerechte Umsetzung der Rechtschreibreform sicherzustellen, wurden vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur schon im Jänner 1997 die Leistungsbeurteilungs-Verordnung novelliert und die Lehrplan-Teile "Rechtschreiben" geändert, die dann ab 1. September 1998 vorlagen.

Weiters wurden allen Lehrerinnen und Lehrern die Kenntnisse über die neue deutsche Rechtschreibung im Rahmen der Fort- und Weiterbildungskurse der Pädagogischen Institute und der Arbeitsgemeinschaften vermittelt .

Hand in Hand mit der Umstellung auf die neue Rechtschreibung im Schulbereich begannen die Umstellungsarbeiten für die österreichischen Schulbuchverlage . Bereits im Schuljahr 1996/97 war die Nachfrage nach "rechtschreibreformierten" Schulbüchern sehr groß.

  • Im Schuljahres 1999/2000 war das Gros der Schulbücher bereits umgestellt, speziell die sprachrelevanten Bücher.

Erste Erhebungen im Schulbereich haben ergeben, dass die Neuregelung an den Schulen insgesamt positiv aufgenommen wird.

  • Zwei Drittel der Lehrerinnen und Lehrer sind der Ansicht, dass die neuen Schreibweisen Vereinfachungen bringen. Dies wird auch durch die Abnahme von Rechtschreibfehlern bestätigt.
  • Die 19. Auflage des Duden (bisherige Rechtschreibung) enthielt nicht weniger als 212 Regeln, die meist zahlreiche Unter- und Sonderregeln aufwiesen.
  • Durch die Rechtschreibreform wurden die Regeln gestrafft und auf die Hälfte reduziert (nach der Reform ca. 110 Regeln) und somit Lernhindernisse abgebaut.

Bereits bei den ersten Umfragen (Dez. 1997) wurde von den Volksschulen in Österreich mitgeteilt, dass in folgenden Bereichen methodisch-didaktische Erleichterungen durch die neue Rechtschreibung festzustellen sind.

Erleichterungen in den einzelnen Bereichen:

  • 56% bei der Wortstammschreibung (inkl. s/ß-Schreibung)
  • 45% bei der Worttrennung
  • 22% bei der Beistrichsetzung
  • 8% bei der Groß- und Kleinschreibung
  • 8% bei der Getrennt- und Zusammenschreibung

Positive Ergebnisse gibt es auch in Deutschland , wie eine dpa-Umfrage in mehreren Bundesländern ergab.

Auch die Umsetzung der Rechtschreibreform im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist bereits sehr gut angelaufen. Der rechtliche Ausgangspunkt der Umsetzung der Rechtschreibreform im inneren Dienst der Bundesministerien ist der Beschluss der Bundesregierung vom 23. Juli 1998. Mittels Ministervortrages des Bundeskanzlers wurde die Bundesregierung betreffend die Umsetzung der Rechtschreibreform in der Bundesverwaltung informiert und die Bundesminister/innen eingeladen, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich in geeigneter Weise für die Umsetzung der neuen Rechtschreibregeln Sorge zu tragen. Ziel ist es, dass im Bereich der öffentlichen Verwaltung mit der Jahrtausendwende nur mehr Texte in der neuen Schreibweise produziert werden.

Auf Grund der dem bm:bwk vorliegenden Informationen kann auch gesagt werden, dass die Umstellung auf die neue Rechtschreibung in allen Bereichen bereits gut angelaufen ist. Neben der Umstellung in der öffentlichen Verwaltung haben u.a. bereits der ÖGB, das Österr. Normungsinstitut, Banken, Versicherungen, Krankenanstalten, Wirtschaftskammer Östereichs, Arbeiterkammer auf die neue Rechtschreibung umgestellt bzw. befinden sich in der Umstellungsphase.
Auch viele Firmen und Privatpersonen haben vom bm:bwk Unterlagen angefordert und befinden sich ebenfalls in der Umstellungsphase.

Es war Schülerinnen und Schülern aber auch vielen Erwachsenen bisher nicht ganz verständlich, dass "mit Bezug auf," aber "in bezug auf" geschrieben wurde. Gleiches gilt für: "Schlange stehen", aber "kopfstehen", oder "diät leben", aber "eine Diät halten". Warum hat es dem "st" geschmerzt, wenn man es trennte, aber nicht dem "sp"? Warum schrieb man nach der bisherigen Rechtschreibung "numerieren" mit einem "m", obwohl dieses Wort offensichtlich von "Nummer" abgeleitet wird? Weiters wurde "Schifffracht" aber "Schiffahrt" geschrieben. Diese wenigen Beispiele zeigen auf, wie kompliziert und unübersichtlich die bisherige Rechtschreibung war.

Ziel dieser Reform war es deshalb, das System für die Schreibenden zu vereinfachen , ohne dass aber die Lesenden daraus Nachteile haben. Im Computerbereich wird z.B. ständig an der Erleichterung des Umgangs mit der Software gearbeitet, um die Programme benutzerfreundlicher zu machen. Und wir sollten die Rechtschreibung absichtlich kompliziert halten?

Natürlich werden auch in der Zukunft in der deutschen Rechtschreibung Fehler gemacht werden, da es die "einfache" deutsche Rechtschreibung nicht gibt und es sie nicht geben kann. Doch durch die neuen Regeln werden es weniger Fehler sein.

Das Koordinationskomitee für Orthographie beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur das im Auftrag der Unterzeichnerländer die internationale und für Österreich die nationale Koordination der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung wahrnimmt, bietet kostenlose Hilfestellungen und Schulungen an und steht für diesbezügliche Anfragen unter

Tel.: //
Fax: //
@

zur Verfügung.

Geändert am 21.11.2003

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Dieser Beitrag wurde am 22.11.2008 um 21.43 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#4211


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 22.11.2008 um 12.13 Uhr

Nicht nur in Ratgebern gibt es Sonderbares.
Etwa auf einer Seite des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur wird noch die -ig, -isch und -lich Regel zitiert und es werden ausschließlich Literaturverweise auf Werke aus den Jahren 1996 und 1997 gegeben.
Daß seither mindestens 2 amtliche Neuregelungen erschienen sind, dürfte den Autoren im Ministerium unbekannt sein.

http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/ba/Rechtschreibreform_Inhal1812.xml
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Berlin

Dieser Beitrag wurde am 17.05.2007 um 00.10 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#1845


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 16.05.2007 um 21.54 Uhr

Ein Adjektiv mit großem Binnen-I (kundInnenfreundlich) ist mir zuvor noch nie aufgefallen. Danke an Hrn. Vavrousek für diese politsche Bereicherung der korrekten Schreibung!

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 16.05.2007 um 10.11 Uhr

Nachschlag:

Sehr geehrter Herr Vavrousek,

vielen Dank für Ihre Informationen. Die Stadt Wien gibt vor, ihren Internetauftritt "barrierefrei" zu halten, damit Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten keine Probleme haben, die interessanten und informativen Inhalte lesen und erfassen zu können.

Aber sämtliche Seiten sind in einer Rechtschreibung abgefaßt, die für behinderte und ältere Menschen erhebliche Hürden bei der Sinnerfassung evoziert. Entgegen dem Gebot grammatikalisch-syntaktischer Sprachrichtigkeit werden Schreibungen verwendet, die nachweislich grammatikalisch falsch sind (sogenannte "neue Rechtschreibung") und daher für die Besucher der Seite zu erheblichen Verständnisschwierigkeiten führen können.

Auf die von mir eingebrachte Meldung dieses erheblichen Defizits in Sachen "Barrierefreiheit" erhielt ich eine anonyme Antwort der Redaktion, in der es hieß, die "neue Rechtschreibung" sei für diese Seiten verbindlich. Zugleich setzte sich der Verfasser dieser Nachricht aber mehrfach über ebendiese "Verbindlichkeit" hinweg, indem er "das" schrieb, wo für ihn "dass" verbindlich ist und sich außerdem nicht an die aktuelle Verbindlichkeit der Kommasetzung hielt.

Hierfür scheint der Referatsleiter, Herr Michael Rederer, verantwortlich zu sein.

Ich frage Sie nun ganz konkret: Wie kann es angehen, daß die Benutzer Ihrer Internetseiten ohne Rücksicht auf geistige oder körperliche Behinderungen fortlaufend eine "Rechtschreibung" vorgesetzt bekommen, bei der sogar Menschen ohne Behinderung, ohne Grauem Star oder Altersdemenz erhebliche Schwierigkeiten mit der eindeutigen Sinnerfassung haben — und wie geht es an, daß dieselbe Redaktion, die dies den Besuchern Ihrer Internetseiten vorsetzen zu müssen glaubt, sich in ihren eigenen Aussendungen nicht an ebendiese "Verbindlichkeiten" gebunden fühlt?

Ich werde diese Sachverhalte auch mit den großen österreichischen Behindertenverbänden durchsprechen und dort auf Überlegungen hinwirken, die Redaktion Ihrer Internetseiten zum Gebrauch einer sprachlich einwandfreien, verständlichen Orthographie zu ermuntern. An der offiziellen Haltung Ihrer Dienststelle sowie an Ihrer persönlichen Auffassung zu diesem Thema bin ich sehr interessiert.

Mit freundlichen Grüßen
...

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 16.05.2007 um 09.57 Uhr

Die Stadt Wien antwortet:

Sehr geehrter Herr ...,

der von Ihnen aufgezeigte Sachverhalt wird innerhalb der Magistratsabteilung 53 sehr ernst genommen. Bei allfälligen Fehlern werden die MitarbeiterInnen in geeigneter Form darauf aufmerksam gemacht und wenn erforderlich geschult. Disziplinarrechtliche Schritte werden aber nicht gesetzt.

Sollten Ihnen in diesem Zusammenhang Verfehlungen nach der neuen Rechtschreibung auffallen, sind wir über Ihre Hinweise dankbar. Ich bitte Sie aber zu verstehen, dass bei der enormen Vielfalt unserer Produkte (z.B. mehr als 40.000 wien.at Online-Seiten) sich eine flächendeckende Kontrolle als sehr schwierig gestaltet.

Ich glaube aber sagen zu können, dass sich die Stadt Wien, auch im Vergleich zu anderen Gebietskörperschaften, außerordentlich bemüht, die deutsche Sprache im Amtsgebrauch kundInnenfreundlich einzusetzen (siehe auch das Programm „Wien spricht anders“).

Mit freundlichen Grüßen
Fred Vavrousek
Bereichsleiter für Stadtkommunikation und Medien.

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 11.05.2007 um 15.46 Uhr

Anfrage an die der "Wien.at"-Redaktion vorgesetzte Abteilungsleitung:

Sehr geehrter Herr Hofrat ...,

mir wurde mitgeteilt, daß innerhalb der Dienststellen des Wiener Magistrats die Anwendung der sog. "neuen Rechtschreibung" verbindlich vorgeschrieben sei. Nun bitte ich Sie im Zusammenhang damit um Information darüber, mit welchen dienstrechtlichen Schritten ein Ihnen unterstellter und weisungsgebundener Mitarbeiter der MA 53 rechnen muß, wenn er sich dieser gesetzlich vorgeschriebenen Rechtschreibung widersetzt, also nicht auf dem Stand des aktuell gültigen Regelwerks arbeitet.

Bitte teilen Sie mir hierfür auch die herrschende Dienstwegsstruktur und die personelle Besetzung des hierfür zuständigen Disziplinargerichts mit. Desweiteren würde mich interessieren, ob es sich bei Abweichungen der skizzierten Art um rein dienstintern zu ahndende Tatbestände oder um Offizialdelikte handelt und welche Bundesbehörde diesfalls für die Verfolgung des Täters zuständig ist.

Mit freundlichen Grüßen
... ...

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 10.05.2007 um 11.02 Uhr

Nun locken wir sie mal aus der Reserve...

Sehr geehrtes "wien.at-Team",

ich ersuche Sie um Bekanntgabe der Ihnen vorgesetzten Dienststelle mit Email-Adresse, da Sie in Ihrer Nachricht zweimal gegen die für Sie verbindlichen Regelungen der "neuen Rechtschreibung" verstoßen haben.

Abweichungen von den für Sie geltenden Amtsvorschriften sind üblicherweise Gegenstand dienstrechtlicher Untersuchungen.

Mit freundlichen Grüßen
... ...

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 10.05.2007 um 10.57 Uhr

Auf meine Beschwerde bzgl. Barrierefreiheit hat der Seitenbetreiber wie folgt geantwortet (Originalschreibweisen!!):

Sehr geehrter Herr ...!

Vielen Dank für Ihr E-Mail und das damit verbundene Interesse das Sie für die Inhalte von wien.at zeigen.

Zu Ihrer konkreten Frage möchten wir Ihnen mitteilen, dass für den gesamten Bereich des Magistrates der Stadt Wien die neue Rechtschreibung verbindlich ist. Dies gilt natürlich auch für unsere Seiten.

Wir hoffen sehr, Sie auch weiterhin zu unseren Usern zählen zu dürfen und das unsere Inhalte für Sie von Interesse sind.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr wien.at-Team

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 07.05.2007 um 10.32 Uhr

Auf https://www.wien.gv.at/formulare/barrierefreiestadt/internet/ kann man Beanstandungen an der Internetseite www.wien.at in Sachen "Barrierefreiheit" melden. Ich habe das soeben getan, da die Benutzung der BRaZ auf diesen Seiten für behinderte und ältere Menschen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Sinnerfassung führen können. Selbst ich als Akademiker sehe mich gelegentlich der Verständnisbarriere ausgesetzt, die sich aus einer neuen Schreibung ergibt. Ungleich schwerer haben es fünfundneunzigjährige Menschen mit Grauem Star und einer unausgeheilten Hirnhautentzündung in der Kindheit. Wenn eine Internetseite barrierefrei sein soll, dann muß sie die allgemein üblichen Schreibweisen verwenden.

Ich würde mich freuen, wenn auch noch andere Mitleser den o. g. Link aufrufen und diesen Einwand dort ventilieren könnten.
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Sigmar Salzburg
Dänischenhagen

Dieser Beitrag wurde am 05.08.2006 um 18.40 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#834


Kriminelle Geldverschwendung der Stadtverwaltung

Pressemeldungen der Stadt Bocholt
Bocholt, den 04. August 2006
Rechtschreibreform wirkt sich auf Straßennamen aus
Straßenschilder ausgewechselt

Bocholt (pd). Nachdem die neue Rechtschreibung jahrelang für Verwirrung gesorgt hat, ist am 1. August die überarbeitete Reform in Kraft getreten. Somit sind die neuen Regeln bundesweit für Schulen und Behörden nun verbindlich.
Im Zuge der neuen Rechtschreibung steht das „ß“ nur noch nach langem Vokal oder Doppellaut, nach kurzem Vokal steht das Doppel-s.
Damit hat die Reform Einfluss auf vier Straßennamen in Bocholt, nämlich Deepenpass (Liedern), Elsenpass (Lowick), Zum Waldschlösschen (Biemenhorst) und Schlossallee (Barlo).
Der städtische Bauhof hat die betroffenen elf Straßenschilder inzwischen ausgewechselt.


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgendes Medium anbieten:
Neues Straßenschild „Zum Waldschlösschen“

[Bild]

Stadt Bocholt
Karsten Tersteegen
Berliner Platz 1
D-46395 Bocholt
Tel.: (0 28 71) 953-327
Fax.: (0 28 71) 953-189
E-Mail: [kterstee@mail.bocholt.de]


http://www.presse-service.de/static/64/642146.html
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Berlin

Dieser Beitrag wurde am 28.01.2006 um 11.47 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#499


Bürokratie und Rechtschreibreform

Beitrag verfaßt von Norbert Schäbler am 25.01.2006 um 12:56 Uhr

Noch respektloser

Im Seniorenheim der gewerkschaftsnahen AWO (Arbeiterwohlfahrt) hat man vor rund zwei Jahren sämtliche Liedertexte auf Neuschreibung umgestellt.
Dabei wurden die früher (zu den fast täglichen Gesangsstunden) gereichten Gehefte mit losen DIN-A-Blättern aus dem Verkehr gezogen und durch identisches Liedgut in neuer Rechtschreibung ersetzt.

Nichts gegen die Loyalität zum Dienstherrn! Doch was hier geschieht, ist doch wohl eher als Nibelungentreue und Vasallentum zu bezeichnen.


Beitrag verfaßt von Alexander Glück am 25.01.2006 um 11:44 Uhr

An Germanist

Was mich in diesem Zusammenhang wirklich sehr extrem verwundert, ist die Tatsache, daß eine erkleckliche Anzahl spezifischer Seniorenzeitschriften ebenfalls die Reform anwenden. Für mich (Mitte 30) ist das wirklich die größtmögliche Respektlosigkeit, die man seinen Lesern zumuten kann.


Beitrag verfaßt von kratzbaum am 24.01.2006 um 18:48 Uhr

Wirklich schätzen lernt man unsere weitgehend integre und gesetzestreue Beamtenschaft wohl nur, wenn man ihr extremes Gegenteil erlebt hat. Meine Frau hat ein halbes Jahr im Rahmen eines katholischen Hilfswerks mit Straßenkindern in Bolivien gearbeitet. Diesen Ärmsten der Armen nehmen dort noch die Polizisten ihren jämmerlichen Verdienst ab, den sie z.B. durch Schuhputzen erworben haben. Der Gründer des Hilfswerks hat in La Paz mit Spendengeldern ein Krankenhaus errichtet. Die Regierung hatte die Übernahme wenigstens eines Teils der laufenden Kosten zugesagt, will jetzt aber nichts mehr davon wissen.


Beitrag verfaßt von Germanist am 24.01.2006 um 18:20 Uhr

Daß Beamte an Aufträge und Anweisungen gebunden und ausdrücklich nicht ihrem Gewissen unterworfen sind, ist aus dem Umkehrschluß von Artikel 38 (1) des Grundgesetzes für Nicht-Volksvertreter einsichtig. Unverständlich ist aber, daß Betriebs- und Firmenzeitungen von Firmen, die sich darin für ihre Produkte eines herausragenden Qualitätsstandards rühmen, dieses in einem abgrundschlechten Reformdeutsch tun. Dieser Widerspruch fällt anscheinend nur den Kunden auf, denen diese Zeitungen in die Hände fallen.


Beitrag verfaßt von Theodor Ickler am 24.01.2006 um 11:43 Uhr

Nationale Stereotype erweisen sich bei breiterer Vergleichsbasis meist als gar nicht so national. Was die Bürokratie betrifft, so kennen wir alle ihre Gefährdungen, Parkinsons Gesetz, Atomisierung der Verantwortung usw. - das sei alles geschenkt. Aber wer könnte bestreiten, daß es ein Segen ist, wenn man sich auf ein geordnetes Verfahren verlassen kann, ohne Schmiergeld zahlen zu müssen, ohne auf mächtige Verwandte und Freunde angewiesen zu sein. Und das Ganze auch noch durch Verwaltungsgerichte überprüfbar!

Schaut man genauer hin, ist nicht die Bürokratie für die Rechtschreibreform verantwortlich. Das wäre ja auch noch schöner, daß wir die Schuldigen gar nicht mehr nennen könnten! Wir haben sie immer wieder genannt und werden das auch weiterhin tun.

Die Bürokratie hat die Rechtschreibform in Wirklichkeit (selbstverständlich!) nicht gewollt. Es waren einzelne Personen, aber nicht als Bürokraten, die sich den Betreibern gefügt haben und nachher nicht mehr bereit waren, die Verantwortung zu übernehmen, so daß der Schlamassel an der "Bürokratie" hängenblieb. Die hat dann natürlich ihre Eigengesetzlichkeit entwickelt und das Unheil in bewährter Effizienz "durchgeführt". Aber z. B. der Zynismus eines Toni Schmid (s. "Regelungsgewalt") ist nicht spezifisch bürokratisch, gerade weil er die Unpersönlichkeit des Verwaltungsapparats hinter sich läßt. Heute redigiert der Schöngeist eine Kulturzeitschrift und will mit der Rechtschreibreform nichts zu tun (gehabt) haben.


Beitrag verfaßt von R. M. am 24.01.2006 um 11:42 Uhr

Bekanntlich stinkt der Fisch vom Kopf her. Von Otto Schily, einem vormaligen Bundesinnenminister, wissen wir, daß er nichts von der Reform hielt. Gleichzeitig ließ er die Reform auf Ebene der Amtssprache »umsetzen«. Den ausführenden Beamten kann man nur vorwerfen, daß sie keine Einwände formulierten. Was aber verständlich ist, weil etwelche Bedenken ohnehin weggewischt worden wären, gerade von einem Schily, dessen Selbstherrlichkeit vielleicht noch einigen in Erinnerung ist.


Beitrag verfaßt von Wolfgang Wrase am 24.01.2006 um 11:02 Uhr

Ich bleibe bei meiner Ansicht, daß das exzessive Befolgen von Anordnungen - unabhängig von Sinngehalt und Zweckdienlichkeit - eine Spezialität der Deutschen ist. (Damit ist nicht gesagt, daß alle anderen Nationen in dieser Disziplin weniger heroisch abschneiden, zum Beispiel Österreicher.) Was ein Markenzeichen bürokratischer Systeme ist - Disziplin und Gehorsam ermöglichen reibungslose, effiziente Abläufe -, wird hierzulande mehr als anderswo im sonstigen öffentlichen und sogar im privaten Leben übernommen: Die Deutschen sind Hobbybürokraten. Darin sehe ich durchaus einen wesentlichen Grund für den bisherigen "Erfolg" der Rechtschreibreform, von der gesagt worden ist, daß sie in den Kulturnationen Frankreich oder Großbritannien sofort zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Ich gebe aber gern zu, daß diese Anlayse nicht weiterführt, weil sich Persönlichkeiten nicht auf Zuruf ändern lassen, weder bei einzelnen Menschen noch in Gruppen.


Beitrag verfaßt von Alexander Glück am 24.01.2006 um 10:39 Uhr

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz, liebe Diskutanten,

offenbar war mein Eintrag Auslöser dafür, daß hier in einer hitzigen Bürokratiedebatte die Wogen hochgehen. Vielleicht hätte ich dies mit präziseren Formulierungen verhüten können, vielleicht war es aber so auch einmal ganz gut.

Ich gebe vier Beispiele, über die sich jeder ein Urteil bilden mag:

1. Der Bund der Steuerzahler hat schon vor vielen Jahren angemahnt, daß, wenn mit den Finanzmitteln verantwortlicher umgegangen würde, wir mit einer Mehrwertsteuer von 11 % das Auslangen finden könnten. Die Differenz von 5 % verschwindet nach wie vor aufgrund von Fehlentscheidungen, nicht zuletzt der Verwaltung. Der Rückzug auf Vorschriften ist in sehr vielen Fällen Ursache von Geldverschwendung, z. B. aufgrund fehlender Arbeitsbewilligungen für Einwanderer, Mehrfachauszahlungen an Sozialhilfeempfänger, Verwaltungsfehler im Gesundheitswesen usw.

2. Im Zweiten Weltkrieg hat sich Deutschlands Beamtenschaft geradezu massenhaft gegenseitig als ach so kriegswichtig zertifiziert und dadurch der Wehrpflicht entzogen -- klingt zwar gut, erfolgte jedoch keineswegs aus pazifistischen oder politischen Gründen. Dieselbe Verwaltung hat in nicht zu überbietender Genauigkeit die Massenvernichtung von Juden, Zigeunern, Behinderten usw. geplant, organisiert und logistisch umgesetzt.

3. Nach 1945 hat sich die deutsche Beamtenschaft in überwiegender personeller Kontinuität in die Demokratie herübergerettet und bis in politische Spitzenämter hinein (Globke) die Geschichte der BRD mitgestaltet, und damit auch die Geschichte der Duldung von Völkerrechtsverbrechen (Korea, Vietnam, Kambodscha, Gladio usw.)

4. Im Fall der Rechtschreibreform ist der ministerialbürokratische Apparat in den Kultusministerien und dem Umfeld der KMK hauptverantwortlich dafür, daß über alle Parteigrenzen hinweg weitergerudert wird. Volksentscheide, erkannte Fehler, selbst ein BVerfG-Urteil werden von dieser Maschine einfach plattgerollt.

Gut an der Verwaltung ist, daß der Bürger ohne Ansehen der Person behandelt wird. Schlimm ist, daß es dabei Ausnahmen gibt, und daß der Haupttrieb des Beamten im Selbsterhalt liegt. Neue Minister haben es oft schwer, in ihrem eigenen Haus, das vielleicht noch andersfarbig geprägt ist, zu arbeiten. Ministerien wandeln sich nicht je nach Minister. Beamte können etwas betreiben oder blockieren, dazu haben sie aber keinen Auftrag und kein Mandat.

Wenn ich also geschrieben habe, daß der aufrechte Bürokrat bewußt handeln soll, dann meine ich damit nicht die Verwirklichung seiner Anschauungen, sondern ein Grundmaß an Verantwortlichkeit für alle inklusive all jene, die über bestimmte Dinge anderer Auffassung sind. Oder anders: verantwortungsbewußt sachwalten.


Beitrag verfaßt von Karin Pfeiffer-Stolz am 24.01.2006 um 08:33 Uhr

Über die Reaktion, die mein Beitrag hervorgerufen hat, kann man nur staunen. „Bürokratenschelte“, so nennen Sie es, Herr Achenbach. „Wen meint sie denn …“ fragen Sie mich, etwas irritierend in der dritten Person. Sehr geehrter Herr Achenbach, ich antworte Ihnen direkt: Gemeint ist das System, nicht irgendwelche Personen, die darin wirken. Mit meinen Anmerkungen habe ich den Einzelnen entlasten, nicht verurteilen oder gar „beschimpfen“ wollen. Mir scheint, daß ich gründlich mißverstanden worden bin. Es war mein Anliegen, die „Bürokraten“ in Schutz zu nehmen vor pauschalierter und gern geübter öffentlicher Schelte. Wer in diesem System arbeitet, wird in keiner Weise unabhängig und selbständig handeln können, selbst wenn er es wollte – was ich den meisten Menschen unterstellen möchte, die selbst unter manchen Zwängen und Ungereimtheiten leiden und den Wunsch haben, sich nützlich zu machen. Ich habe meine eigenen Erfahrungen damit gemacht und es vorgezogen, die Unsicherheit der Selbständigkeit zu ertragen, weil ich mich nicht gern in ein System einzwängen lasse. Aber dies ist meine private Entscheidung, die deshalb nicht richtig zu sein braucht. Ich bin den vielen Menschen in der Verwaltung dankbar, daß sie Tag für Tag in ihren Amtsstuben sitzen und sich mit reglementiertem Papierkram beschäftigen. Ich sehe ein, daß dies nötig ist.

Apropos „Bürokratie und Demokratie“. Bürokratie ist keinesfalls Kennzeichen einer Demokratie, auch wenn Demokratie nicht ohne Bürokratie verwirklicht werden kann. Keine Regierungsform kommt ohne Verwaltung aus: bereits das Kaiserreich war mit einer gut funktionierenden Bürokratie ausgestattet, Bürokratie ist aber auch das Gerüst aller Diktaturen – in einem interessanten Radiointerview habe ich vor einigen Tagen den bedenkenswerten Satz gehört, daß es im Dritten Reich kaum richtigen Judenhaß gegeben habe. Die Enteignung und Vertreibung der Juden aus ihrer deutschen Heimat – einschließlich der Verfolgung der Juden in anderen europäischen Ländern – erfolgte „ohne Ansehen der Person“, gestützt auf „Recht und Gesetz“ der Machthabenden, von „neutral“ handelnden Beamten und deshalb in seiner innergesetzlichen Weise auch „gerecht“, so sehr sich mancher in diesem Zusammenhang daran stören mag. Wollen Sie das jetzt wieder falsch verstehen? Ich kann Sie daran nicht hindern.

Es fällt uns augenscheinlich recht schwer, Fehler im System zu erkennen, dem wir selbst angehören und in dem wir tätig sind. Wer darauf hinweist, macht sich damit unbeliebt.

Der gern bemühte Hinweis auf einen angeblich „miesen“ Nationalcharakter der Deutschen (ich bin Österreicherin, und meine Landsleute sind angeblich noch „schlimmer“) ist wenig hilfreich und verrät, daß man sich nicht wirklich mit den Problemen konstruktiv auseinandersetzen möchte. „Typisch deutsch“ – eine moralische Keule, die dem, der das sagt, subjektiv eine moralische Erleichterung bringen mag; für das kollektive Selbstbewußtsein oder einen Nationalstolz, ohne den wir uns nicht mit unserem Staat identifizieren können, ist das verheerend. Diese Art der Selbstbefleckung ist offensichtlich – typisch deutsch.

Fragwürdig erscheint, wenn gleich die Grundsatzfrage gestellt wird, wie man es denn mit der Demokratie halte, sobald man an der Verwaltung derselben etwas auszusetzen hat. „Bürokratenschelte“: Schubladen dieser Art sind praktisch. Dienen sie doch dazu, lästige Gedanken darin zu versenken, ohne sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Schade. Aber auch dies ein durchaus menschlicher Zug.

Daß es keinen Staat ohne bürokratische Verwaltung geben kann, ist eine Binsenweisheit. Daß die Zerschlagung der Bürokratie entsetzliches Chaos zur Folge hat, wird niemand bestreiten wollen. Es muß aber doch erlaubt sein zu fragen, ob diese Bürokratie tatsächlich so „nummerngerecht“ arbeiten kann, wie wir es uns erhoffen und wie es wünschbar wäre. Auch Institutionen ändern sich mit der Geschichte, sie altern. Manche Einrichtungen, die sich ehedem spontan zum Guten der Gesellschaft gebildet haben, unterliegen einem ungesteuerten Wucherungsprozeß und können selbstzerstörerisch entgleisen. Solche Vorgänge beobachten wir in allen europäischen Staaten, wo die Tendenz zu ungehemmtem Behördenwachstum das wirtschaftliche Leben lähmt.

Liebe Mitstreiter:
Weder will ich meine Meinung rechtfertigen, noch auf einer weiteren gedanklichen Auseinandersetzung bestehen. Bevor ich mich verabschiede, möchte ich aber doch noch folgendes gefragt haben: Worin, wenn nicht in einem Systemfehler der Bürokratie, liegt denn Ihrer aller Meinung nach die Ursache des beharrlichen Festhaltens an einer sogenannten Rechtschreibreform, deren Nachteile niemand bestreitet? Was ist der Grund dafür, daß wir dieses Monstrum an Sprachverstümmelung nicht abschütteln können, obwohl die Mehrheit aller Deutschen das möchte, „Bürokraten“ und „Politiker“ eingeschlossen?


Beitrag verfaßt von Theodor Ickler am 24.01.2006 um 06:08 Uhr

Schon vor Jahrzehnten habe ich mir erlaubt, die vielgescholtene Sprache von Recht und Verwaltung zu verteidigen, und in meinem Fachsprachenbuch gibt es auch eine Verteidigung der Bürokratie. Wenn irgendwo "schnell und unbürokratisch" geholfen wird, gilt es aufzupassen, meist geht es darum, in unkontrollierbarer Weise Geld an jene zu verteilen, die es am geschicktesten anstellen. Das hat aber jemand anders entdeckt, der Soziologe Peter L. Berger, auf dessen Darstellung ich mich gern verlasse. Schwarze Schafe gibt es überall, aber die Bürokratie ist als Vergegenständlichung des Rechtsstaates zunächst mal eine enorme Errungenschaft. Was ist gerechter, als den Menschen "als Nummer zu behandeln", wie unverständigerweise lamentiert wird? Mich hat natürlich die Auswirkung auf die unpersönliche Sprache am meisten interessiert. Wie es bei Auflösung dieser gerechten Ordnung aussieht, hat Klemperer in seinem Tagebuch verzeichnet, und es graust einen. Die recht verstandene Bürokratie muß ebenso verteidigt werden wie die Demokratie, auch gegen sich selbst, gegen ihre selbstzerstörerischen Neigungen.


Beitrag verfaßt von Wolfgang Wrase am 24.01.2006 um 03:28 Uhr

Die Kritik von Frau Pfeiffer-Stolz trifft nach meinem Verständnis zu; nur die enge Verknüpfung mit Personen oder Institutionen der Bürokratie ist in ihrer Zuspitzung fragwürdig. Nicht nur, weil es auch in der "Bürokratie" vernunftgeleitete und verantwortungsbewußte Mitarbeiter gibt (denen es freilich oft verwehrt wird, ihre Qualitäten einzubringen); sondern auch, weil es die beschriebenen Phänomene wie organisierte Verantwortungslosigkeit und das Sichverstecken hinter Gruppen oder Anordnungen auch in anderen Bereichen der Gesellschaft gibt.

Auch Journalisten, Lehrer, Hochschulgermanisten und sogar Wörterbuchredakteure haben sich bei der Rechtschreibreform mehrheitlich nicht gerade nach den Idealen von Vernunft und persönlicher Verantwortung gerichtet. Die Einstellung "Das wurde so beschlossen, also mache ich mit, und wir alle müssen uns danach richten - Diskussionen bringen nichts und sind ab sofort als destruktiv zu brandmarken" - diese Mentalität von Blockwarten wird zwar gern pauschal der Bürokratie zugeordnet, durchzieht aber die ganze deutsche Gesellschaft und ist wohl eher als typisch deutscher Wesenszug zu verstehen.

Mit Leidenschaft und Ausdauer haben Journalisten etwa auf die F.A.Z. und den Axel Springer Verlag eingedroschen, als sei deren verantwortungsvoller Umgang mit der Rechtschreibreform der Inbegriff des Verwerflichen. Keine Bürokratie hat sie dazu gezwungen. Das Ideal der Unterwerfung unter jedwede Beschlüsse von oben geht hierzulande so weit, daß es zum Beispiel in der Medienlandschaft als schicklich gilt, die Rechtschreibreform als mißglückt, überflüssig und lächerlich zu bezeichnen, aber die Befolgung dieses mißglückten, überflüssigen und lächerlichen Monstrums im gleichen Atemzug als selbstverständliche Notwendigkeit anzumahnen.


Beitrag verfaßt von kratzbaum am 23.01.2006 um 22:18 Uhr

Was ist das - ein "Bürokrat"? Eine der großen Errungenschaften unseres Gemeinwesens ist eine funktionierende, auf Recht und Gesetz verpflichtete öffentliche Verwaltung. Auch bei einem politischen Machtwechsel können wir uns auf in der übergroßen Mehrheit korrekte und unparteiische Beamte verlassen. Dies ist nicht so selbstverständlich, schauen Sie sich einmal in der Staatenwelt um. Korruption ist in unserem Land außerordentlich selten, in vielen anderen Ländern dagegen die Regel. Sicher gibt es auch den kleingeistigen, machtbesessenen "Bürokraten". Oft ist es aber nur der verständliche, subjektive Eindruck eines abgewiesenen Antragstellers, dem nur schwer eingehen will, daß gerade die Maxime, "ohne Ansehen der Person" zu entscheiden, eine Stärke unserer Beamtenschaft ist. - Also: Kritik an Politikern ist legitim und nötig. Pauschalverurteilungen von "Kultusbürokraten" zielen ins Leere und bewirken nichts.


Beitrag verfaßt von Klaus Achenbach am 23.01.2006 um 21:49 Uhr

Sosehr ich die Beiträge von Karin Pfeiffer-Stolz ansonsten schätze, muß ich leider doch sagen, daß ich ihre Bürokratenschelte für völlig verfehlt halte. Daß es vielen Menschen schwerfällt, einen Fehler offen einzugestehen, das wissen wir alle. Was hat das aber mit Bürokraten zu tun?

Sie spricht von Kultusbürokratie. Wen meint sie denn überhaupt mit Bürokraten? Die Kultusministerkonferenz besteht aus demokratischen Mandatsträgern, den Kultusministern der Länder. Sind das die Bürokraten? Gerade Politikern fällt es schwer, Fehler einzugestehen, denn sie müssen um Wählerstimmen bangen. Soll das heißen, daß unsere Demokratie die „vielleicht furchtbarste Herrschaftsform“ ist? Sind wir uns nicht einig, daß die Demokratie bei allen Fehlern immerhin die am wenigsten schlechte Regierungsform ist?

Oder meint sie die Beamten, die den Ministern zuarbeiten? Meint sie wirklich, daß das alles verstaubte, ärmelschonerbewehrte graue Eminenzen sind, die ihre Minister hinters Licht führen? Aber warum sollten sie das tun, wenn sie ihr Denkvermögen sowieso schon an der Garderobe abgegeben haben?

Was ist denn mit dem Rechtschreibrat, auf den sich der kritische Beitrag von Prof. Ickler bezieht? Setzt er sich nicht hauptsächlich aus Akademikern und Verbandsvertretern zusammen? Sind das auch alle "Bürokraten"?

Bei aller Empörung über die mißglückte "Rechtschreibreform" sollten wir doch die Kirche im Dorf lassen.


Beitrag verfaßt von Germanist am 23.01.2006 um 19:15 Uhr

"Allgemeine Verantwortungslosigkeit" könnte man diese Handlungsweisen auch nennen. Wer sich trotzdem für die Qualität der Sprache verantwortlich fühlt, wird als "Störer des reibungslosen Ablaufs" bezeichnet, oder als "Hochwohlgeborener", wie von Herrn Müntefering.


Beitrag verfaßt von Karin Pfeiffer-Stolz am 23.01.2006 um 14:50 Uhr

Bürokratie und Rechtschreibreform

Was ist ein „aufrechter Bürokrat“? Das Wesen der Bürokratie ist gekennzeichnet durch Unpersönlichkeit und Unselbständigkeit. Das „normale“ Verhalten eines Bürokraten hängt, so meine ich, nicht von bewußt getroffenen Entscheidungen ab. Sein Handeln folgt im Gegenteil einem bewußtseins- und gewissenentlastenden Schema, das wir auch Gewohnheit nennen könnten. Man folgt eingefahrenen Geleisen. Weshalb sollte sich ein Bürokrat über das, was er tut, Gedanken machen? Wozu sich das Leben unnötig schwer machen? Wird er nicht dafür bezahlt, das zu tun, was er tut? Welchen Nutzen könnte er sich davon versprechen, plötzlich selbst denken zu wollen? Damit würde er sich nur Unannehmlichkeiten einhandeln. Also tut er seine Pflicht.

Wäre vielleicht noch hinzuzufügen, daß sich für die Arbeit in der Bürokratie bevorzugt Personen anbieten, deren Drang zu selbständigem Denken und Handeln gering ausgeprägt und die wenig Willen zur Freiheit mitbringen.
Funktionierende Bürokratie setzt voraus, daß nicht hinterfragt wird. Der Lohn für den treuen Bürokraten ist ein genau umrissener Einfluß- und Machtbereich sowie die garantierte Entbindung von jeder Verantwortung. Hannah Arendt bezeichnet die Bürokratie treffen als die „vielleicht furchtbarste Herrschaftsform“, die man am besten als „Niemandsherrschaft“ bezeichnen könne. Sie ist die tyrannischste Herrschaftsform, „da es hier tatsächlich Niemanden mehr gibt, den man zur Verantwortung ziehen könnte.“ Schon vor gut 45 Jahren stellte Hannah Arendt fest, daß ein „Hineintreiben in solche Niemandsherrschaft“ nahezu überall auf der Welt die politische Situation kennzeichne. (H. Arendt: Macht und Gewalt, 1969)

Die Rechtschreibreform ist eine bürokratische Reform. Wir erinnern uns: Als die Reformer kurz nach der vorgezogenen Einführung ihres „Jahrhundertwerks“ an den Schulen, erschrocken über die Ungereimtheiten, die sie angerichtet hatten, eine weitere Überarbeitung vornehmen hatten wollen, wurde dieses Vorhaben durch das Einschreiten der Kultusbürokratie verhindert. Auch die nur auf den ersten Blick verwunderliche Tatsache, daß die meisten Funktionsträger unserer Gesellschaft nach eigenem Eingeständnis wenig glücklich sind mit der Neuschreibung, sie aber dennoch aktiv mittragen, wird durch das Erklärungsmodell „Bürokratie“ verständlich.

Seitens der Vertreter der Staatsmacht ist also keine Korrektur zu erwarten. Vorstöße einzelner Politiker werden durch die Stricke der Bürokratie zu Fall gebracht, wie das Beispiel Christian Wulff eindrucksvoll zeigte. Er war nicht der einzige, der an den Klippen der Niemandsherrschaft scheiterte - sicher keine Folge fehlenden Willens.

Wir sollten aufhören, etwas von irgendwelchen politischen Gremien zu erwarten – auch der Rat ist ein solches, wenn auch notdürftig mit dem Feigenblatt der Staatsferne getarnt.

Die einzige Möglichkeit zum Befreiungsschlag kann nur durch die Sprachgemeinschaft selbst erfolgen. Die Schweiz macht uns zur Zeit vor, wie man dabei vorgehen könnte.

Es muß sich bei jenen, die handeln könnten, dieses aber mit Blick auf den Rat auf die lange Bank geschoben haben, endlich die Erkenntnis durchsetzen, daß jedes Warten und Hoffen vergebens ist. Je länger sie warten, desto größer ist der Schaden für unsere Sprache. Und diesen Schaden haben wir alle – ausnahmslos.


Beitrag verfaßt von Alexander Glück am 23.01.2006 um 09:54 Uhr

Die Geschichte sollte uns lehren, daß der aufrechte Bürokrat nicht im blinden Exekutieren verwirklicht werden kann, sondern im überzeugten, bewußten und verantwortlichen Sachwalten.

Dann gäbe es auch nicht diese unvorstellbaren Fälle extremer bürokratischer Mißwirtschaft und Sturheit, die uns aus allen Bereichen entgegenbrüllen.

Wie die Geschichte aber zeigt, liegt in der bürokratischen Dickfelligkeit das beste Mittel zum Selbsterhalt der Beamtenapparate.


Beitrag verfaßt von Karin Pfeiffer-Stolz am 21.01.2006 um 15:47 Uhr

Eigenartig ist ja, daß Angehörige der vormals gegen den Staat rebellierenden Gruppe sich heute in einer absoluten Staatshörigkeit gefallen. Um die Rechtschreibung geht es in diesem Streit so gut wie gar nicht. Hier werden Ikonen angebetet und Weltbilder verteidigt. Dogmengläubigkeit macht der Realität gegenüber bekanntlich blind. Aus Erfahrung wissen wir, daß sich die Wirklichkeit nicht auf Dauer aussperren läßt.

Im übrigen sind die an der gesellschaftlichen Front tätigen Sachwalter und Durchsetzer der Reformschreibung in der Regel persönlich nicht von der Reform überzeugt, zudem mehr schlecht als recht informiert über deren Inhalt. Sie sind nichts anderes als aufrechte Bürokraten, denen die Erfüllung ihrer Pflicht wieder einmal alles ist. Dieser Personenkreis erfreut sich außerdem eines guten Gewissens als er – kennen wir das nicht? – nur im Auftrag handelt und insofern gar nichts dafür kann. Daß wir uns nicht gegen staatliche Bevormundung wehren können, liegt im Wesen der Bürokratie begündet. Niemand fühlt sich verantwortlich, niemand i s t wohl wirklich verantwortlich.


Beitrag verfaßt von kratzbaum am 21.01.2006 um 13:34 Uhr

Gespenstisch

Von der Einsetzung des Rates für deutsche Rechtschreibung, über seine Tätigkeit bis hin zur Begutachtung seiner Ergebnisse läßt sich der Eindruck von Unwirklichkeit und Geisterfahrt nicht abweisen. Es ist alles ein leicht durchschaubares Täuschungsmanöver, ein Tun-als-ob. Die KMK steht da, wo sie immer stand: Als der Internationale Arbeitskreis lange genug getagt hatte, wollte man endlich Ergebnisse sehen, egal welche. So kam die halbgare "Reform" heraus, ein dubioses Machwerk erster Güte. Nun hat der Rat ein bißchen herumgebosselt, die KMK bekommt ein Flickwerk geliefert, was aber wiederum gar keine Rolle spielt. Inhalte sind ganz nebensächlich, so verzichtet die KMK denn auch folgerichtig auf jede inhaltliche Debatte.
In den Schulen aber wird die große Ratlosigkeit noch zunehmen. Aufgeweckte Schüler werden allmählich merken, daß die Schule ihnen Falsches und außerhalb ihrer künstlichen Welt Ungebräuchliches, Ungültiges beibringt. Es geht ja nicht um wissenschaflich erkundete Sachverhalte, sondern um Konventionen. Eine Beförderung allgemeiner Skepsis gegenüber der Staats-Agentur Schule wäre nicht das Schlechteste.
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Berlin

Dieser Beitrag wurde am 13.01.2006 um 22.09 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=62#467


Beitrag verfaßt von Chr. Schaefer am 13.01.2006 um 21:55 Uhr

Fundsache:

"Wann wurde Köln mit K und wann mit C geschrieben?
Die Rechtschreibung war vor 1900 im allgemeinen nicht geregelt. Vor 1800 schrieb man in Köln C und K, vor 1500 eher K, nach 1500 meist C, und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Köln meist K. Auf Anregung von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen wurde durch ein Reskript des Staatsministers von Manteuffel vom 8. September 1857 ein Erlaß des Innenministers herbeigeführt, der für alle Staatsbehörden die Schreibweise „Cöln“ vorschrieb.[ 1 ] Die Stadtverwaltung blieb bei „Köln“. Versuche das K durchzusetzen[ 2 ] , scheiterten aber am ablehnenden Bescheid des Regierungspräsidenten vom 30. Oktober 1900.[ 3 ] Die darauf folgende Klage der Stadt Köln wurde am 29. November 1901 abgewiesen und die C-Schreibweise wurde nun auch für die Stadtverwaltung verbindlich. Am 30. Januar 1919 führte die Stadtverwaltung die K-Schreibweise ein, die dann durch Erlaß der preußischen Staatsregierung vom 10. April 1919 für allgemein verbindlich erklärt wurde.[ 4 ]

[ 1 ] Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung zu Köln vom 23. Dezember 1897.
[ 2 ] Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung zu Köln vom 31. Mai und 8. November 1900.
[ 3 ] Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln vom 7. November 1900, S. 426.
[ 4 ] Amtsblatt der Regierung zu Köln vom 1. Mai 1920, S. 153.

http://www.archive.nrw.de/archive/script/infserv/texte/haupt.asp?Nr=2&Tnr=1374

Manchmal dauert es eben.
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