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Blüthen der Thorheit

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15.10.2006
 

„Ansonsten tragfähige Regelung“
Der Sonntag bei … Matthias Wermke

Der neue Duden scheint sich tatsächlich nicht so gut zu verkaufen wie gewünscht.

Chefredakteur Matthias Wermke jedenfalls gewährt inzwischen sogar Anzeigenblättern Interviews, den Absatz fest im Blick. In „Der Sonntag“ (Karlsruhe) rät er davon ab, sich in Orthographiedingen vom „Bauchgefühl“ (gemeint wohl: vom Sprachgefühl) leiten zu lassen und empfiehlt, „immer“ nachzuschlagen. Er hätte auch sagen können: „Den Duden braucht jeder.“ Das bedeutet heute aber nur noch, daß im Duden nachlagen muß, wer wie der Duden schreiben will. Dem entspricht der neue Werbeslogan „Nur der Duden ist der Duden“. – Hier der Text:

Es kommt vor, dass beim Leiter der Duden-Redaktion das Telefon klingelt und ihn eine Studentin sprechen will. Sie müsse mit Matthias Wermke unbedingt ihre Diplom-Arbeit durchgehen. Sie habe noch sehr viele Fragen zur Kommasetzung. "Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, bitte rufen Sie unsere Sprachberatung an", ist dann die kurze Auskunft des obersten Rechtschreibers. Die 40000 Anfragen jährlich an die in Mannheim arbeitende Duden-Redaktion kann er unmöglich selbst erledigen. Dafür ist das Beratungstelefon unter (09001) 870098 zu erreichen. "Und dort gibt es eine geprüfte Auskunft. Ich habe wirklich selbst die Erfahrung gemacht, dass das Bauchgefühl bei der Rechtschreibung nicht viel hilft und man immer nachschlagen sollte", lautet ein Grundsatz des 50-Jährigen.

Im Juli erschien die 24. Auflage des berühmten gelben Buches mit Reförmchen an der Reform. Der neue Duden ist ein Renner und die Aufregung hielt sich in Grenzen. "Wir bekommen viele positive Rückmeldungen, weil wir jetzt gelb unterlegte Empfehlungen geben, wenn die Regeln mehrere Schreibvarianten zulassen." 1216 Seiten dick ist der Duden. Kein Foto findet sich darin. Fast keines. In einem beigelegten Zettel erscheint doch ein lächelnder bärtiger Mann: Matthias Wermke, Kopf der 20-köpfigen Dudenredaktion, ist kein Professor hinter Karteikästen, sondern ein Manager. Er will beispielsweise mit dem Duden bei den großen Rechtschreibe-Büchern einen Marktanteil von 95 Prozent halten.

Es war dem Heidelberger nicht in die Wiege gelegt, dass die Orthografie mal so wichtig wird. Er wollte schon seinen Vorbereitungsdienst als Deutsch- und Französischlehrer antreten, da erhielt er eine Anfrage des Duden-Verlags. Man suchte einen, der wie er an einem Wörterbuchprojekt gejobbt hatte. Die Rechtschreibungist ein Thema wie die Schule und der Fußball – alle reden gern mit und wissen selbst am besten Bescheid. So landen immer wieder Anregungen beim Duden-Chef. "Es ist dann allerdings nicht so, dass wir in stundenlangen rauchigen Sitzungen ausbaldowern, welche neuen Worte aufgenommen werden." Immerhin erreichten die Norddeutschen, dass kürzlich ihr "Moin, Moin" für "Guten Tag" den Weg ins Wörterbuch mit 130000 Stichworten fand. Die ganz neue Rechtschreibung sorgt bei 3000 Worten für zwei Schreibmöglichkeiten. "Das ist zu viel und ein kritischer Punkt bei der ansonsten tragfähigen Regelung", meint der Kurpfälzer mit Wohnsitz an der Bergstraße.

Natürlich hört er überall Klagen über die jetzige Rechtschreibung und ist erstaunt über hartnäckige Vorurteile: Das ß beispielsweise ist durchaus nicht abgeschafft. Und weil an den Schulen seit zehn Jahren veränderte Schreibung gelehrt wird, sei die neue gar nicht mehr so neu. Das wollten nur manche nicht wahr haben. Oder wahrhaben? Wermke lacht und weiß um die richtige Zusammenschreibung. "Aber dass ‚während’ mit h geschrieben wird, das musste ich früher immer wieder selbst nachschauen."

Thomas Liebscher


Die Arbeit von Matthias Wermke wirkt sich auf Millionen von Deutschen aus. Der 50-Jährige ist als Leiter der Mannheimer Duden-Redaktion ein Sprachpapst im Hintergrund. Wermke wuchs in Heidelberg auf, wo er auch Germanistik und Romanistik studierte und mit dem Doktortitel abschloss. Er führt seit 1995 die 20-köpfigen Redaktion, in der außer dem Rechtschreib-Duden viele weitere Wörterbücher entstehen. Inzwischen ist er auch Verlagsleiter. Wermkes Hobbys sind Folkmusik, früher spiele er noch selbst, und Regionalgeschichte. Mit seiner britischen Frau besucht er ab und zu den Golfplatz.




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Kommentare zu »Der Sonntag bei … Matthias Wermke«
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Kommentar von Mannheimer Morgen, 4. April 2007, verfaßt am 20.04.2007 um 19.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=120#572

Pizzas und Pizzen schmecken den Deutschen gleich gut
SPRACHE: Bei der Duden-Sprachberatung in Mannheim klingelt täglich rund 200 Mal das Telefon

Von unserem Redaktionsmitglied Tanja Rühle

Selbst Muttersprachler können nicht bestreiten, dass die deutsche Sprache eine schwere ist. Dies bekommt der Mannheimer Dudenverlag nicht erst seit der Rechtschreibreform zu spüren. Tagtäglich klingelt bei der Sprachberatung des Verlags das Telefon an die 200 Mal. "Heißt es nun der, die oder das Klientel? Kann man sagen ,ein lilanes Kleid'? Wie lautet der Plural von Pizza?" - das sind häufig gestellte Fragen, deren Antworten die Duden-Experten auf einer "Top 30"-Liste auf ihrer Internetseite zusammengestellt haben. Unsicherheiten bestehen nicht nur in der richtigen Handhabung der Artikel oder der Pluralbildung, sondern betreffen auch andere Bereiche in Grammatik, Rechtschreibung, Interpunktion, Stil sowie Etymologie.

"In über 50 Prozent der Fälle werden unseren acht Sprachberatern Fragen zur Orthografie gestellt", weiß der Leiter der Dudenredaktion, Matthias Wermke. Es seien vor allem ganz normale Leute, die den kostenpflichtigen Service des Verlags nutzten, wie Schüler und deren Eltern, die die angestrichenen Fehler in einem Aufsatz oder Diktat überprüfen wollten. Aber auch Fachpersonal - Lektoren, Übersetzer, Redakteure oder Werbetexter - suchen bei den Sprachwissenschaftlern Rat. Und Fernsehteams von Quizshows lassen sich bei Duden die Antworten auf Sprachfragen als eine Art Rückversicherung nochmal bestätigen.

Doch woher kommen diese Unsicherheiten im korrekten Sprachgebrauch selbst bei Muttersprachlern? Hat der zunehmende Einfluss des Englischen dazu beigetragen oder gar die Rechtschreibreform zu einer babylonischen Sprachverwirrung geführt? "Unsicherheiten im Sprachgebrauch hat es wohl schon immer gegeben", so Wermke. Die Anfänge der Duden-Sprachberatung gehen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. "Zu Kaiserzeiten gingen die Anfragen schriftlich an den so genannten Reichsoberkorrektor", erklärt Wermke. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es zunächst schriftlich weitergegangen, dann telefonisch. Seit der Rechtschreibreform 1996 hätten die Anrufe dann kurzfristig zugenommen. "Mittlerweile können wir allerdings keine vermehrte Verunsicherung aufgrund der Reform mehr feststellen. Vor allem für die jüngere Generation ist die neue Rechtschreibung zum Alltag geworden", konstatiert Wermke.

Nachfragen kommen laut den "Top 30" auch häufig zu Begriffen, die aus dem Englischen übernommen wurden. Die Anti-Falten-Creme ist den "Anti-Aging-Produkten" gewichen, man schreibt keinen Brief mehr, sondern eine E-Mail und aus dem Internet wird "downgeloadet" anstatt heruntergeladen. Schwierigkeiten bereitet den Sprechern besonders die richtige Artikelwahl vor Anglizismen. So verzagen viele bei der Frage, ob es nun "ein SMS" oder "eine SMS verschicken" heißt. Laut Duden ist "eine SMS" die korrekte Variante. Interessant, der richtige Einsatz von der, die oder das wird bei Wörtern mit englischer Herkunft nicht etwa vom Standardwerk vorgegeben, sondern richtet sich nach dem Alltagsgebrauch der Nutzer.

"Erst durch den allmählichen Gebrauch kristallisiert sich heraus, welcher Artikel sich durchsetzt", erklärt der Redaktionsleiter. Um die anfänglichen Fragen aufzuklären: Korrekt heißt es die Klientel, ein lila oder lilafarbenes Kleid und als Mehrzahl von Pizza ist sowohl Pizzas als auch Pizzen zulässig.

 

Kommentar von jms, verfaßt am 27.10.2006 um 23.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=120#517

Der Eindruck, den die Beschreibung Wermkes hinterläßt: wirkt irgendwie bieder, der Mann. Redet flaches Zeug und scheint nicht wahrhaben zu wollen, daß das Haus, in dem er lebt, ziemlich abgebrannt ist.


 

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