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»Darf man so sagen – oder schreiben?«


Beiträge zum Thema

»Mit Bindestrich zusammengesetzte Adjektive
oder: Die moralische Seite der Zeichensetzung«

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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 30.10.2010 um 18.52 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7079


Lieber Herr Mahlmann,
es kommt ja nicht darauf an, ob Eigenschaften "unterschiedlich genug" sind, sondern ob sie wie in einer Liste, von Kommas getrennt, aufgezählt werden und sich daher gleichberechtigt (vertauschbar) auf das Substantiv beziehen. Wenn dagegen eine Eigenschaft mit dem Substantiv eine Einheit bildet und die andere Eigenschaft sich auf diese Einheit bezieht, steht kein Komma.
Wenn ich also irgendein Spielzeug suche, könnte ich den kleinen, blauen Ball (oder den blauen, kleinen Ball) gerade passend finden. Wo aber mehrere blaue Bälle sind, würde ich evtl. den kleinen blauen Ball aussuchen.
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 26.10.2010 um 13.53 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7063


Weil das Judentum nicht einfach nur eine Religion ist.
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Marco Mahlmann
Osnabrück

Dieser Beitrag wurde am 26.10.2010 um 13.18 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7062


Lieber Herr Achenbach,

tja, so gehen die Eindrücke und Lesarten auseinander.

Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, daß es "jüdischer, deutscher Künstler" heißen müßte. Werden die Größe und die Farbe einer Sache angegeben, steht auch kein Komma: "der kleine blaue Ball".
Religion und Nationalität sind unterschiedlich genug, um hier genauso zu verfahren. Ich schreibe auch: "der christliche deutsche Künstler" oder "der muslimische deutsche Künstler". Warum sollte es bei einem jüdischen anders sein?
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Dieser Beitrag wurde am 25.10.2010 um 20.17 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7058


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 25.10.2010 um 19.25 Uhr

Lieber Herr Mahlmann,

ich lese das nicht so. Ein "jüdisch-deutscher" Künstler ist doch jemand, der sowohl jüdisch als auch deutsch ist. Nach alter Dudenregel wäre die Entsprechung übrigens "jüdischer, deutscher Künstler". Ein "jüdischer deutscher Künstler" wäre nach alter Schreibung ein "jüdischdeutscher Künstler".

Nach den "Amtlichen Regeln" ist der Bindestrich hier wahrscheinlich sogar vorgeschrieben. Ich sage "wahrscheinlich", weil diese Regeln unklar, ja irreführend sind, was den Bindestrich angeht. Die "Amtlichen Regeln" behandeln hierzu nur den Fall "gleichrangiger, nebengeordneter Adjektive". Wie es mit nachgeordneten Adjektiven steht, kann man daraus, soviel ich sehe, nicht entnehmen.

Die amtlichen Regeln, die den Bindestrich in "unübersichtlichen
Zusammensetzungen aus gleichrangigen, nebengeordneten Adjektiven" vorschreiben, sind irreführend, da es sich nach dem vierten Bericht der Rechtschreibkommission überhaupt nicht um unübersichtliche Zusammensetzungen handelt, sondern um Zusammensetzungen aus «meist morphologisch komplexen» Adjektiven.


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 25.10.2010 um 15.35 Uhr

Die Neue Osnabrücker Zeitung hat neulich (mal wieder) Felix Nussbaum als »jüdisch-deutschen Künstler« gepriesen.
Ich habe das nicht wie »jüdischen deutschen Künstler« gelesen. Mein Eindruck war in etwa so: Was deutsch ist, ist nicht jüdisch, also muß man beide Wörter mit einem Bindestrich zusammennageln.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 24.10.2010 um 15.04 Uhr

Ich verstehe es so: Der Bindestrich neutralisiert Gegenbegriffe bzw. entpolitisiert Unterschiede, auf die sich andernfalls Feindschaft beziehen läßt. Im politischen Raum selbst kann eine solche Neutralisierung aber gar nicht unpolitisch sein, sondern allenfalls den einen Konflikt durch einen anderen ersetzen. Das funktioniert allerdings auch umgekehrt und ist dann offensichtlich. Als Fremdbezeichnung dienen Attribute wie christlich-autoritär oder jüdisch-bolschewistisch gerade nicht der Neutralisierung, sondern der Feindbestimmung. Rundum versöhnlich ist der Bindestrich also nicht, auch wenn er Dinge in Beziehung setzt, die nicht von vornherein und für jeden selbstverständlich etwas miteinander zu tun haben. Über das Ergebnis freuen sich die einen, und die anderen ärgern sich, je nachdem, wie vorteilhaft oder nachteilig ihnen die neue Konstellation erscheint.
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Dieser Beitrag wurde am 25.10.2010 um 20.16 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7057


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.10.2010 um 23.57 Uhr

Das ist wohl die hyperkorrekte Übersetzung des amerikanischen "Judeo-Christian", welches mein *Pons Collins Großwörterbuch für Experten und Universität* nicht anführt, zu welchem mein Spell-Check aber sagt, daß es so richtig geschrieben sei. Offenbar soll der Bindestrich hier für "und" stehen, auch wenn er eigentlich diese Funktion nicht hat.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.10.2010 um 20.31 Uhr

Lieber R. M.,

vielen Dank für die interessante Aufklärung.

Leider weiß ich immer noch nicht, was es mit dem Bindestrich in "christlich-jüdisch" auf sich hat. Können Sie mich auch dazu aufklären?


Kommentar von R. M., verfaßt am 23.10.2010 um 20.06 Uhr

Christlichsozial ohne Bindestrich nannte sich die von Karl Lueger gegründete österreichische Partei, deren staatstragend-katholisches Programm etwa dem der Bayerischen Volkspartei entsprach.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.10.2010 um 17.37 Uhr

Lieber R. M.,

bitte klären Sie mich doch auf. Der tiefere Sinn des Bindestrichs entzieht sich mir leider immer noch.


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 23.10.2010 um 00.04 Uhr

Der Bindestrich zwischen christlich-jüdischer/n Tradition/Grundlagen/Werten unserer westlichen „Wertegemeinschaft“.
Er soll verbinden?
Die „Werte pp.“ werden fast tagtäglich von Politikern und solchen, die sich berufen fühlen, deklamiert, beschworen, eingehämmert, heruntergeleiert, vorgebetet.
Herr Achenbach nennt die Bindestrichverbindung politisch korrekt, unabdinglich, ohne deren Befolgung ein Politiker erledigt sei. Wenn er nicht anders kann, soll er sein Amt halt aufgeben (und seine Versorgungsansprüche), aber doch wenigstens den Mund aufmachen.
Was sie, die Werte, darstellen, hat uns noch niemand erklärt (Herr Ickler: von Werten faseln).
Früher sprach man von der abendländischen Kultur. Der Begriff scheint überholt durch den Bindestrichbegriff.
Zweitausendjähriges Blutvergießen: Es sind noch fünfhundert Jahre mehr, nimmt man Ägypten und die Babylonische Gefangenschaft hinzu.
Im 11. Jahrhundert ging’s parallel zu den Kreuzzügen in Europa richtig los. Später hat man den (russischen) Begriff Pogrom geprägt.
Sind das die vielzitierten gemeinschaftlichen „Werte, Traditionen/Grundlagen"?
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Dieser Beitrag wurde am 25.10.2010 um 20.09 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=258#7056


Kommentar von R. M., verfaßt am 22.10.2010 um 17.34 Uhr

Der Bindestrich als großer Versöhner. Christlich-sozial ist nicht gleich christlichsozial, sonst wär's antisemitisch.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.10.2010 um 13.41 Uhr

Liebe(r) Argonaftis,

ich war nicht von dem Bindungsstrich "irritiert". Nach meinem Verständnis war es Prof. Ickler, der von dem Bindestrich irritiert war. Weil ich den Grund dafür nicht verstehe, habe ich danach gefragt.

Jedem klardenkenden politischen Beobachter sollte doch klar sein, warum hier von der christlich-jüdischen oder jüdisch-christlichen Tradition gesprochen wird: allein von der christlichen Tradition zu reden würde die deutschen Juden ja scheinbar ausschließen. Das ist in Deutschland nun einmal ein Ding der Unmöglichkeit.

Der christliche Glaube ist aus dem jüdischen Glauben entstanden. In diesem Sinne verstanden, sehe ich nicht, was an dem Reden über christlich-jüdische Tradition auszusetzen wäre. Auch der Islam ist aus jüdisch-christlichen Wurzeln entstanden. Mit vollkommen gleichem Recht könnten sich daher die muslimischen Länder auf ihre islamisch-christlich-jüdische Tradition berufen.

Ich sehe auch nicht, wie hier irgend etwas "zugekleistert" wird. Es wird doch kein vernünftig denkender Mensch glauben, offenkundige Tatsachen mit welcher Wortwahl auch immer "zukleistern" zu können.

Ich sehe die Gründe für solche Ausdrucksweisen anderswo: Man spricht von "Leitkultur" oder von "christlich-jüdischer" Tradition, weil man das politisch inkorrekte "Überfremdung" vermeiden will. Es ist wohlfeil von Politikern zu verlangen, sie sollten "sagen, was sie genau meinen". Dazu ist die Macht der politisch Korrekten hierzulande zu groß. Man sollte Poltikern zugute halten, daß jedes ihrer Worte auf die Goldwaage gelegt wird. Ein falsche Wort und die politische Karriere kann beendet sein, jedenfalls solange, wie es keine mit Stuttgart oder Gorleben vergleichbare Demonstrationen gegen politische Korrektheit gibt.

Wer Redeweisen wie "christlich-jüdische Tradition" selbst auf die Goldwaage legt, sollte sich jedenfalls über die Auswüchse der politischen Korrektheit nicht aufregen.


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 22.10.2010 um 10.19 Uhr

Herr Achenbach war irritiert über den Bindestrich zwischen christlich-jüdisch und das Wort "zugekleistert".
Siehe dazu hier: www.tagesspiegel.de


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 21.10.2010 um 16.41 Uhr

Was ist denn an dem Bindestrich bei "christlich-jüdisch" eigentlich auszusetzen? Inwiefern wird damit etwas zugekleistert?
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